Barrie Kosky verdirbt Mozart in Wien

barrie kosky verdirbt mozart in wien

Mozarts „Così fan tutte“ an der Wiener Staatsoper: Christopher Maltman (Don Alfonso) Federica Lombardi (Fiordiligi) Emily D’Angelo (Dorabella)

Die Stücke könnten kaum unterschiedlicher sein: Ein zeitgenössisches Oratorium zur christlichen Passion vom Amerikaner John Adams beschloss geradezu besinnlich die Saison an der Wiener Volksoper, Wolfgang Amadé Mozarts „Così fan tutte“ die Spielzeit der Staatsoper. Ein Werk, als eine der gelungensten komischen Opern der Musikgeschichte gilt, wiewohl die jungen Menschen aus dieser „Schule der Liebenden“, so der Untertitel, ziemlich beschädigt hervorgehen. Wovon der Regisseur Barrie Kosky, der mit „Così“ seine Trilogie der Mozart/da Ponte-Opern in Wien vollendete, leider kaum etwas erahnen ließ.

Um der Figur des Don Alfonso, dem Drahtzieher des Verwechslungsspiels, machtvolles Gewicht zu verleihen, zeigt ihn Kosky als heutigen Regisseur an einem kleinen historischen Theater. Ein hohes, verwittert-barockes Bühnenportal dominiert das triste Szenario des Ausstatters Gianluca Falaschi. Denn Kosky will die „Così“ als experimentelles Spiel auf einer Theaterprobe zeigen und verheddert sich dabei in der komplexen Handlungsstruktur Lorenzo da Pontes.

Da wird geturnt, gehüpft, gehampelt, was das Zeug hält, doch dabei entgleitet der Kern des Stücks, die sexistische Intrige, mit denen die drei Männer die beiden Frauen in die Irre führen. Auch wenn diese bei Kosky teilweise um deren Perfidie wissen, wird nur in wenigen Szenen klar, wann sie Theater spielen und wann sie echte Emotionen empfinden. Die Grenzen zwischen Bühnengeschehen und Realität bleiben bei Kosky völlig unscharf. So landet seine gedankenlose Produktion in ärgerlich harmlosem Ulk.

Nicht minder problematisch ist die musikalische Wiedergabe. Philippe Jordan am Pult des Orchesters der Wiener Staatsoper gelingt das Paradox, sehr flott zu dirigieren und dennoch Langeweile zu verbreiten, denn zu glatt an der Oberfläche bewegt sich seine Deutung, in der nichts von den dialogartigen Tiefenstrukturen der Partitur zwischen Instrumenten und Sängern zu hören ist. Wie schon beim weit schlüssiger gelungenen „Figaro“ im Vorjahr ist zu allem Überfluss erneut einer der Hauptdarsteller erkrankt. Weil sich die Staatsoper offenbar keine Covers leisten möchte, erlebte man den achtbaren Tenor Bogdan Volkov als Stimmdouble des Bühnen-Ferrando aus dem Graben. Allerdings wären die Ensembleszenen auch ohne diese Beeinträchtigung wohl wenig besser gelungen, denn die Stimmen des jungen, für die Größe des Hauses ungeeigneten Ensembles wollten klangfarblich wenig zueinander passen. Einzig Christopher Maltman überzeugte sowohl stimmlich als auch darstellerisch als markanter Don Alfonso: ein verbitterter Zyniker mit geradezu brutalen Zügen.

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Das gesamte Ensemble in John Adams’ „The Gospel According to the Other Mary“ in der Wiener Volksoper.

Während die Wiener Staatsoper eine durchwachsene Saison mit einem Flop beendete, machte die kleinere Volksoper – in Koproduktion mit den Wiener Festwochen – erstmals in Österreich eine lohnende Begegnung mit John Adams’ Oratorium „The Gospel According To The Other Mary“ möglich. 2012 in Los Angeles zunächst konzertant uraufgeführt, folgte im Jahr darauf gleichfalls in der Walt Disney Concert Hall eine szenische Umsetzung durch Peter Sellars, der auch das Libretto des zweieinhalbstündigen Werks verfasste. Es ist gewissermaßen eine Fortschreibung von „El Niño“, der 2000 in Paris uraufgeführten Weihnachtslegende des Duos, diesmal anhand der biblischen Passionsgeschichte. Die „andere Maria“, von der im Neuen Testament berichtet wird, ist Maria von Bethanien, die Schwester des durch Jesus von den Toten auferweckten Lazarus.

Gemeinsam mit dessen Schwester Martha sind die drei die Hauptfiguren des Stücks, das durch Hinzufügung von Verweisen auf den amerikanischen Bürger- und Arbeitsrechtler César Chávez ähnlich ergänzt wird wie „El Niño“ durch die Schilderung des Milieus der Chicanas, der aus Mexiko stammenden Indios in Kalifornien. Dieser zeitgeschichtlich-sozialen Dimension entsprechend, dominiert im ersten Teil ein die gesamte Länge der Drehbühne einnehmender Holzbungalow Sarah Nixons Bühnenbild, das mittels Schiebetüren verschiedene Einblicke ins prekäre Leben der Familie gewährt. Auch die kluge Einbettung dreier Countertenöre, die die Rolle des erzählenden Evangelisten übernehmen (Christopher Ainslie, Edu Rojas und die Sopranistin Jaye Simmons), wurde bereits in „El Niño“ praktiziert.

Klanglich erweitert Adams den „Gospel“ beträchtlich: durch vielfältiges Perkussionsinstrumentarium mit Almglocken, Glockenspiel und Cymbalon, das ein delikates Oboensolo begleitet. Alle Bläser sind doppelt besetzt, vor allem das Blech sorgt für instrumentale Höhepunkte. Nicole Paiement am Pult des bestens vorbereiteten Volksopernorchesters arbeitet sehr genau die sich überlagernden, einander oft geradezu widersprechenden Texturen dieser reichen Partitur heraus. In den besten Momenten erzeugt die Musik eine fast unwirklich-jenseitige Atmosphäre, die sich wohltuend abhebt von den hektischen Zeitabläufen unseres Alltags.

Ein Wermutstropfen des Abends sind die Mikroports für die Solisten, Wallis Giunta als Mary, Jasmin White als Martha und Alok Kumar als Lazarus, die ohne den hallenden Sound vermutlich besser geklungen hätten. Das gilt erst recht für den Chor, der den gesamten ersten Akt aus dem Off singen musste. Wie kraftvoll das Ensemble agieren kann (Choreinstudierung: Roger Díaz-Cajamarca und Holger Kristen), zeigte sich dann im zweiten, auf offener Bühne spielenden Akt, in dem Regisseurin Lisenka Heijboer-Castañón auch einige symbolistische Figurinen auftreten lässt. Evidente Längen des zweiten Teils konnten aber auch damit nicht überspielt werden. Dennoch gelang der Volksoper ein beeindruckendes Plädoyer für innere Einkehr.

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