Ein Grüner, der seinen Sohn wegen des Führerscheins stresst

In den USA geboren, in Afrika gearbeitet, in Muttenz daheim: Peter Hartmann wird es selten langweilig. Nun steht der Politiker im Rampenlicht – da, wo er nie sein wollte.

ein grüner, der seinen sohn wegen des führerscheins stresst

Peter Hartmann ist seit seiner Kindheit grosser Eisenbahnliebhaber.

Ein bisschen unbeholfen, fast schon hüftsteif, und dennoch vergnügt, posiert Peter Hartmann, als die BaZ für dieses Porträt ein paar Fotos von ihm schiesst. Mit einem freundlichen Schmunzeln, das doch ein wenig gekünstelt daherkommt, fragt er: «Hände in die Hosentasche?» Nur eine. «Brille anlassen?» Ja. «Lächeln?» Unbedingt. Aber die Augen bitte offen lassen. «So?» Genau.

Hartmann (54), Politiker für die Grünen, steht da, wo er in seinem Leben eigentlich nie stehen wollte: im Rampenlicht. In diesen Tagen ganz besonders. Am Donnerstag wird der Muttenzer Nachfolger von Pascal Ryf (Mitte) und voraussichtlich zum neuen Landratspräsidenten gewählt – zum amtlich höchsten Baselbieter. Eine Ehre, die nur wenigen Landräten in ihren politischen Karrieren zuteilwird.

Das weiss auch Hartmann. Trotzdem scheint es, wenn man länger mit ihm, dem an der ETH ausgebildeten Umweltingenieur, spricht, als halte sich sein Enthusiasmus, sein Stolz über die neue Position (noch) in Grenzen. «Mit am meisten freue ich mich darauf, unseren Kanton, das Baselbiet, noch besser kennen zu lernen», sagt er.

Vorfreude: durchaus. Doch wahnsinnig euphorisch wirkt der 54-Jährige nicht. Das wäre allerdings auch nicht echt, da es nicht zu seinem Wesen passen würde: Hartmann ist kein Prolet, kein Mann der lauten Worte. «War ich nie, wollte ich nie sein.»

Nur: Jetzt muss er.

SVP unter Kontrolle halten

In den nächsten zwölf Monaten gehört es zu seiner Pflicht, den Rat während der Sitzungen unter Kontrolle zu halten, für Ordnung zu sorgen und aufbrausende Politiker zur Vernunft zu bringen. Kein leichter Job. Speziell in Baselland, wo die SVP nach wie vor Opposition betreibt, kein Teil der Regierung ist – und unter dem neuen Parteipräsidenten Peter Riebli wieder einen harten, provokanten Kurs fährt.

Erst vor ein paar Tagen unterstellten Linke dem SVP-Mann, dass er sich «rassistischer und antisemitischer» Narrative bedient habe, als das Parlament über die Zulassung von ausländischen Polizisten diskutierte.

Ein Parlament im Ausnahmezustand? «Sicher nicht. Wir haben einen guten Drive», sagt Hartmann. Dass parteipolitische Streitereien Teil des bevorstehenden Amtes sein werden, ist ihm klar. Jedoch will er sich nicht zu fest darauf konzentrieren: «Mir geht es um die Sache, die im Vordergrund stehen muss.»

Für «die Sache», seine Sache natürlich, habe der Grüne sich sein Leben lang eingesetzt. In den USA geboren und bis zu seinem zweiten Lebensjahr in den Staaten gelebt, ist er im Aargau aufgewachsen. Vor über zwanzig Jahren – mit 30 – zog es ihn für drei Jahre nach Westafrika, da er ein Angebot des Deutschen Entwicklungsdienstes annahm. Im französischsprachigen Benin arbeitete er in der ländlichen Trinkwasserversorgung.

Eine prägende Zeit, nicht nur beruflich. So lernte er dort seine Frau kennen, mit der er mittlerweile zwei Söhne hat. 2003 kam das Ehepaar, das sich in Afrika das Ja-Wort gab, in die Schweiz zurück – nach Muttenz, wo es seither lebt. «Ich bin eigentlich kein Mensch, der die ganze Zeit lang am gleichen Ort bleiben kann, aber hier haben wir wirklich unser Zuhause gefunden», gibt Hartmann zu.

