Fachmarktdrama bei der Migros: Die Läden werden verkauft, doch die Manager haben neue Spitzenjobs im Konzern

Es ist ein Eingeständnis des Scheiterns. Die Migros räumt bei ihren Fachmärkten kompromisslos auf. Nachdem Anfang Februar bereits die Verkaufsabsichten für die Elektronikkette Melectronics sowie den Sportartikelhändler SportX verkündet wurden, kommen nun auch das Möbel- und Einrichtungshaus Micasa, die Heimwerkerkette Do it + Garden sowie der Velohändler Bike World auf den Markt.

Viel Geld wird die Migros mit den Verkäufen nicht lösen. Aber sie ist schon froh, wenn sie die hohen Verluste, welche die Fachmärkte jedes Jahr verursachen, los ist. Immerhin für einen Teil der Melectronics-Läden gibt es eine Zukunft. Die deutsche Media-Markt-Kette übernimmt zwanzig Standorte inklusive Personal.

Damit verschwinden etablierte Ketten aus den Schweizer Ladenpassagen. Dabei gab es vor fünf Jahren einen Plan, Melectronics und Co. zu retten. Schon damals galten die Fachmärkte als Problemkinder. Anfang 2020 wurde deshalb die Migros Fachmarkt AG gegründet.

Die Idee war simpel: In einer zentralen Gesellschaft sollten Dienstleistungen für alle Fachmärkte erbracht werden, vom Marketing über den Wareneinkauf bis zum Online-Shop. Das Ziel: mehr Effizienz.

Das Vorhaben profitierte zu Beginn von unerwartetem Rückenwind: Die Corona-Pandemie zwang die Menschen zum Zu-Hause-Bleiben. In der Folge motzten sie ihr Daheim in grossem Stil auf. Trotz geschlossenen Läden schossen die Umsätze mit Sport- und Elektrogeräten, Möbeln und Heimwerkerartikeln in die Höhe. Dank dem Online-Handel legten die Migros-Fachmärkte 2020 einen Umsatzsprung von 5,6 Prozent auf 1,7 Milliarden Franken hin.

Genutzt hat alles nichts. Letztes Jahr brach der Umsatz um 7,7 Prozent auf noch 1,5 Milliarden ein. Auch die Konkurrenz spürt die Flaute nach Corona, doch den Migros-Märkten bricht sie das Genick. Die Genossenschaft sieht keine andere Möglichkeit, als sich von ihren Spezialgeschäften zu trennen – und mit ihnen von zahlreichen Mitarbeitern.

Chef trotz Verlusten

Keine Konsequenzen spüren allerdings die Verantwortlichen der Fachmarkt AG. Im Gegenteil: Fast alle sind sie heute in leitenden Positionen im Migros-Universum angestellt.

Da wäre zum Beispiel Jörg Blunschi, zurzeit noch Präsident der Fachmarkt AG sowie CEO der Migros Zürich, der grössten aller zehn Migros-Regionalgenossenschaften. Blunschi ist designierter Präsident der Migros Aare, obwohl der Manager schon länger in der Kritik steht, weil er mit der Migros Zürich eine ambitionierte Auslandsexpansion anstrebte.

Deren Resultate sind ernüchternd. Gemäss Berechnungen der NZZ setzte die Migros Zürich allein mit Fitnesscentern in Deutschland 150 Millionen Franken in den Sand. Eine Zahl, die Blunschi später bestritt, ohne eine andere zu nennen. Zur schlechten Bilanz hinzu kommt die Übernahme des deutschen Supermarktes Tegut im Jahr 2012, der bis heute rote Zahlen schreibt.

Blunschis Nachfolger als Chef der Migros Zürich heisst Patrik Pörtig. Er wechselte 2020 von Dosenbach zur Migros – als Chef der Fachmarkt AG, welche SportX, Melectronics usw. zurück in die Spur bringen sollte. Gelungen ist ihm das offensichtlich nicht. Nun fasst er wiederum einen Sanierungsjob: Die Migros Zürich mit ihren 6700 Angestellten schrieb 2023 einen Verlust von 40 Millionen Franken.

Aber nicht nur die Regionalgenossenschaften setzen auf ehemalige Kader der gescheiterten Fachmarkt AG. Auch die Migros-Zentrale in Zürich hat zwei Schlüsselpositionen mit Fachmarkt-AG-Gründern besetzt. Peter Diethelm, zuvor Chef der Migros Ostschweiz sowie Fachmarkt-AG-Verwaltungsrat, leitet seit Anfang Jahr die sogenannte Supermarkt AG.

