Repression in Nicaragua: Daniel Ortega macht selbst vor seinem Bruder nicht halt
Als das Verhältnis ;zwischen den Brüdern noch intakt war: Daniel Ortega (Mitte links) und Humberto Ortega (Mitte rechts) anlässlich einer Militärparade 1982 in den frühen Jahren der sandinistischen Revolution. Robert Nickelsberg / Archive Photos / Getty
Der nicaraguanische Diktator Daniel Ortega und seine Frau Rosario Murillo, die als Vizepräsidentin fungiert, haben in den letzten Jahren bewiesen, dass sie vor nichts zurückschrecken, um jegliche Bedrohung für ihre autoritäre Herrschaft zu beseitigen. Brutale Repression gegen die Zivilgesellschaft, die katholische Kirche und selbst gegen ihre früheren Kampfgenossen waren in den letzten Jahren an der Tagesordnung. Nun hat sich Daniel Ortega sogar gegen seinen eigenen Bruder Humberto gewandt, seinen engsten Verbündeten zur Zeit des revolutionären Kampfes und langjährigen früheren Armeechef und Verteidigungsminister.
Bestrafung für Aussagen in einem Interview
Wenige Stunden nachdem Mitte Mai auf der argentinischen Nachrichtenplattform «Infobae» ein regierungskritisches Interview mit Humberto Ortega publiziert worden war, wurde dessen Haus von der nationalen Polizei gestürmt, und der General wurde in den Hausarrest versetzt. Die Polizei, welche von einem Schwager des Präsidenten kommandiert wird, beschlagnahmte die Mobiltelefone und Computer des Generals. In dem Interview hatte der 77-Jährige es gewagt, zu sagen, dass die Herrschaft seines Bruders «diktatorisch» sei. Zudem erklärte er, dass es keinen Nachfolger gebe, der das Vakuum füllen könne, wenn sein 78-jähriger Bruder plötzlich sterben sollte. In diesem Fall müsse die Armee in Abstimmung mit der Nationalpolizei eingreifen und dafür sorgen, dass kurzfristig Wahlen eingeleitet werden können.
Diese Aussage machte das Präsidentenpaar offensichtlich wütend. Der gesundheitlich angeschlagene Daniel Ortega arbeitet nämlich darauf hin, dass seine Gattin oder sein Sohn Laureano Ortega die Amtsgeschäfte übernehmen, sollte dies nötig werden.
Die Ärzte kontrollieren nur den Blutdruck
Auch Daniel Ortegas Bruder Humberto hat eine lange Krankheitsgeschichte. Im Jahr 2000 musste er sich einer Operation am offenen Herzen unterziehen. Vor einigen Monaten war erneut ein chirurgischer Eingriff nötig. Zusätzlich leidet er an Kreislaufbeschwerden, die zu wunden Stellen an seinen Beinen geführt haben.
Die Familie des Generals hat sich seit Beginn seines Hausarrests wiederholt darüber beklagt, dass er nicht die notwendige fachärztliche Versorgung erhält, die sein schlechter Gesundheitszustand erfordert. Stattdessen werde er nur von Ärzten des Gesundheitsministeriums betreut, die sich auf die Messung seines Blutdrucks beschränkten. Am 11. Juni musste der General schliesslich aufgrund eines Verdachts auf Herzinfarkt ins Krankenhaus eingeliefert werden.
Gründer der revolutionären Armee Nicaraguas
Humberto Ortega war neben seinem Bruder Daniel die führende Figur bei der Revolution der Sandinisten in Nicaragua. Er war einer der Kommandanten der Guerillaorganisation Frente Sandinista de Liberación Nacional (FSLN), welche 1979 den nicaraguanischen Diktator Anastasio Somoza stürzte. Humberto Ortega baute nach dem Umsturz aus der Guerillatruppe eine neue Armee auf und wurde Armeechef und Verteidigungsminister. Beide Posten behielt er bis 1995, als er von diesen Ämtern zurücktrat.
Danach zog er sich weitgehend aus der Politik zurück. Er reflektierte als Autor in mehreren Büchern über die Geschichte und Politik Nicaraguas und äusserte sich gelegentlich auch gemässigt kritisch über die Regierung seines Bruders. Dieser war 2007 – nach seiner Abwahl von 1990 – wieder zum Präsidenten gewählt worden. Sein autoritärer Herrschaftsstil hat sich seither immer mehr demjenigen des von ihm gestürzten Diktators Anastasio Somoza angeglichen. Dies besonders nachdem er 2018 monatelang anhaltende Massenproteste gegen seine autoritäre Regierung brutal unterdrückt hatte, wobei mehr als 500 Personen getötet wurden.