Dieser Inder wurde sterbend liegen gelassen – jetzt diskutiert Italien über Erntehelfer
Dieser Inder wurde sterbend liegen gelassen – jetzt diskutiert Italien über Erntehelfer
Diese Geschichte dreht sich um einen Erntehelfer, der nach einem Arbeitsunfall im Sterben lag, während sein abgetrennter Arm in einer Kiste neben ihm steckte. Und um einen Landwirt, der nichts dagegen getan hat.
In Italien, wo das ganze passierte, sorgt der Tod von Satnam Singh für grosse Empörung und stösst eine Debatte über den Umgang mit Erntehelfern an.
Was ist passiert?
Der 31-jährige Satnam Singh lebt seit 2021 zusammen mit seiner Frau in Italien, wo er als Erntehelfer arbeitet –auf einem Feld nahe der Gemeinde Borgo Santa Maria, etwa 60 Kilometer südlich von Rom. Medienberichten bekommen Erntehelfer dort um die vier Euro die Stunde.
Eine Arbeitserlaubnis haben der Inder und seine Gattin nicht. Ob sie eine Aufenthaltsgenehmigung besitzen, ist bisher nicht ganz klar.
Klar ist aber, dass Singh bei seiner Arbeit ums Leben kommt. Denn er gerät in eine Maschine, mit der die Felder grossflächig mit Plastik überzogen werden. Die Maschine trennt Singh den rechten Arm ab und zerquetscht seine Beine. Seine Frau muss alles aus nächster Nähe mitansehen.
Anderthalb Tage nach dem Unfall erliegt Singh seinen Verletzungen.
Was wird dem Landwirt vorgeworfen?
Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den mutmasslich Verantwortlichen des landwirtschaftlichen Betriebs, einen 37 Jahre alten Italiener. Es geht um fahrlässiger Tötung, unterlassener Hilfeleistung und Verstössen gegen Sicherheitsbestimmungen.
Denn anstatt den Schwerverletzten ins Spital zu bringen, verfrachtet der Landwirt Singh auf einen Lieferwagen und fährt ihn zu seiner Behausung. Dort lässt er ihn liegen, wie Ermittlungen ergaben.
Seine Frau gab bei der Polizei zu Protokoll:
«Ich habe den Besitzer angefleht, uns zu helfen, ich habe ihn auf Knien angefleht. Aber er hat uns vor dem Haus abgesetzt und ist weggelaufen.»
Erst Nachbarn hätten dann geholfen und den Notruf alarmiert. Sie sind es auch, die den abgetrennten Arm in einer Obstkiste neben Singh entdecken. Singh wird mit dem Helikopter in ein Spital nach Rom geflogen, wo er infolge seiner Verletzungen stirbt. Zwischen dem Unfall und der Ersten Hilfe seien anderthalb Stunden verstrichen.
Der Landwirt streitet nicht ab, was passiert ist.
Er erklärt sein Verhalten damit, dass er in Panik geraten sei. Zudem rechtfertigte er sich nach Informationen der Tageszeitung «La Repubblica» damit, dass der Erntehelfer die Plastikplanen-Maschine ohne Erlaubnis benutzt habe.
Was hat der Tod von Singh für Folgen für die Erntehelfer in Italien?
Der Tod des Erntehelfers löste eine Debatte über den Umgang mit ausländischen Erntehelfern aus. Viele Zeitungen berichteten gross über den Fall. Arbeitsministerin Marina Calderone bezeichnete das Geschehen als «Akt der Barbarei». Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida, ein Schwager der rechten Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, sagte:
«Wir sind mit einer Tragödie konfrontiert, die uns nicht gleichgültig lassen kann und vollständig aufgeklärt werden muss.»
Zudem soll Schwarzarbeit auf den Feldern strenger kontrolliert und härter bestraft werden. Als Zeichen der Trauer verfügte die Regionalverwaltung, dass vor Rathäusern und anderen staatlichen Gebäuden die Flaggen auf halbmast gesetzt werden. Auch die Kosten der Beerdigung will der Staat übernehmen. Am Donnerstag lagen die Temperaturen im Süden von Rom bei annähernd 40 Grad. Die Arbeit auf den Feldern ging weiter.
Nach Schätzungen sind in der italienischen Landwirtschaft etwa 230'000 Menschen illegal beschäftigt – auch viele Migranten aus Ländern wie Indien oder Pakistan, die zu Billigstlöhnen arbeiten. Die Gewerkschaften sprechen von systematischer Ausbeutung.
Der Generalsekretär der Gewerkschaft Flai in der Region, Hardeep Kaur, sagte:
«Es ist leider kein Horrorfilm. Es ist alles wahr.»
Andere Gewerkschafter bezeichneten den Umgang mit ausländischen Erntehelfern in Italien als moderne Form der Sklaverei. Nach einem früheren Bericht sind vor allem im Süden auch Flüchtlingskinder auf den Feldern beschäftigt. (yam/sda/dpa)
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