Der Bund sieht rot: Keller-Sutter präsentiert neue Zahlen – die zusätzlichen Milliarden für die Armee fehlen
Bundesrätin Karin Keller-Sutter muss als Finanzministerin den zunehmenden Verteilkampf moderieren. Marcel Bieri / Keystone
Es ist zurzeit das wohl am besten gehütete Papier in Bundesbern: der vertrauliche Zwischenbericht der fünfköpfigen Expertengruppe, die der Bundesrat wegen der schlechten Finanzlage eingesetzt hat. Unlängst hat sie einen ersten Entwurf mit konkreten Vorschlägen abgeliefert, wie sich die drohenden Defizite verhindern lassen. Finanzministerin Karin Keller-Sutter und ihre Bundesratskollegen haben es bis anhin geschafft, das Papier unter Verschluss zu halten. Das ist eine reife Leistung.
Das Interesse ist enorm, Lobbyisten und Geldempfänger aller Couleur warten gespannt auf die Vorschläge der «Spartruppe». Angesichts der Finanzierungslücken ab 2027 ist klar, dass kosmetische Kürzungen nicht genügen werden. Bisher liess sich der Haushalt vorwiegend mit buchhalterischen Kniffen und «Rasenmäher-Kürzungen» über Wasser halten. Das wird nicht mehr lange gehen.
Am Mittwoch hat der Bundesrat das Budget 2025 und den Finanzplan bis 2028 verabschiedet. Die neuen Zahlen sehen zwar besser aus als die bisherigen, aber nicht gut. Der Fehlbetrag im Jahr 2027 beträgt etwa noch 2,5 statt 3 Milliarden Franken. Laut Bund ist die Verbesserung primär damit zu erklären, dass die Steuereinnahmen unerwartet hoch ausfallen.
Fast schon restriktiv
Die Zahlen bestätigen das Mantra, das die Finanzministerin seit Monaten repetiert: Das Problem des Bundes sind nicht die Einnahmen, sondern die Ausgaben. Sowohl die Einkommens- als auch die Gewinnsteuern sprudeln kräftiger als erwartet. In den nächsten Jahren dürften die Einnahmen weiter zunehmen – aber die Ausgaben wachsen noch stärker.
Von 86 auf 96 Milliarden in vier Jahren: In diesem Umfang werden die jährlichen Ausgaben von 2024 bis 2028 zunehmen, wenn die Politik nichts dagegen unternimmt. Der Anstieg entfällt vor allem auf zwei Bereiche: auf die soziale Wohlfahrt, bei der in erster Linie die AHV ins Gewicht fällt, sowie auf die Landesverteidigung, bei der das Armeebudget im Zentrum steht.
Nimmt man das Wirtschaftswachstum als Massstab, fällt auf, dass der Bund bei den anderen Ausgaben bereits auf der Bremse steht. Über alles gesehen – von der Landwirtschaft über die Entwicklungshilfe bis zu Bildung und Forschung – sollen die Ausgaben in den nächsten Jahren zwar weiterhin wachsen, aber weniger stark als das Bruttoinlandprodukt (BIP). Dies hat für Bundesberner Verhältnisse fast schon als restriktive Finanzpolitik zu gelten.
Umso stärker fällt hingegen das Ausgabenwachstum bei den grossen Treibern aus, bei der AHV und der Armee. Es übertrifft die Entwicklung des BIP deutlich.
Obwohl der Anstieg bei der Armee bei dieser Betrachtung obenaus schwingt, sollte man keine voreiligen Schlüsse ziehen. Die Grafik zeigt den prozentualen Anstieg. In absoluten Zahlen wächst die soziale Wohlfahrt wesentlich stärker, und dies erst noch auf deutlich höherem Niveau: Die Ausgaben für die AHV, die IV, die Prämienverbilligungen und alles, was der Sozialstaat sonst noch umfasst, sollen bis 2028 von 29,3 auf 33,6 Milliarden Franken zunehmen. Das Armeebudget soll in dieser Zeit von 5,7 auf 6,9 Milliarden steigen.
Unsicherheiten wegen der 13. Rente und der Armee
Allerdings – und das sorgt im Finanzdepartement für Unruhe – könnten die Ausgaben ausgerechnet in den «Boom-Bereichen» noch stärker zunehmen, als heute angenommen. Bei der AHV ist unklar, ob sich der Bund an der Finanzierung der 13. Rente beteiligen muss – was sein Budget ab 2026 auf einen Schlag um 840 Millionen Franken belasten würde.
Im Fall der Armee sind es die bürgerlichen Parteien, die im Parlament Druck machen und einen noch stärkeren Anstieg verlangen. Sie wollen für die militärische Nachrüstung bis 2028 vier Milliarden mehr einsetzen als der Bundesrat. Der Ständerat hat dies bereits beschlossen, im September dürfte der Nationalrat nachziehen. Dass der Bundesrat am Mittwoch nicht darauf eingegangen ist, wirft Fragen auf.
Keller-Sutter hat den Entscheid vor den Medien primär formalistisch begründet: Der Entscheid des Ständerats sei nicht definitiv, und er betreffe nur den Zahlungsrahmen der Armee. Bei diesem handelt es sich um Maximalbeträge, nicht um fixe Budgetposten. Laut Keller-Sutter gab es am Mittwoch im Bundesrat keine materielle Diskussion, ob der geplante Anstieg des Armeebudgets genüge – oder ob die zusätzlichen vier Milliarden auch aus Sicht der Regierung notwendig wären. Laut gut informierten Quellen hat auch die Verteidigungsministerin Viola Amherd nicht versucht, einen solchen Entscheid zu erzwingen.
Hektischer Herbst
Keller-Sutter wiederum spielte den Ball dem Parlament zu: Es könne in der Budgetdebatte im Dezember die Prioritäten setzen. Bis dahin wird viel passieren. Im Spätsommer will der Bundesrat runde Tische mit allen Akteuren abhalten, im Herbst folgt eine Turbo-Vernehmlassung. Die Zeit drängt, weil die Massnahmen ab 2027 greifen sollen. Im Parlament ist die Debatte bereits angelaufen, nebst Sparvorschlägen kursieren auch Forderungen nach Steuererhöhungen.
Als Erstes will Karin Keller-Sutter nach den Ferien die Sparvorschläge der Expertengruppe bekanntgeben. Dann wird man klarer sehen, was der Preis ist für die Einhaltung der Schuldenbremse, die Finanzierung der 13. AHV und die – mehr oder weniger steile – Erhöhung des Armeebudgets. Der Verteilkampf wird konkret.