China-Besuch mit Folgen: Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck bringt Brüssel und Peking an einen Tisch
Der deutsche Vizekanzler und Minister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck, am Sonntag an der ;Zhejiang University. Habeck sparte nicht mit Kritik an Chinas Unterstützung für Russland im Krieg gegen die Ukraine. Sebastian Christoph Gollnow / DPA / Keystone
In jedem seiner Gespräche am Samstag in Peking brachte der deutsche Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck die immergleiche Botschaft an. «Die Tür für Verhandlungen steht offen», erklärte Habeck dem chinesischen Handelsminister Wang Wentao genauso wie dem Vorsitzenden der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC), Zheng Shanjie, und dem Industrieminister Jin Zhuanglong.
Am Samstagabend dann vereinbarten der EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis und Chinas Handelsminister Wang per Videoschaltung, über die von Brüssel erwogenen Strafzölle auf Elektroautos aus China zu verhandeln. Dies teilte anschliessend die chinesische Regierung mit. Zuvor hatte Habeck mit Dombrovskis telefoniert.
Die EU-Kommission hatte am 12. Juni angekündigt, ab 4. Juli provisorische Strafzölle von bis zu 38,1 Prozent auf Elektroautos aus China zu erheben. Zahlbar wäre die Abgabe ab November.
Subventionen von 230 Milliarden Dollar
Die EU-Kommission wirft der chinesischen Regierung vor, die gesamte Branche mit unzulässigen Subventionen zu fördern. Gemäss einer Untersuchung des China-Experten Scott Kennedy vom Center for Strategic and International Studies in Washington kamen die chinesischen Hersteller zwischen 2009 und 2023 in den Genuss von staatlichen Hilfen in Höhe von insgesamt 230 Milliarden Dollar. In den vergangenen Jahren schrumpften die Subventionen aber deutlich.
«ÃƒÅ“berkapazitäten sind nicht das Problem, Subventionen auch nicht», sagte Habeck in Schanghai. Würden Kapazitäten allerdings gezielt mit staatlich gewährten Hilfen aufgebaut, sei dies ein Problem. China hat mehr als hundert E-Auto-Produzenten. Lediglich BYD aus Shenzhen erwirtschaftet einen schmalen Gewinn, und auch das nur wegen des Batteriegeschäfts.
Brüssel und Peking haben nun noch bis zum 4. Juli Zeit, nach einem Kompromiss zu suchen. Vor allem Deutschland hatte sich wegen der grossen Abhängigkeit seiner Automobilindustrie von China von Anfang an gegen die Erhebung von Zöllen gestellt. «Ich will keine Zölle, denn ich glaube an offene Märkte», sagte auch Habeck an einer Medienorientierung in Schanghai.
Damit liegt Deutschlands Wirtschaftsminister ziemlich genau auf der Linie des SPD-Bundeskanzlers Olaf Scholz, aber weniger auf der Linie seiner Partei, der Grünen, was dort für Irritationen sorgen dürfte.
Eine Reduzierung der Subventionen wäre kaum zu überprüfen
Völlig unklar ist bis jetzt, an welchen Stellen China Entgegenkommen zeigen könnte. Verspräche die chinesische Regierung etwa, die Hilfen für die Branche weiter zurückzufahren, stellte sich immer noch die Frage, wie dies zu überprüfen wäre. Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln schlägt vor, Chinas Hersteller könnten in Europa Mindestpreise für ihre Fahrzeuge verlangen. «Das ist durchaus nicht unüblich bei solchen Verfahren», sagt Matthes.
Anders als Scholz bei seinem China-Besuch im April fand Habeck auch mit Blick auf Chinas Unterstützung für Russland bei dessen Krieg in der Ukraine auf offener Bühne deutliche Worte. Es sei wichtig, dass China verstehe, dass der Krieg in der Ukraine die Sicherheitsinteressen Deutschlands und Europas direkt berühre, erklärte der Minister dem NDRC-Chef Zheng und fügte hinzu: «Wir würden nicht so hart vorgehen bei der Analyse, wo wir Abhängigkeiten von Rohstoffen und technischen Gütern haben, wenn es diesen Krieg und die Unterstützung Chinas nicht gäbe.»
Chinas Unterstützung für Russland torpedieren
Deutschlands Vizekanzler machte in seinen Gesprächen deutlich, dass die deutsche Bundesregierung Export- und Investitionskontrollen auch deshalb anwende, um Chinas Unterstützung für Russland zu schwächen. Habeck sagte: «Wir können nicht zulassen, dass Produkte, die wir exportieren, den Krieg unterstützen.» Die chinesische Seite zeigte sich über die klare Ansprache irritiert.
Wenigstens teilweise zeigten die chinesischen Gesprächspartner aber auch Verständnis für die Belange der Deutschen. Jin Zhuanglong, der Minister für Industrie und Informationstechnologie, etwa versprach zumindest, Habecks Einlassungen zu prüfen.
Besonders besorgt ist die deutsche Bundesregierung über Lieferungen sogenannter Dual-Use-Güter an Russland. In jüngster Zeit sei der Handel zwischen China und Deutschland um 40 Prozent gewachsen, sagte Habeck. Die Hälfte des Zuwachses machten sogenannte Dual-Use-Güter aus, also Produkte oder Vorprodukte, die sowohl zivil als auch militärisch eingesetzt werden können. Dass diese über China nach Russland gelangen, will die Bundesregierung mit allen Mitteln verhindern.
Habeck fand bei seinen Auftritten in Peking und Schanghai durchweg klare Worte für Defizite und scheute sich nicht, Differenzen zu benennen. Das galt auch für das heikle Thema der Menschenrechte, vor allem, wenn es um Kinder- und Zwangsarbeit geht.
Einhaltung des Lieferkettengesetzes
Deutsche Unternehmen achten zunehmend auf die Einhaltung des europäischen Lieferkettengesetzes und stellen damit sicher, dass ihre Produkte frei von Kinder- und Zwangsarbeit sind. Die Firmen seien für das Thema zunehmend sensibilisiert, denn Verbraucher in Europa verschmähten mithilfe von Kinder- und Zwangsarbeit gefertigte Güter, sagte Habeck.
Besorgt zeigt sich die Bundesregierung auch über den beschleunigten Bau von Kohlekraftwerken in China. Zwar hat das Land beim Ausbau der erneuerbaren Energien in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte gemacht. Inzwischen wird mehr als die Hälfte des Stroms mithilfe von Solar-, Wind- und Wasserkraft erzeugt.
Gleichzeitig sind aber die Kohlendioxidemissionen zwischen 2020 und 2023 um 12 Prozent gestiegen, worüber sich Habeck, der auch Minister für Klimaschutz ist, besorgt zeigte. Peking betont dagegen, das Land benötige Kohlekraftwerke als Ausgleich für Zeiten, in denen die Sonne nicht scheine und der Wind nicht blase. «Energiesicherheit steht für uns im Vordergrund», sagte der NDRC-Vorsitzende Zheng gegenüber Habeck.
Es gibt allerdings Experten, die vermuten, China baue die Kohlekraft auch deshalb aus, um für mögliche Krisen gewappnet zu sein – dann nämlich, wenn das Land von Öl- und Gaslieferungen abgeschnitten werden könnte.