«Wir haben Lösungen gefunden»: Die Ostverbände der AfD wollen Maximilian Krah wieder näher an die Partei rücken
Der Spitzenkandidat ;zur Europawahl, Maximilian Krah, sorgte innerhalb wie ausserhalb der AfD für Aufsehen und Ärger. Andreas Haas / Imago
Das Wochenende bescherte der AfD eine gute Nachricht: Die Messe der Stadt Essen gibt ihren Widerstand gegen den Bundesparteitag der Alternative für Deutschland auf. Dem Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen, wonach die stadteigene GmbH der AfD keine nachträglichen Auflagen machen darf, fügen sich die Essener.
Die Grugahalle wird also am 29. und 30. Juni rund 600 AfD-Delegierte beherbergen. Weniger klar sind die Folgen des sogenannten Ostspitzentreffens, das ebenfalls am Wochenende stattfand. Dort haben die Fraktionsvorsitzenden der ostdeutschen Landesverbände mit einer bemerkenswerten Idee versucht, den eskalierten Streit um Maximilian Krah und das Europäische Parlament zu entschärfen.
Applaus für Björn Höcke
Wenige Stunden nach dem Treffen betrat ein gutgelaunter Björn Höcke den Potsdamer Landtag, wo die brandenburgische Fraktion zu ihrem Sommerempfang geladen hatte. Der thüringische Partei- und Landesvorsitzende wurde mit Sprechchören, Applaus und zahlreichen in die Höhe gereckten Smartphones begrüsst.
In seiner kurzen Rede kritisierte Höcke den Ausschluss des Spitzenkandidaten Maximilian Krah aus der AfD-Delegation im Europäischen Parlament. Hierfür votierten die fünfzehn Parlamentarier mehrheitlich, nachdem Krah ins Zentrum zahlreicher Vorwürfe und Verdächtigungen gerückt war. Auch seine offensiv ausgelebte Exzentrik wurde dem Juristen zum Verhängnis. «Wir hätten», sagte hingegen nun Höcke, «die Reihen noch weiter schliessen müssen.»
Ähnlich formulierte es der sächsische Landesvorsitzende Jörg Urban: Dass man eingeknickt sei «vor den Medien und den Altparteien», sei ein Fehler gewesen. Der in Potsdam trotzig zelebrierte Schulterschluss kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass bisher jeder Burgfrieden in der AfD brüchig war und die Bereitschaft zur innerparteilichen Ranküne nicht überschätzt werden kann.
Vor dem «Ostspitzentreffen» hatte Höcke selbst Öl ins Feuer gegossen und in einer Stellungnahme erklärt: «Besonders enttäuschend» sei es, dass Krah schweige, wenn seine, Krahs, Unterstützer in den sozialen Netzwerken von einem Verrat am gewählten Spitzenkandidaten Krah sprächen. Die «Kampagne gegen René Aust», der nach Krahs Ausschluss an die Spitze der AfD-Delegation rückte, sei «umgehend» einzustellen. Das war ein Tritt ans Schienbein der Krah-Claqueure und widersprach Höckes eigener Potsdamer Mahnung, Ruhe sei die erste AfD-Pflicht.
Das Kalkül trog
Was aber ist von Höckes kryptischem Satz beim Brandenburger Sommerempfang zu halten, «Wir haben Lösungen gefunden»? Die Fraktionsvorsitzenden aus Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Thüringen und Brandenburg wollen den gordischen Knoten durchtrennen, den die AfD selbst geschnürt hat. Krahs Ausschluss sollte die Chancen erhöhen, dass die AfD wieder in die rechte Fraktion Identität und Demokratie (ID) um das französische Rassemblement national aufgenommen wird.
Das Kalkül trog. Das Rassemblement hält die AfD weiterhin auf Abstand. Krah sieht sein, wie er selbst es drastisch ausdrückt, «Menschenopfer» umsonst dargebracht. Vor diesem Hintergrund versprach Höcke in Potsdam: «Wir als Spitzen des Ostens sind sicher, dass wir in den nächsten Tagen einen Kompromiss finden werden, mit dem wir die Lage schnell beruhigen werden.»
Die Konturen dieses Kompr0misses zeichnen sich bereits ab. Die Fraktionsvorsitzenden und mit ihnen die vier ostdeutschen Landesverbände wollen darauf hinwirken, dass Krah aus der AfD-Delegation zwar ausgeschlossen bleibt, einer künftigen rechten Fraktion im Europäischen Parlament aber angehören darf.
Damit würde Krahs Abneigung gegen die ID-Fraktion zur neuen Verhandlungsmaxime der AfD. Die Alternative für Deutschland würde nicht länger an der zugeschlagenen Tür klopfen, hinter der die italienische Lega, die österreichische FPÖ und eben das Rassemblement national zusammenarbeiten.
Im Westen überwiegt die Skepsis
Stattdessen, so das Resultat des «Ostspitzentreffens», soll geschehen, was auch eine Resolution namens «Mut zu Deutschland» für den Essener Parteitag fordert: Die AfD möge «den Prozess der Bildung einer neuen Fraktion mit weiteren willigen Partnern anführen, die sich für den gebotenen Grad an Freiheit und Selbstbestimmung der Nationen innerhalb Europas einsetzen». Frei übersetzt: Lieber Europas kleine rechte Parteien anführen als bei den grossen mitschwimmen oder gar untergehen. Zur Bildung einer Fraktion sind mindestens 25 Abgeordnete aus wenigstens sieben Mitgliedstaaten erforderlich.
Die Resolution wird der bayrische Landesvorstand einbringen. Damit springen die Süddeutschen den Ostdeutschen bei und nehmen insofern eine Sonderrolle ein. In den anderen Verbänden des Westens überwiegt die Skepsis. Jede rasche Eingemeindung Krahs, heisst es dort, mache die AfD unglaubwürdig. Rechte Kleinparteien seien keine seriöse Alternative zur ID-Fraktion.
Insbesondere im mitgliederstarken Landesverband Nordrhein-Westfalen, dessen Europaabgeordneter Hans Neuhoff den Abwahlantrag gegen Krah einbrachte, will man nicht vorzeitig die Pferde wechseln. Von René Aust wiederum ist zu hören, er wolle zwar die Möglichkeiten eines neuen Bündnisses im Europäischen Parlament ausloten, jedoch sei ein faires Miteinander auf Augenhöhe das Ziel, keine Führung vonseiten der AfD.
Klar ist einstweilen nur: Der Bundesparteitag wird spannend, und das Verhältnis der AfD zur EU dürfte im Zentrum der schärfsten Debatten stehen.