«Die Fassungslosigkeit bleibt»
Sie verloren ihren Sohn und Bruder durch einen grundlosen Mord. Drei Jahre danach trifft die Familie im Gericht auf den Täter. Die Angehörigen erhalten ein Urteil, aber kaum Antworten.
Eine Woche lang sassen die Eltern und Geschwister nun viele Stunden im gleichen Raum mit dem Mörder ihres Bruders. Dem «Monster», wie ihn die Zwillingsschwester nannte, der am 15. August 2021 völlig grundlos den jungen Mann aus dem Leben riss. Er wurde 28 Jahre alt. Einen Menschen, der das Leben vieler mit Freude bereicherte. Zur Trauerfeier auf dem Friedhof Hörnli kamen Hunderte, um Abschied zu nehmen. Zum Prozess gegen seinen Mörder kamen seine Eltern, seine Zwillingsschwester, die drei Brüder und vier der sechs Halbgeschwister, um Antworten zu erhalten.
Am Freitag um 16 Uhr verkündet der Gerichtsschreiber im Saal 2 des Basler Strafgericht das Verdikt. Tyson ist des Mordes und versuchten Mordes schuldig und muss 19,5 Jahre ins Gefängnis. Infolge seiner dissozialen Persönlichkeitsstörung wird die sogenannt Kleine Verwahrung angeordnet. Der 25-Jährige wird auf lange Zeit eingeschlossen bleiben. Es ist wahrscheinlich, dass sich auch noch das Appellations- und das Bundesgericht mit dem Urteil auseinandersetzen müssen.
Der Appell der Mutter verhallt
«Die Fassungslosigkeit bleibt», sagt die Mutter des Verstorbenen nach dem Urteil. Die Anerkennung der Schuld und das Verhängen einer Sanktion durch die Justiz bringt ihren jüngsten Sohn nicht zurück. «Der Gesellschaft konnte eine Gefahr genommen werden», sagt der Vater. Persönlich helfe ihm das aber nicht.
Auch auf Antworten warteten die Angehörigen vergebens. Während der Plädoyers wandte sich die Mutter mit zitternder Stimme noch einmal direkt an den Beschuldigten, der zum Tatgeschehen vor Gericht keine Aussagen machte. «Ich möchte Sie noch einmal bitten, etwas darüber zu sagen, woran Sie sich erinnern.» Tyson dreht seinen Kopf, kurz kreuzen sich ihre Blicke, dann senkt er wieder seinen Kopf und sagt nichts.
Seine Entschuldigung für die Tat, die er vorbrachte, wirkte einstudiert und taktisch. Echte Reue erkannte auch das Gericht nicht.
Eine Beschwerde ist noch hängig
Die Mutter hatte sich im Vorfeld des Prozesses intensiv mit dem Verfahren beschäftigt und erwirkt, dass ein wichtiger Zeuge vor der Verhandlung doch noch vom Gericht befragt wurde. Als Privatklägerin wird sie der Fall auch noch weiter beschäftigen. Sie wehrt sich dagegen, dass das Verfahren gegen einen möglichen Mittäter eingestellt werden soll. Das Beschwerdeverfahren ist noch beim Appellationsgericht hängig. «Ich muss das für meinen Sohn tun. Er hätte gewollt, dass alles beleuchtet wird.»