Yorick Goldewijks Zeitreise-Roman: Paradoxe Melodie der Liebe

yorick goldewijks zeitreise-roman: paradoxe melodie der liebe

Yorick Goldewijks Zeitreise-Roman: Paradoxe Melodie der Liebe

Allmählich wird die erste Generation erwachsen, deren Kindheit in Fotos und Handyvideos quasi komplett dokumentiert wurde, alles wieder und wieder durchlebbar nicht mehr nur in der Erinnerung – einem Film, der nirgendwo läuft –, sondern auf Knopfdruck. Wir haben unsterbliche digitale Abbilder unserer selbst erschaffen. Ob das auf Dauer gesund ist, wird sich zeigen; in jedem Fall ist es faszinierend. Man kann diese Thematik kaum intelligenter und unterhaltsamer aufgreifen als es nun der niederländische Autor und Musiker Yorick Goldewijk mit seiner kühnen Verschaltung von Hermann Hesses magischem Theater der Selbsterkenntnis mit der schwungvollen Handlung der Filmtrilogie „Zurück in die Zukunft“ tut. Und das mit perfektem Gespür für lebensechte, kantige Figuren und die richtige Balance aus Abenteuer, Identitätsdrama und jugendlicher Selbstermächtigung.

Die zwölfjährige Halbwaise Cato, die auf schwer fassbare Weise die bei ihrer Geburt gestorbene Mutter vermisst, zumal ihr vom emotional verkümmerten Vater und der bösartigen Haushälterin Cornelia kaum Liebe entgegengebracht wird, erhält das Angebot ihres Lebens: Eine mysteriöse Frau Kano hinterlässt eine Einladung für ein eigentlich längst geschlossenes Kino. Dort liefen „Filme, die nirgends laufen, aber die du schon immer sehen wolltest“. Es sind Zeitreisen an jede beliebige Stelle in der Erinnerung; lediglich einen mit dieser Vergangenheit verbundenen Gegenstand braucht es dazu. Cato, wie oft im Jugendbuch sehr viel selbständiger, als man es in ihrem Alter ist, lässt sich auf das Wagnis ein, wohnt als Gehilfin der immer nur kurz auftauchenden Frau Kano sogar bald ganz allein in dem leeren Kino. Verschiedene Kunden können dort, so viel Magie muss sein, für eine kurze Zeit durch die Leinwand in ihre Erinnerungen einsteigen. Die Protagonistin darf sie begleiten.

Natürlich aber ist dieser Eingang letztlich nur für Cato bestimmt, und man ahnt bald, wer die wohlwollende Türhüterin ist. Sie nimmt das Mädchen auf Fahrten in ihre eigene Vergangenheit mit, wo die Einzelgängerin sogar einen guten Freund findet, der sich ebenfalls für das Übersehene interessiert. So lässt Dickie eine Kamera mit Zeitschaltuhr ein Feld filmen, um herauszufinden, was schon idealistische Philosophen umtrieb: „Gab es das Feld dann überhaupt in dieser Zeit? Wenn es niemand gesehen und gehört hat?“ In der Gegenwart kreuzt eine weitere alte Frau immer wieder Catos Weg und macht ihr Mut: „man ist immer auf dem Weg, ob man nun will oder nicht“. Und doch wagt das Mädchen es lange nicht, die eine auf der Hand liegende Reise anzutreten: „Was, wenn ihre Mutter nicht nett war? Bis jetzt hatte Cato zumindest in ihrer Fantasie eine Mutter. Sie wollte nicht riskieren, dass sie die auch noch verlor.“

Was Zuneigung und Liebe im Kern ausmacht

Erzählerisch dominieren die sich oft überraschend entwickelnden, temporeich inszenierten Neben-, Seiten- und Unterhandlungen, sei es innerhalb der Vergangenheitsebene von Frau Kano, sei es im Hinblick auf den Machtkampf mit der verhassten Cornelia, die natürlich ein Geheimnis besitzt. Wie raffiniert Goldewijk all diese Stränge schließlich zusammenführt – mit einer schwachen Ausnahme: einem folgenlosen Schlenker in die Schulgegenwart Catos –, das macht den Witz und die Kunst dieses Buches aus.

Dass Zeitreisegeschichten immer in ein Logikproblem hineinlaufen, negiert die Erzählung nicht, im Gegenteil: Der Autor stürzt sich mit mitreißender Lust in diese Widersprüche, um aus ihnen eine Antwort zu formen auf emotionale Widersprüche wie den, dass Menschen aus zu großer Sehnsucht liebesunfähig werden. Nur ein Beispiel: Es gibt eine Sehnsuchtsklaviermelodie, die Cato und ihre Eltern verbindet. Das Mädchen spielt sie auf einer Vergangenheitsreise; auch das ein kleiner Verweis auf „Zurück in die Zukunft“. Der Clou besteht also darin, dass es diese „Melodie eigentlich gar nicht geben konnte. Sie hatte sie von ihrem Vater gelernt, aber ihr Vater hatte sie von ihr gelernt.“ Die Mutter wiederum kannte sie vom Vater. Diese paradoxe Melodienverschleifung ist aber hier nicht bloß ein Gag, sondern womöglich die beste Veranschaulichung dessen, was Zuneigung und Liebe im Kern ausmacht.

Wie es nur gute Literatur tut, funktioniert „Cato und die Dinge, die es nicht gibt“ auf der Handlungsebene – als magisches Abenteuer – ebenso gut wie als philosophisch-poetische Allegorie, die uns die Macht der Sehnsucht und die Kraft der Erinnerung vor Augen führt. Die experimentelle Gewagtheit dieser Geschichte – das, was Thomas Mann an Hesses „Steppenwolf“ so schätzte – verbindet sich mit einem filmreifen Finale samt einer George McFly würdigen Verwandlung. So viel Fluxkompensator war lange nicht mehr.

Yorick Goldewijk: „Cato und die Dinge, die niemand sieht“. Aus dem Niederländischen von Sonja Fiedler-Tresp. Dragonfly Verlag, Hamburg 2024. 238 S., geb., 15,– €. Ab 10 J.

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