Schwelende Konflikte, schwache Führung: Der Bundesrat ist ferienreif

schwelende konflikte, schwache führung: der bundesrat ist ferienreif

Der Bundesrat auf Reisen: ;Albert Rösti, Ignazio Cassis, Guy Parmelin, Viola Amherd, Karin Keller-Sutter, Elisabeth Baume-Schneider, Beat Jans und Bundeskanzler Viktor Rossi vor dem Stockalperschloss in Brig. Jean-Christophe Bott / Keystone

Endlich Sommer, bald ist Pause. Der Bundesrat hat strenge Monate hinter sich. Das sieht man dem Grüppchen auch an, das sich an diesem prächtigen Donnerstagnachmittag etwas konfus vor dem Stockalperschloss in Brig aufreiht. Der Fototermin der Bundesratsreise steht an. Kaum sind die Bilder im Kasten, fliehen die Magistraten in den Schatten, während Bundespräsidentin Viola Amherd vor den angereisten Journalisten Überlegungen zur Bedeutung von Ausflügen zwecks Teambuilding anstellt.

Wer sich umhört in den Departementen und Parteien, wird den Eindruck nicht los, dass dieser Bundesrat eine längere Auszeit nötig hätte als einen Kurztrip ins Wallis. Die Konflikte mehren sich. Und während sich im Stillen eine neue, mächtige Allianz etabliert, die das Gremium auf Jahre hinaus prägen dürfte, hat die Bundespräsidentin einen zunehmend schweren Stand. Die Halbjahresbilanz des Bundesrates zeigt eine Regierung, die sich erst noch finden muss.

Einsame Bundespräsidentin

Wenigstens auf der Bundesratsreise gibt Viola Amherd die Richtung vor. In Brig hat ihr politischer Aufstieg begonnen, bis heute ist sie hier schlicht «die Viola». Sie geniesst den Abstecher in die Heimat sichtlich. Ennet dem Lötschberg, in Bern, ist die Stimmung jedoch eine ganz andere. Die Anerkennung, die der Bundespräsidentin im Zuge der Bürgenstock-Konferenz zuteilwurde, verflüchtigt sich. Als Armeeministerin manövriert sie sich ins Abseits, indem sie mit Milliardenforderungen bei ihren Kolleginnen und Kollegen aufläuft. Pünktlich zum Start der Bundesratsreise macht der «Tages-Anzeiger» Amherds Pläne publik, für die Armee einen zehn Milliarden schweren Sonderfonds einzurichten. Nur wenige Tage vor der Bundesratssitzung hatten Amherds Leute die anderen Departemente mit der Idee konfrontiert. Das Echo sei verheerend ausgefallen, sagen bundesratsnahe Quellen.

Trotz massiver Kritik hielt die Walliserin an ihrem Vorhaben fest – und scheitert. Das Muster wiederholt sich: Bereits im Mai machte sich Amherd vergeblich dafür stark, 15 Milliarden für die Armee und den Wiederaufbau der Ukraine an der Schuldenbremse vorbeizuschleusen. Ein gewagtes Spiel, denn eigentlich hatte sich die Bundespräsidentin aufgrund der schwierigen Finanzlage mit ihren Kollegen längst darauf festgelegt, die Armee weniger rasch aufzurüsten. Diese Abmachung hat Amherd einseitig aufgekündigt, seither gilt das Verhältnis zu Finanzministerin Karin Keller-Sutter als belastet.

Das eigene Departement über das Gesamtgremium zu stellen, vertrage sich schlecht mit der Kollegialität und ihrer Rolle als Bundespräsidentin, heisst es aus dem Umfeld des Bundesrats. Und es verstärkt den Eindruck einer Regierung, die sich in zentralen Fragen nicht einigen kann. Dabei hoffen Parteien und Parlament auf klare Entscheide. «Ich wünschte mir mehr Mut, Klarheit und strategische Orientierung bei der Führungsarbeit des Bundesrats», sagt der freisinnige Parteipräsident Thierry Burkart. «Fokus der Arbeit der einzelnen Bundesräte sollte vermehrt das gemeinsame Landesinteresse statt die individuelle Beliebtheit sein.»

Starkes rechtes Gespann

Keine Sorge um ihre Stellung im Bundesrat muss sich Karin Keller-Sutter machen. Mit den Abgängen von Ueli Maurer und Alain Berset avancierte die Freisinnige endgültig zur bestimmenden Figur in der Regierung. Mit Albert Rösti, der sich rasch etabliert hat, bildet Keller-Sutter die starke Achse des Gremiums. Man schätzt sich, man hilft sich. Anderthalb Jahre nach Röstis Wahl hat sich das Duo gut eingespielt. Inhaltlich sind sich der konziliante SVPler und die rechte Freisinnige ohnehin meist einig.

Das zeigt sich in den schwierigen Diskussionen zur Stabilisierung des Budgets. Die Parteikollegen der beiden reihen sich ein. SVP-Bundesrat Guy Parmelin schluckt die Kürzungen in der Bildung, und FDP-Aussenminister Ignazio Cassis begleicht den Beitrag zum Wiederaufbau der Ukraine ohne Murren aus dem Etat seines Departements.

