FDP-Burkart will inklusive Schulen abschaffen – jetzt hagelt es Kritik

fdp-burkart will inklusive schulen abschaffen – jetzt hagelt es kritik

Integrative Schulklassen: Wo Kinder zusammen mit Kindern sind, die eine Behinderung haben.

Die FDP möchte die integrative Schule abschaffen. Eine Forderung, die bei Personen mit Behinderungen und Organisationen für viel Unverständnis sorgt. Doch die Freisinnigen verteidigen sich.

Die FDP hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Lehrerberuf in der Schweiz attraktiver zu machen. Erreichen will die Partei das mit verschiedenen Forderungen. So soll etwa der Fremdsprachenunterricht erst später beginnen.

Eine Forderung in ihrem Positionspapier hat für besonders viel Aufmerksamkeit gesorgt: FDP-Präsident Thierry Burkart sagte kürzlich in einem Interview mit Tamedia, dass die «integrative Schule gescheitert» sei. Burkart ist fest davon überzeugt, dass lernschwache Kinder in integrativen Schulen benachteiligt würden. Aber auch leistungsstarke Schülerinnen und Schüler würden vernachlässigt.

FDP-Präsident Burkart will die integrative Schule abschaffen

Laut Burkart können viele Kinder trotz hohem Betreuungsaufwand die Bildungsziele nicht erreichen. In separaten Klassen könne besser auf den individuellen Lernbedarf eingegangen werden. Doch nicht alle teilen die Meinung der FDP, besonders Behindertenorganisationen stellen sich dagegen.

«Wenig reflektiert»

Hart ins Gericht mit der FDP geht Insieme Schweiz. Die Organisation vertritt Menschen mit geistiger Behinderung in der Politik. «Die Haltung des FDP-Präsidenten ist wenig reflektiert. Denn die inklusive Schule ist ein Menschenrecht», sagt Thomas Thentz, Themen- und Projektverantwortlicher bei Insieme Schweiz.

Die Aussage Burkarts, dass «die inklusive Schule gescheitert» sei, versteht man bei Insieme gar nicht. «Der Kanton Tessin hat seit 2010 flächendeckend inklusive Klassen in der Primarstufe eingeführt, ohne dass dies negative Auswirkungen auf das Schulsystem hatte. Bei den PISA-Tests schneiden die Tessiner Schülerinnen und Schüler im Durchschnitt sogar besser ab als ihre Mitschülerinnen und Mitschüler in der übrigen Schweiz», sagt Thentz. Von «gescheitert» könne man daher nicht sprechen.

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«Die Forschung widerlegt diesen Irrglauben»: Thomas Thentz.

Auch, dass Burkart finde, die «stärkeren Schüler bleiben auf der Strecke», sieht man bei Insieme anders. Thentz sagt: «Die Forschung widerlegt diesen Irrglauben. Die stärkeren Schüler machen die gleichen Fortschritte, unabhängig davon, ob sie Teil einer inklusiven Klasse sind oder nicht.»

Komplett ohne Verständnis zeigt man sich bei Insieme über die Aussage Burkarts, dass man auch «mit mehr Mitteln» die Ziele nicht erreicht hätte. Thentz erklärt: «Die Politik, einschliesslich der FDP, hat nicht die Mittel bereitgestellt, die es für ein Gelingen der inklusiven Schule benötigt. Die finanziellen Mittel für die inklusive Schule müssen dringend erhöht werden, um neue Stellen für Fachkräfte zu schaffen.»

«Wäre gerne in eine integrative Schule»

Gar nicht verstehen kann die Forderung der FDP der Zürcher SP-Nationalrat Islam Alijaj, der selbst früher als Sonderschüler eingestuft wurde. Der Politiker hat seit seiner Geburt eine Cerebralparese, sitzt darum im Rollstuhl und hat eine Sprachbehinderung, die jedoch nicht seine kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigt.

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Setzt sich für integrative Schulen ein: SP-Nationalrat Islam Alijaj.

Alijaj sagt zu watson: «Unsere Schulen sind doch kein Ort, an dem einfach individuelle Bildungsrenditen maximiert werden müssen. Sondern sie leisten auch einen wichtigen Beitrag für unser Zusammenleben in einer demokratischen Gesellschaft. Und deshalb finde ich: Im Grundsatz dürfen wir nicht schon die Kinder separieren und ihnen damit von Anfang an zeigen, dass wir eben nicht alle gleich sind. So kann Inklusion nicht gelingen.»

Der SP-Politiker hat selbst früher durch die separierte Beschulung gelitten: «Aus heutiger Sicht wäre ich nur zu gerne in eine integrative Schule gegangen, ganz zu schweigen von einem Studium, das mir auch verwehrt wurde.» Alijaj sieht bei seinen Kindern, wie unterschiedlich die Wahrnehmung von Menschen mit Behinderung ist, wenn man bereits früh damit in Kontakt gekommen ist. Er sagt:

«Für meine Kinder war ich lange einfach nur ihr Vater. Erst mit der Zeit lernten sie – durch die Gesellschaft – dass ich als ‹anders› wahrgenommen werde. Mein Sohn sagte seinen Freunden jeweils: «Also ich verstehe meinen Papi ohne Probleme!» Das zeigt doch, dass seine ganze Klasse noch ganz andere Erfahrungen machen könnte, mit Kindern wie ich eins war.»

FDP verteidigt sich

Trotz der Kritik hält die FDP an ihrer Forderung fest. «Die FDP war sich vor der Lancierung des Positionspapiers bewusst, dass unsere Forderungen Reaktionen auslösen würden», schreibt das Generalsekretariat der Partei auf Anfrage von watson. Die Mehrheit der Reaktionen sei jedoch sehr positiv ausgefallen. «Selbst von Lehrpersonen, die sich als eindeutig politisch links verortet haben, kamen unzählige Rückmeldungen mit der Aussage: Die FDP liegt hier richtig.»

Die Freisinnigen schreiben, dass die Forderungen auf «wissenschaftlicher Literatur zur inklusiven Schule» basiere. Man habe sich auch mit den Vorteilen der inklusiven Schule befasst, die jedoch nicht über alle Zweifel erhaben seien. «Ein Grossteil der Studien ist aus wissenschaftlicher Sicht wenig bis gar nichts wert.» Zum Argument, dass im Kanton Tessin trotz inklusiver Schule die Schülerinnen und Schüler beim PISA-Test besser abschneiden, als der Schweizer Schnitt, schreibt die FDP: «Was die Naturwissenschaften und Mathematik betrifft, liegt das Tessin nur leicht über dem Schweizer Schnitt. Grundsätzlich ist aber kein kantonaler Vergleich möglich, da in der Schweiz nur das Tessin als einziger Kanton separat erfasst wurde.»

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Integrative Schule: Für die FDP ein Problem.

Für die FDP sei trotz ihrer Forderung die «Integration von Schülern mit Behinderung ein grosses Anliegen». «Vorhandene Schwächen bei Schülerinnen und Schülern müssen künftig wieder vermehrt gezielt und individuell angegangen werden. Schüler mit Behinderung verdienen eine bedarfsgerechte Förderung. Es gilt: Nicht für jeden die gleiche, aber für jeden die richtige Schule», so die FDP. Laut der Partei würde die «künstliche und sehr teure Gleichmacherei» aber viele Schulen überlasten und den Regelunterricht behindern. Die heutige Handhabung würde sogar die «Chancengerechtigkeit untergraben».

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