Vier Meter Geröll begraben Häuser: Wie entsteht so eine Lawine?
Bis zu vier Meter hoch soll die Gerölllawine sein, die in Lostallo GR Häuser weggefegt und mindestens ein Todesopfer gefordert hat. Geologe Adrian Pfiffner erklärt, wie solche Gewalt entsteht.
Die Luftaufnahmen zeigen ein Bild der Zerstörung: Eine Gerölllawine hat in Lostallo GR nach heftigen Unwettern eine Schneise ins Dorf gefressen. Häuser wurden teils stark beschädigt oder gleich ganz von der Masse mitgerissen. Geologe Adrian Pfiffner erläutert, wie es dazu kommen konnte.
Wie entsteht so eine mächtige Gerölllawine?
Adrian Pfiffner erklärt: «Die Topografie und Geologie im betroffenen Gebiet sind dafür geradezu ideal: Im Steilhang oberhalb des betroffenen Gebietes hat es viel loses Geröll, sogenannten Hangschutt, und Moränenablagerungen. Dazu kommt, dass der Bach ein grosses Einzugsgebiet hat oben auf Saion. Da kommt also viel Niederschlag zusammen, der auf loses Material trifft. Dann setzt sich das Ganze als Gerölllawine in Bewegung, die alle mitreisst.»
Haben die Schutzmechanismen versagt?
Gemäss den Einsatzkräften vor Ort haben die Schutzvorrichtung durchaus gewirkt: Bilder aus der Luft zeigen, dass das mehrere Meter tiefe Auffangbecken aufgefüllt worden ist. Es war schlicht zu klein für die schiere Menge an Material, die den Hang heruntergekommen ist. Gleiches gilt für den Schutzwall: Er hat einiges an Material aufgehalten. «Insgesamt war aufgrund des extremen Niederschlags die Wucht und die Masse der Geröllawine wohl einfach zu gross», sagt Pfiffner.
War so ein Ereignis absehbar?
Laut Pfiffner ist es nicht das erste Mal, dass in dieser Region eine solcher Gerölllawine niedergegangen ist. Auch die Einsatzkräfte vor Ort bestätigten, dass erst vor wenigen Jahren ein kleineres Ereignis stattgefunden hatte. «Schaut man noch weiter zurück, sieht man: Ganz Lostallo ist auf Untergrund gebaut, den vor einigen Tausend Jahren ein grosser Hangrutsch auf der anderen Seite des Tals runtergebracht hat. Das Gebiet ist also durchaus in einer Gefahrenzone.»
Einige Kilometer weiter nördlich ist auch die Autobahn weggespült werden. Hängen die Ereignisse zusammen?
Das Bild ist laut Pfiffner ein ähnliches: «Dort hat es ebenfalls einen Seitenbach, der ein grosses Einzugsgebiet hat und sich bereits tief in den Untergrund eingegraben hat. Es findet also viel Erosion statt. Durch den extremen Starkregen ist sehr viel Wasser direkt auf die Autobahn getroffen. In solch einer Masse hat Wasser eine unglaubliche Kraft, die Autobahn wurde einfach fortgespült.» Sprich: Die Autobahn wurde nicht von der Gerölllawine einige Kilometer südlich erfasst, der Grund für die Ereignisse war aber derselbe: der Starkregen.
Wird es künftig mehr solcher Ereignisse geben?
Laut Pfiffner und diversen weiteren Experten begünstigt der Klimawandel solche Extremwetterereignisse. «Wir werden uns künftig deshalb noch besser überlegen müssen, wo wir was bauen. Dazu werden aufwändige Gefahrenkarten erarbeitet. Es ist aber auch klar: Dadurch, dass der Platz in der Schweiz begrenzt ist, hat man angefangen, auch an Orten zu bauen, an denen das Risiko von derartigen Ereignissen grösser ist.»