Aber auch in staatspolitischen Fragen prägt das Tandem zunehmend den Kurs: Keller-Sutter und Rösti sehen die Auffassung des Bundesamtes für Justiz, wonach neue Verträge mit der Europäischen Union nicht dem Ständemehr zu unterstellen seien, dem Vernehmen nach kritisch. Weiter links macht sich nun die Sorge breit, dass sich die beiden bald dem Service public zuwenden. Derzeit prüft der Bund eine Privatisierung der Swisscom. Möglich, dass Rösti und Keller-Sutter, er zuständig für das Fernmeldewesen, sie für die Finanzen, zum Schluss kommen, diesen grossen Wurf zu wagen.

Eine Fehde?

Rösti und Keller-Sutter, das passt. Rösti und Beat Jans hingegen weniger. Eine Person, die beide Bundesräte gut kennt, formulierte es sinngemäss einmal so: Der ehemalige SVP-Parteipräsident Rösti aus dem Berner Oberland verkörpere politisch so ziemlich alles, was der europhile Basler Sozialdemokrat ablehne. Jans und Rösti widersprechen sich regelmässig öffentlich. Sei es nach der Rangelei zwischen SVP-Parlamentariern und Fedpol-Polizisten im Parlamentsgebäude oder nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Schweiz verurteilte, weil das Land zu wenig für den Klimaschutz unternehme.

«Bahnt sich im Bundesrat eine Fehde an?», fragte die NZZ bang. Fehde oder nicht, der Konflikt könnte für Jans bald unangenehme Folgen haben. Röstis SVP, die kein Thema so erfolgreich beackert wie die Migrationspolitik, gewährte dem neuen Justiz- und Asylminister zu Amtsbeginn eine Art Schonfrist. Bald dürfte sie ihn härter angehen. Es laufe nicht so harmonisch im Bundesrat wie auch schon, stellt SVP-Parteipräsident Marcel Dettling fest. Beat Jans habe seine Rolle noch nicht gefunden «und tritt nicht auf wie ein Bundesrat, der für das ganze Land politisiert».

Die Angst der Linken

Egal, ob die SVP gerade poltert oder nicht, die Ausgangslage für die beiden Bundesratsmitglieder der SP ist stets heikel. Zwar hat Elisabeth Baume-Schneider im Innendepartement besser Tritt gefasst als bei ihrem Gastspiel im Justizdepartement. Doch Alain Berset, Ende Jahr zurückgetreten, fehlt den Genossen. Ihm war es immer wieder gelungen, die starre Logik der Blöcke zu überwinden und Mehrheiten über die ideologischen Grenzen hinweg zu organisieren. Nun droht aus Sicht der SP ein Erstarren der Blöcke, eine Konstellation, in der SVP und FDP geschlossen durchmarschieren.

Vielleicht liegt darin ein Grund für die Schärfe, mit der die Partei die Regierung derzeit kritisiert. «Der Bundesrat hat ein grobes Glaubwürdigkeitsproblem», so SP-Co-Präsident Cédric Wermuth. «Heute sagt er A, morgen B. Erst will er rasch mehr Geld für die Armee, dann findet er, dass sich die Schweiz das doch nicht leisten kann. Einerseits soll es vorwärtsgehen in den Verhandlungen mit der EU, aber wie genau, weiss der Bundesrat dann doch nicht so recht.» Fazit der SP-Spitze: Bei Entscheiden und Kommunikation fehle der Regierung schlicht die notwendige Kohärenz.

Druck zwingt zur Einigkeit

Die Kommunikation der Regierung zu schärfen, das wird die grosse Herausforderung des neuen Vizekanzlers sein. Auch Mitte-Präsident Gerhard Pfister ist der Ansicht, dass der Bundesrat seine Entscheide besser erklären und begründen müsse. Doch die Suche nach einem Nachfolger für den verstorbenen Bundesratssprecher André Simonazzi stockt, wie die Zeitungen von CH-Media berichten.

Dabei stehen wichtige Weichenstellungen an: Der Bundeshaushalt ist aus dem Gleichgewicht, das Verhältnis zu Brüssel bleibt ungelöst. Und das globale Umfeld ist alles andere als stabil. Noch immer wütet der Krieg in der Ukraine, und bald schon grüsst womöglich wieder Donald Trump aus dem Weissen Haus. Manche Kritiker hoffen, dass schierer Druck das Gremium zur nötigen Klarheit zwingt. «Die internationale Lage könnte bald in eine Richtung gehen, in der auch unsere Regierung nicht mehr darum herumkommt, diese Orientierung zu schaffen», sagt Mitte-Präsident Pfister.

Seine Parteikollegin Viola Amherd gibt sich in ihren Prognosen noch ziemlich vage. Bevor sich die Landesregierung am Donnerstag schliesslich im Hof des Stockalperschlosses unter die Bevölkerung mischt, schildert die Bundespräsidentin die Politik als holprige Passfahrt. Ausgang offen. Oder wie Viola Amherd sagt: «Wir sind auf einer Reise, bei der man manchmal nicht weiss, was nach der nächsten Kurve kommt.»

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