Die Schlacht ums Poulet
Am zweiten Hauptstandort in Bazenheid im Kanton St. Gallen beschäftigt Micarna rund 800 Angestellte. Alexandra Wey / Keystone
Mit einem Tag der offenen Tür in Saint-Aubin versuchte die Migros-Tochter Micarna am vergangenen Samstag, die Gemüter im Kanton Freiburg zu beruhigen – mit Vorträgen, Musik, einem Kinderprogramm und Poulet vom Grill. In der 1900-Seelen-Gemeinde soll der womöglich grösste Geflügelschlachthof der Schweiz gebaut werden. Und dieses Projekt sorgt seit Monaten für böses Blut.
Anwohner befürchten Umweltverschmutzung, Wassermangel, Verkehrschaos, üble Gerüche, Krankheiten wie die Vogelgrippe. Doch ihre Sorgen würden nicht ernst genommen, niemand beantworte ihre offenen Fragen, sagt Alaric Kohler. Eigentlich arbeitet Kohler im Bildungsbereich. Aber als er von diesem Grossprojekt in seiner Gemeinde erfuhr, begann er sich zusammen mit anderen Anwohnern und dem neu gegründeten Verein EcoTransition zu wehren.
Bis vors Bundesgericht
Die Petition gegen den Schlachthof haben 3600 Personen unterschrieben, zudem reicht Kohler zwei Einsprachen ein, die noch hängig sind: eine gegen die lokale Ortsplanung bei der Direktion für Raumentwicklung, Infrastruktur, Mobilität und Umwelt, die andere gegen den Detailausstattungsplan beim Bundesgericht. «Dass der industrielle Schlachthof ausgerechnet auf einem Areal gebaut werden soll, welches der Kanton für nachhaltige Innovationen im Agrar- und Lebensmittelbereich reserviert hat, ist besonders störend», sagt Kohler.
Auch Greenpeace bekämpft das Vorhaben. Der Umweltorganisation geht es dabei um mehr als nur die lokalen Auswirkungen: «Migros hat versprochen, bis 2050 klimaneutral zu werden. Wir wollen aufzeigen, dass ihr Projekt des neuen Schlachthofs ihren Versprechen und Verpflichtungen entgegenläuft», sagt Florian Kasser, Koordinator der Konsumkampagne von Greenpeace Schweiz. Nur mit einer langfristigen Reduktion des Fleischabsatzes lasse sich der ökologische Fussabdruck verkleinern, denn er sei einer der grössten Emissionsverursacher ihrer Klimabilanz.
Die Migros-Tochter Micarna hingegen argumentiert, mit dem neuen Schlachthof solle der in die Jahre gekommene Schlachthof in Courtepin, weniger als 20 Kilometer von Saint-Aubin entfernt, ersetzt werden. Die 500 Arbeitsstellen sollen nach Saint-Aubin verlegt werden. Der Standort werde über ein eigenes Kraftwerk verfügen, für den Transport sollen Elektro-Lkw eingesetzt werden, die Dächer würden begrünt.
Keine Transparenz vom Kanton
Längst geht es aber nicht mehr nur um die Umweltsorgen. Der Fall wirft noch eine ganz andere Frage auf: Welche Interessen hat der Kanton Freiburg? Der Kanton hat im Oktober 2023 das 9,5 Hektaren grosse Stück Land der Migros-Tochter für den Preis von rund 21 Millionen Franken verkauft.
Um mehr über das Ausmass des geplanten Schlachthofs zu erfahren, hat Greenpeace, gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz, Einsicht in den Verkaufsvertrag der entsprechenden Parzelle gefordert. Doch der Kanton hält das Dokument unter Verschluss, wegen Geschäftsgeheimnissen.
Dies, obwohl die kantonale Öffentlichkeitsbeauftragte in ihrer Empfehlung verlauten liess, beim Verkaufsvertrag handle es sich um ein amtliches Dokument von öffentlichem Interesse; der Kanton solle deshalb Einsicht gewähren.
Greenpeace zog den Fall Ende Mai vors Kantonsgericht. Ursprünglich sei es nur darum gegangen, zu sehen, ob die Bedingungen, die der Grosse Rat im Dekret gesetzt hatte, entsprechend umgesetzt worden seien, sagt Kasser von Greenpeace. «Da der Kanton die Einsicht verhindert, fragen wir uns nun schon auch, ob in diesem ganzen Geschäft noch anderes dazugekommen ist – gewisse Gegenleistungen etwa.»
Obwohl die Einsprachen noch hängig sind, will der Kanton das Baugesuch am 5. Juli auflegen. Es dürfte Rekurse geben.