«Länder nehmen ihre Leute nicht zurück? Kann doch nicht sein!»
Der Berliner Rechtsanwalt Erol Özkaraca fordert eine Reform der Asylpolitik. Er spricht sich für schnellere Entscheidungen und eine klare Trennung von Asyl- und Einwanderungspolitik aus.
Viele Menschen fühlen sich in ihrem Land nicht mehr sicher und geben dafür einer fehlgeleiteten Asylpolitik die Schuld. Verstehen Sie das?
Erol Özkaraca*: Ja. Und dass die Asylpolitik schuld daran ist, stimmt teils auch. Aber auch in der inneren Sicherheit und im Justizwesen wurden Fehler gemacht. Justizverfahren dauern viel zu lange, der Krankheitsstand bei der Berliner Polizei beträgt 40 Prozent, darunter leidet die Belegschaft. Das Justizsystem ist ähnlich wie das Asylsystem nicht mehr in der Lage, repressiv vorzugehen.
Ist Repression denn die Aufgabe des Asylsystems?
Die Kernaufgabe des Asylsystems ist es, zu entscheiden, wer schutzbedürftig ist und wer nicht. Und das muss deutlich schneller passieren. Innerhalb von drei Monaten muss ein Grundsatzentscheid gefällt werden. Wird dieser gerichtlich angefochten, darf es erneut maximal drei Monate dauern, bis ein Entscheid gefällt worden ist. Sechs Monate nachdem die Menschen einen Asylantrag gestellt haben, muss klar sein, ob sie verfolgt werden und bleiben dürfen, oder nicht. Und die Asyl- muss strikt von der Einwanderungspolitik getrennt werden.
Wie meinen Sie das?
Einwandern sollen die Menschen, die wir brauchen und die hier arbeiten. Asyl erhalten sollen die Menschen, die schutzbedürftig sind. Dafür braucht es deutlich mehr Personal und Ressourcen. Was nicht passieren darf ist, dass Menschen aus wirtschaftlichen Gründen hierherkommen unter dem Deckmantel der Asylpolitik. Indem hier – und das verstehen viele linke Politiker nicht – nicht schneller entschieden und ausgeschafft wird, höhlen wir den Kern der Asylpolitik aus und verspielen das Vertrauen der Bürger.
Das mit den Ausschaffungen klappt ja nicht, weil die Herkunftsländer ihre Bürger nicht zurücknehmen.
Und hier kommt die Aussenpolitik ins Spiel: Es kann doch nicht sein, dass gewisse Länder ihre Menschen nach Deutschland ziehen lassen und wenn wir entscheiden, dass sie nicht schutzbedürftig sind, nehmen die Länder sie nicht zurück. Auf Länder, die eine solche Politik betreiben, muss Deutschland Druck ausüben.
«Länder nehmen ihre Leute nicht zurück? Kann doch nicht sein!»
Wie?
Über die Wirtschaft beispielsweise. Über die Entwicklungshilfe. Ein Land, das sich derartig feindselig benimmt gegenüber Deutschland, sollte doch keinerlei Unterstützung oder Entwicklungshilfe erhalten von uns. Es braucht Abkommen mit diesen Ländern. Und die können durchaus an Belohnungen geknüpft sein.
Zum Beispiel?
Entwicklungshilfegelder. Wer bereit ist, die in Deutschland abgewiesenen Asylsuchenden zurückzunehmen, soll hier bevorzugt werden.
Angenommen, das würde funktionieren. Würden weniger Menschen nach Deutschland wollen?
Klar. Wenn jeder überall auf der Welt weiss, dass er innerhalb von sechs Monaten wieder zurück im Heimatland ist, wenn er in Deutschland Asyl beantragt, ohne verfolgt oder an Leib und Leben bedroht zu werden, werden sich viele nicht mehr auf den Weg machen.
Was ist mit denen, die schon hier sind?
Auch hier gibt es Problemgruppen. Die Brennpunkte in Deutschland sind bekannt, wir haben teils rechtsfreie Räume, offensichtlich integrationsunwillige Gruppierungen aus muslimischen Ländern fordern offen das Kalifat, es gibt Parallelgesellschaften. Unser Rechtsstaat verliert die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen der Bürger. Das Verteidigen unserer Grundwerte muss die zentrale Aufgabe jedes Demokraten sein. Und hier kommt ein dritter zentraler Pfeiler der Asylpolitik ins Spiel.
Welcher?
Die Möglichkeit zum Widerruf von Asyl. Ein Islamist, der hier politisches Asyl erhält, gleichzeitig aber an der Abschaffung unserer Werteordnung arbeitet, dem soll das Aufenthaltsrecht wieder entzogen werden können. Diese politische Debatte müssen wir lostreten.
À propos politische Debatte: In der derzeitigen politischen Lage dürften Ihre Ideen auf wenig Gegenliebe stossen.
Da gebe ich Ihnen recht. Ich werde regelmässig als Nazi beschimpft. Das entbehrt ja nicht einer gewissen Komik, wenn «biologische Deutsche» mir als türkischstämmigem Deutschen die Nazikeule um die Ohren hauen.
Glauben Sie denn, dass sich bald etwas ändern wird?
Ich habe wenig Hoffnung. So wie derzeit Asylpolitik betrieben wird, spielt man nur Rechts- und Linkspopulisten in die Hände. Es bräuchte in der Politik Menschen, die fähig sind, diese Zusammenhänge zu verstehen und entsprechende Lösungen umzusetzen und Ergebnisse zu erzielen. Derzeit sehe ich dafür allerdings ziemlich schwarz. Am ehesten traue ich das noch gewissen Menschen aus der CDU zu. SPD und Grüne verstehen oft nicht einmal, dass Asylpolitik kein Instrument der Einwanderungspolitik sein darf.
Worauf steuern wir zu, wenn nichts passiert?
Ich mag keine Untergangsszenarien zeichnen. Doch die erwähnten negativen Tendenzen in den Brennpunktgebieten werden sich verstärken. Wer dorthin geht, kann sich jetzt schon live ankucken, was uns droht, wenn wir dem keinen Einhalt gebieten.
*Erol Özkaraca ist Rechtsanwalt in Berlin. Er war von 2011 bis 2016 Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin. Er war über zwei Jahrzehnte Mitglied der SPD und galt innerhalb der Partei als vehementer Kritiker des politischen Islams.