Das grösste Hochwasserprojekt der Schweiz droht zu scheitern: Die Walliser Bauern wollen kein Land opfern, um der Rhone mehr Platz zu geben

das grösste hochwasserprojekt der schweiz droht zu scheitern: die walliser bauern wollen kein land opfern, um der rhone mehr platz zu geben

Hart verbaut: Die Rhone ist heute ein Kanal mit hohen Dämmen. Mit der dritten Rhonekorrektion soll der Fluss mehr Platz erhalten. Cyril Zingaro / Keystone

Die Rhone ist heute eine Gefahr für die Bevölkerung: Eingezwängt in ein enges Bett, wälzt sich der Alpenstrom von Brig bis in den Genfersee. Links und rechts säumen meterhohe Dämme den Fluss. Wenn diese bei Hochwasser brechen, kommt es zur Katastrophe: Dann ergiessen sich die Wassermassen mit sehr viel Energie und Tempo über den Talboden. Zum letzten Mal ist das im Herbst 2000 passiert. Das Jahrhunderthochwasser brachte den Damm bei Chamoson zum Brechen, und die Rhone flutete mehrere Dörfer.

Der Handlungsbedarf ist unbestritten. Seit 20 Jahren ist die dritte Rhonekorrektion nun in Planung. Sie soll 100 000 Menschen vor gefährlichen Hochwassern schützen. Das Walliser Stimmvolk hat 60 Millionen für das Projekt gesprochen, Bundesrat und Parlament haben über eine Milliarde Bundesgelder bewilligt.

Und jetzt – mitten in der Umsetzung – zieht der Staatsrat die Notbremse. Angeführt von Umweltdirektor Franz Ruppen (SVP), will die Kantonsregierung das Projekt verkleinern. «Unsere Analyse zeigt, dass das Projekt überdimensioniert ist. Die Hochwasserrisiken wurden zu hoch eingeschätzt», erklärt Ruppen den Marschhalt.

Bauern müssten Aprikosenplantagen opfern

Es ist kein Zufall, dass das Projekt gerade jetzt noch einmal umstritten ist. Der Grundgedanke der dritten Rhonekorrektion ist, dem Fluss mehr Platz zu geben. Das dient dem Hochwasserschutz und der Natur. Doch der Talboden ist stark besiedelt und wird intensiv genutzt. Insbesondere Zwischen Sitten und Martigny müssten die Bauern gutes Land hergeben. Die Unterwalliser Landwirte wehren sich seit Beginn dagegen: «Wir haben in diesem Land auch eine Ernährungssicherheitskrise», sagt Franz Ruppen. Das Projekt würde über 300 Hektaren besonders wichtige Fruchtfolgeflächen beanspruchen. «Es braucht eine neue Interessenabwägung unter anderem zwischen Hochwasserschutz, Naturschutz und Landwirtschaft.» Den Marschhalt begründen Ruppen und der Staatsrat auch mit einer diesen Frühling präsentierten Studie. Diese zeige Mängel beim bisherigen Projekt auf.

Daniel Heusser vom WWF Schweiz kritisiert die Kantonsregierung harsch: «Mit einem 69-seitigen Pseudogutachten beerdigt man 20 Jahre wissenschaftlich fundierte Arbeit.» Das Vorgehen von Ruppen sei «absolut intransparent», so Heusser. So habe er die neue Studie von einem Immobilienbüro verfassen lassen, das keinerlei Erfahrung mit Hochwasserschutzprojekten an grossen Gewässern habe. Zudem habe der neue Gutachter einen Grossteil der vorhandenen Unterlagen für seine Analyse gar nicht beigezogen.

Jean-Pierre Jordan ist ein ausgewiesener Experte für Hochwasserschutz. Er hat das Projekt für das Bundesamt für Umwelt (Bafu) begleitet. Ab 2019 hat er den Kanton Wallis als Berater unterstützt. Heute ist er pensioniert und kann frei reden. «Es tut sehr weh mitzuverfolgen, was gerade passiert.» Nach vielen Jahren Planung werde das Projekt mit einem politischen Manöver blockiert. «Aus wasserbaulicher Sicht wurde die dritte Rhonekorrektion mehrfach überprüft. Es gibt keinen anderen Weg, als dem Fluss wieder mehr Platz zu geben.» Alles andere sei Wunschdenken, so Jordan. Er verteidigt auch die Risikoabschätzungen: «Die Szenarien sind realistisch, die Unsicherheiten sind sehr gross und müssen einberechnet werden.» Denn wenn die Rhone über die Ufer trete, sei die Gefahr für sehr viele Menschen sehr gross.

Bund stoppt Zahlungen an das Wallis

Auch beim Bundesamt für Umwelt (Bafu) ist man irritiert. «Die involvierten Bundesämter hatten das generelle Projekt 2014 in der Vorprüfung positiv und als ausgewogen beurteilt», schreibt das Amt. Der Stopp des Mammutprojekts könnte die Walliser auch viel Geld kosten. Denn wie das Bafu gegenüber der «NZZ am Sonntag» bestätigt, hat der Bund erste Zahlungen eingestellt: «Im Dezember 2022 teilte das Bafu dem Kanton Wallis mit, dass die Zahlungen von Subventionen für bestimmte Leistungen [. . .] ausgesetzt würden.» Betroffen sind unter anderem die Löhne der für das Projekt arbeitenden Walliser Beamten. Insgesamt sieben Vollzeitstellen hat der Bund finanziert. Damit ist vorübergehend Schluss: Gemäss Staatsrat Franz Ruppen hat der Bund Ende 2023 rund 1,8 Millionen Franken sistiert und demzufolge nicht mehr ans Wallis überwiesen.

Richtig teuer könnte es werden, wenn Bern in Zukunft die Subventionen für alle Walliser Schutzprojekte gegen Naturgefahren kürzt. Als besonders betroffener Bergkanton erhält es heute 20 Prozent mehr Unterstützung als andere Regionen. Diesen Bonus gibt es aber nur, wenn das Wallis genug laufende Projekte hat und genügend in den Katastrophenschutz investiert. Mit dem Unterbruch beim grössten Projekt könnte der Kanton diesen Zustupf verlieren.

Staatsrat Ruppen hat ein kleines politisches Erdbeben ausgelöst. Er fühlt sich falsch verstanden. «Dass man ein grosses Projekt nach 20 Jahren Planung noch einmal hinterfragt, ist nicht aussergewöhnlich.» Das sei im Gesetz so vorgesehen. Die Kritik an seinem Vorgehen und an der neuen Studie sei «an den Haaren herbeigezogen». Der ausgewählte Gutachter habe erwiesenermassen Erfahrung mit Grossprojekten und habe Fachpersonen beigezogen. Er wolle das Projekt auf keinen Fall beerdigen, sondern optimieren. Ruppen betont: «Der Schutz von Land und Leuten steht an erster Stelle.»

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