Blinder Gehorsam ist ihm suspekt

Politisch ist er ein «Spätzünder», wie es die «Volksstimme» kürzlich treffend beschrieb. Zwar schon immer interessiert. Doch während ein guter Freund von ihm, der Aargauer SP-Regierungsrat Dieter Egli, mit dem er sich als Junger in der Kinder- und Jugendarbeit (Cevi) engagiert hat, bereits früh im Gemeindeparlament aktiv war, habe er sich «nie zu einer Partei hingezogen gefühlt».

Erst vor elf Jahren wurde er von der Ortssektion in Muttenz für ein Mandat in der kommunalen Bau- und Planungskommission angefragt. Der Start seiner Laufbahn bei den Grünen, wo er «am ehesten» aufgehoben war. «Ich wollte in der Gemeinde etwas bewirken, da braucht man doch Rückhalt.»

Zweifelsohne ist Hartmann ein Linker, der sich stark für Umweltthemen wie den öffentlichen Verkehr, die Förderung emissionsarmer Mobilität einsetzt, doch er ist nicht ideologisch motiviert. So legt er beispielsweise grossen Wert darauf, wie er selber betont, dass in seiner Partei nicht alle nach dergleichen Pfeife tanzen – blinder Gehorsam ist ihm suspekt.

Ein weiteres Merkmal: Er besitzt zwar kein Auto, aber fährt privat und beruflich damit, «wenn es Sinn macht». Auch findet er es wichtig, dass man heute noch den Führerschein macht. «Einen meiner Söhne bin ich momentan oft am Stupfen, damit er das Billett endlich macht.»

ein grüner, der seinen sohn wegen des führerscheins stresst

Oft mit dem Velo unterwegs: Der neue Landratspräsident Peter Hartmann.

Seit 2019, dem Peak der grünen Welle, ist er im Landrat. Seither hat die selbst ernannte Klimapartei vor allem Niederlagen einstecken müssen, was natürlich auch der 54-Jährige zur Kenntnis nimmt, obschon er festhält: «Wir Grünen machen meistens drei Schritte voraus, um dann wieder zwei zurückzugehen.»

Wie auch immer – im Landkanton ist die Partei nach wie vor in der Minderheit. Kommt mit dem neuen Landratspräsidenten nun ein Retter, das neue Aushängeschild, das nach schwierigen Monaten für Aufschwung sorgen kann?

Philipp Schoch, letzter grüner Landratspräsident (2016/17), sagt dazu: «Natürlich hilft es uns, wenn das Gesicht des Kantons ein Grüner ist. Dazu ist Peter unglaublich seriös – eine Idealbesetzung.»

Hartmann ist bewusst, dass das Landratspräsidium nicht nur für ihn als Person, sondern auch für seine Partei eine Chance bietet. «Ich habe nun die Möglichkeit, die Grünen in einem positiven Licht zu präsentieren – und teils vielleicht die eine oder andere Botschaft zu platzieren», meint er. Auch wenn eine gewisse Zurückhaltung, was parteipolitische Positionen betreffe, in dem Amt natürlich geboten sei.

In erster Linie inhaltlich

Je länger man mit ihm spricht, umso offensichtlicher wird: Hartmann mag vordergründig verschlossen wirken, rhetorisch nicht zu den Besten gehören, doch er weiss stets, wovon er spricht. Im ersten Moment zurückhaltend und unscheinbar, im zweiten aufgeschlossen, kontaktfreudig und vor allem: dossierfest. Ein bescheidener Arbeiter im Hintergrund.

Öffentlich ist er bis anhin kaum wahrnehmbar gewesen, politisch ebenso, grosse Ideen hat er im Rat keine durchgeboxt. Aufgefallen ist er vor drei Jahren, als er ein Gratis-U-Abo fürs Baselbiet und parallel eine Kostenhalbierung vorgeschlagen hat. Chancenlos. «Aber medienwirksam», witzelt er heute.

Für den Fototermin hat die BaZ Hartmann am Bahnhof in Muttenz getroffen. Und zwar nicht ohne Grund: Der Landrat ist seit seiner Kindheit leidenschaftlicher Eisenbahnfan. Doch als eine S-Bahn anhält, viele Leute aussteigen, wird es ihm augenscheinlich unangenehm, weiter für das Foto zu posen.

«Haben wirs?» Ja.

Als er ein paar Minuten später hingegen über das Herzstück spricht, den Bau der trinationalen S-Bahn, kommt er komplett aus sich heraus. «Kommen nicht darum herum», «wäre enorm, von Muttenz nach Lörrach in nur zwanzig Minuten», «so wichtig».

Hartmann kanns in erster Linie inhaltlich – genau so will er das Baselbieter Parlament im kommenden Jahr auch führen.

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