Sie soll, nach dem Vorbild der Fachmarkt AG, für das schwächelnde Supermarktgeschäft zentrale Dienstleistungen übernehmen und dieses damit effizienter machen. Als Erstes wurden in der neu geschaffenen Einheit 150 Vollzeitstellen gestrichen, wie vor einem Monat bekannt wurde.

Matthias Wunderlin wiederum ist seit Anfang Jahr Chef der Migros-Industrie, welche die Supermärkte mit Eigenmarken beliefert. Sie hat am Dienstag mitgeteilt, rund 300 Vollzeitstellen abzubauen. Wunderlin kennt die Fachmärkte bestens. Die Möbelkette Micasa sowie den Heimwerkermarkt Do it + Garden leitete er einst als Chef. Er gilt als Architekt der Fachmarkt AG und war von Anfang an in ihrem Verwaltungsrat.

Topjobs für treue Manager trotz bescheidenem Leistungsausweis, ist das das Migros-Prinzip? Die Genossenschaft widerspricht: «Es geht hier nicht um ein Schwarzpeterspiel, sondern um Marktbedingungen, die sich teils drastisch verändert haben.» Der stationäre Handel mit Produkten wie Heimelektronik, Mode oder Möbeln stehe extrem unter Druck.

Weiter schreibt die Migros: «Geschäftsleitung und Verwaltung der Migros Fachmarkt AG haben ihre Verantwortung wahrgenommen, indem sie die Sparten nicht nur geführt, sondern strategisch auf ihre Zukunftsfähigkeit geprüft und die notwendigen Massnahmen zur Entscheidung gebracht haben.»

Externe haben es schwer

Ferner hält die Migros fest, dass Führungspositionen sorgfältig besetzt würden. Es seien immer interne und externe Kandidaten zugelassen.

Fakt ist aber auch, dass im weitverzweigten Konzern viele Migros-Manager lange Karrieren hinlegen. Da sich die Migros die Schweiz in zehn Regionalgenossenschaften mit eigenen Direktoren und Vizedirektoren aufteilt, hat sie einen hohen Bedarf an Kaderleuten.

Selten wird Personen von aussen zugetraut, ganz oben einzusteigen. Wenn, dann nur wenn sie über spezielle Fähigkeiten verfügen. Etwa in der IT, den Finanzen oder der Kommunikation. Schlüsselpositionen gehen fast immer an Interne mit der Begründung, dass sie die Migros halt schon kennten.

Dazu muss man wissen, dass die Genossenschaft über eine aussergewöhnliche Organisationsform verfügt. Die zehn regionalen Genossenschaften sind Eigentümer der Zentrale in Zürich. Wer etwas bewegen will, muss viele andere überzeugen können. Das funktioniert über Kontakte und Seilschaften. Als Migros-Manager ist man immer auch Politiker.

Anschauliches Beispiel ist die Wahl von Ursula Nold zur Präsidentin der Migros im Jahr 2019. Ihre Kontrahentin war damals Jeannine Pilloud, schweizweit bekannte SBB-Managerin mit deutlich mehr Führungserfahrung. Aber ohne Migros-Stallgeruch. Gewählt wurde Nold, die sich schon seit Jahren in der Migros engagiert hatte.

Auch Mario Irminger, Chef des zentralen Migros-Genossenschafts-Bunds (MGB), kennt das Unternehmen schon lange. Bevor er vergangenes Jahr die Führung des Konzerns übernahm, hatte er über ein Jahrzehnt den hauseigenen Discounter Denner geleitet.

Die Migros hält fest, dass sie selbstverständlich interne Talente fördere. Aber es würden auch Outsider ganz oben einsteigen. Zum Beispiel jüngst der neue Denner-Chef Torsten Friedrich, der von Lidl kam.

Dass es für Unternehmen wichtig ist, immer wieder Führungskräfte mit einer Aussenperspektive hineinzubringen, betont der HR-Experte Matthias Mölleney. Diese hätten ein besseres Auge für Potenziale. «Externe Führungskräfte haben den Vorteil, dass sie wissen, was möglich sein sollte.»

Interne hingegen orientieren sich an Sachzwängen. Als es um die Rettung ihrer Fachmärkte ging, kamen die Migros-Kader jedenfalls allesamt zu dem Schluss: unmöglich.

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