Erdrutsch, Gewitter, Hagel und Hochwasser im Juni: Ist das normal?
Die Schweiz wird von Unwettern heimgesucht, noch bevor der Sommer richtig angefangen hat. Ist das noch normal? Und hört es denn nie auf? Meteo Schweiz gibt Antworten.
«So etwas habe ich noch nie gesehen.» «Das gab es die letzten 20 Jahre nie mehr!» «Heftige Gewitter erwartet. Bund ruft Warnstufe 4 aus.» «Schnellstrasse überflutet.» «Festival wegen Unwetterschäden abgesagt.» Die Schlagzeilen der letzten Tage zeigen eindrücklich: Die Schweiz wird von einer Serie von Unwettern heimgesucht. Und das mitten in einem Sommer, in dem es gefühlt noch kaum Sommertage gegeben hat.
«Der Eindruck täuscht nicht», sagt Daniel Murer, Meteorologe und Spezialist für Wettervorhersagen bei Meteo Schweiz: «Die Schweiz wurde in den letzten zwei Monaten immer wieder von instabilen Luftmassen erreicht. Sie führten zu vielen Regentagen und zu einer merklich reduzierten Sonnenscheindauer.»
Auch kräftige Gewitter mit Hagel oder Überschwemmungen gehören laut Murer zum Wetter-Repertoire der Schweiz. «Sie sind in der Regel jedoch etwas sehr Lokales. Mal trifft es eine Gemeinde, mal eine andere. Daher kommt wohl auch der Eindruck der Menschen, die das erleben, dass so etwas schon sehr lange nicht mehr vorgekommen ist.»
Die Unwetter im Wallis und im Misox von Ende letzter Woche gingen auf die gleiche Ursache zurück: «Am 21. Juni lag südlich der Alpen sehr warme Luft aus den Subtropen. Gleichzeitig näherte sich aus dem Westen eine Kaltfront mit Gewittern, die die Schweiz im Laufe des Abends überquerte», sagt Murer. Das Ergebnis: Niederschlagsmengen von 30 bis 50 Millimetern, in den am stärksten betroffenen Gebieten gar mehr. Zusammen mit der Schneeschmelze führte das zu riesigen Wassermassen.
Und auch wenn eine Prognose derzeit schwierig sei, macht Murer den Sonnenhungrigen wenig Hoffnung: «Man kann davon ausgehen, dass sich bis Mitte nächster Woche keine sommerliche Hochdrucklage einstellt. Es bleibt veränderlich mit Schauern, aber auch trockeneren Phasen mit Sonne bei 18 bis 22 Grad.» Einen Lichtblick gebe es erst gegen Ende nächster Woche, auf Freitag zeigten die Modelle wärmeres und stabileres Wetter. «Das ist aber noch sehr unsicher.»
«Viele Menschen haben genug von der Nässe und wünschen sich einfach nur einen sonnigen Sommer. Wir stellen uns dann anhaltende Hochdrucklagen vor, die warmes Badewetter bringen. Dabei vergessen wir aber oft, dass in viele Gebieten der Schweiz die Sommermonate im Durchschnitt den meisten Niederschlag des Jahres bringen», sagt Murer.
Was ebenfalls oft vergessen gehe: Wie unterschiedlich einzelne Jahre ausfallen können. «Aktuell jammern wir über den trüben und regnerischen Juni. Doch blicken wir nur ein Jahr zurück: Der Juni 2023 war nördlich der Alpen einer der sonnigsten seit Messbeginn. Basel, Luzern oder auch Zürich registrierten deutliche Junirekorde bei der Sonnenscheindauer.» Das Wetter spielt also hin und wieder tatsächlich einfach verrückt.
Was es für anhaltend schönes Wetter und warme Temperaturen jetzt bräuchte: «Ein kräftiges Hoch über Mitteleuropa.» Je nach Lage dieses Hochdruckgebiets brächte es uns anhaltend sommerliches Wetter bei Temperaturen zwischen 18 und 33 Grad. Je heisser es wird, desto höher allerdings auch wieder die Gewitterwahrscheinlichkeit.
Fazit: Ein verregneter Juni und viele Gewitter im Sommer sind grundsätzlich nichts Unübliches. In Zukunft werden die Schweizer Sommer tendenziell wohl trockener. Wenn es dann aber regnet, dann aber heftig. Überschwemmungen und andere Unwetterereignisse im Sommer werden also in Zukunft eher noch häufiger werden.