Dominant wie Brasilien, aber ohne Firlefanz: Die Schweizer Fussballer glänzen gegen Italien – «Panzerknacker» Freuler ist Symbolfigur

dominant wie brasilien, aber ohne firlefanz: die schweizer fussballer glänzen gegen italien – «panzerknacker» freuler ist symbolfigur

Remo Freuler ;wurde stets leicht unterschätzt, nun machte er sich zum Schweizer EM-Helden. Karina Hessland / Reuters

Das Bild mit der stärksten Symbolkraft gibt es nach Spielende. Die Schweizer freuen sich über den 2:0-Sieg im EM-Achtelfinal gegen Italien, aber sie tun das nicht euphorisch, sondern abgeklärt, fast routiniert. Man erkennt auf diesem Bild den Hunger einer Mannschaft, die Lust auf mehr, den Traum vom historischen Triumph. Im Hintergrund traben die italienischen Nationalspieler vom Platz, schwer geschlagen und niedergeschlagen, chancen- und energielos.

Die Schweiz hat am Samstagabend nicht nur den Titelverteidiger K. o. nach Hause geschickt. Sie hat gegen Italien ein Statement platziert. Und keiner steht in Berlin mehr für diese Mannschaft als Remo Freuler, der Kämpfer und Dauerläufer im Maschinenraum, der sich in den Dienst der Gemeinschaft stellt, Räume zustellt, Gegner abläuft, die vielen kleinen Dinge richtig macht, aus denen Grosses entstehen kann.

Freuler erkämpfte sich Zuneigung

Es ist Freuler, der wenige Minuten vor der Pause nach einem klugen Laufweg und der Vorarbeit von Ruben Vargas das verdiente 1:0 erzielt. Ballannahme mit rechts, Abschluss mit links. Und weil Vargas in der zweiten Halbzeit schon nach weniger als einer halben Minute mit einem Kunstschuss das 2:0 gelingt, ist der erste Achtelfinal der Europameisterschaft unerwartet früh entschieden.

Womöglich ist es kein Zufall, hat Remo Freuler als Panzerknacker den Tresor für die Schweizer geöffnet. Man hätte sich viele Schweizer Helden in diesem Achtelfinal vorstellen können. Den Goalie Yann Sommer oder den Abwehrchef Manuel Akanji, den Strategen Granit Xhaka oder den Hochgeschwindigkeitsdribbler Dan Ndoye, vielleicht sogar wieder einmal den Altmeister Xherdan Shaqiri.

Freuler steht für die gewachsene Mentalität dieser Mannschaft, für die Laufbereitschaft und den Fleiss. «Motorino svizzero» nennen sie Freuler deswegen in Italien, wo er zuerst sechseinhalb Saisons bei Atalanta spielte, ehe er nach einem unbefriedigenden Jahr bei Nottingham im letzten Sommer zu Bologna wechselte. «Ich liebe Italien», sagte Freuler letzte Woche. «Aber während 90 Minuten wird diese Liebe am Samstag keinen Platz in meinem Herzen haben.»

Die Liebe des Publikums hat sich Freuler erkämpfen und erdulden müssen. Er stand im zentralen Mittelfeld der Schweizer jahrelang im Schatten anderer Fussballer wie Xhaka, Valon Behrami, Blerim Dzemaili, Gelson Fernandes. Später galten Denis Zakaria oder Djibril Sow als begabter, Freuler wurde stets leicht unterschätzt.

Erst mit knapp 25 debütierte er 2017 im Nationalteam, gegen Italien bestritt er nun bereits sein 71. Länderspiel und schoss sein neuntes Tor. Freuler bürgt für Solidität und Solidarität, für Konstanz und spätestens seit Samstagabend auch für Klasse. Er hebt nach dem Sieg gegen Italien den Zusammenhalt hervor: «Wir harmonieren sehr gut. Das sieht man auch daran, wie die ganze Bank mitjubelt, wenn wir ein Tor erzielen.»

dominant wie brasilien, aber ohne firlefanz: die schweizer fussballer glänzen gegen italien – «panzerknacker» freuler ist symbolfigur

Ruben Vargas jubelt mit Teamkollegen über sein 2:0. Mahmut Serdar Alakus / Anadolu / Getty

Italien spielt Aussenseiterfussball

Gegen Italien steht eine Schweizer Mannschaft auf dem Rasen, die von der ersten Sekunde an bereit ist. Sie dominiert das Geschehen, tritt stilsicher und selbstbewusst auf, ballsicher und beschwingt, sie ist überlegen und in jeder Beziehung stärker: spielerisch, kämpferisch, physisch. Mit Leichtigkeit kombinieren sich die Schweizer übers Feld, und wenn man nicht wüsste, dass der Gegner Italien ist, würde man denken, es handle sich um San Marino. Die Schweizer sind an diesem Abend dominant wie Brasilien. Aber ohne Firlefanz und Tricksereien.

Italien dagegen präsentiert einen traurigen Aussenseiterfussball. In der aktuellen Auswahl fehlt es an Ausnahmekönnern, einmal abgesehen von Goalie Gianluigi Donnarumma. Federico Chiesa und vor allem Nicolo Barella, die zwei stärksten Individualisten, sind gegen die Schweiz auch wegen Blessuren in den letzten Monaten weit von ihrer Bestform entfernt. Die Italiener sind lange Zeit komplett passiv, sie rennen Ball und Gegner hinterher, als wären sie zwei Spieler weniger.

Womöglich haben die Schweizer gespürt, zu was sie in der Lage sind. Der Mittelfeldspieler Fabian Rieder sagte ein paar Tage vor dem Achtelfinal, man werde Italien nicht unterschätzen. Es war Freuler, der die Dinge klarstellte, als er sagte, Italien sei schon noch Favorit. Weil: «Italien ist Italien.» Basta!

Niente basta! Jenes Italien von dieser EM hat nichts mit dem Europameister 2021 zu tun, der damals in der Vorrunde 3:0 gegen die Schweiz gewann. Es ist übrigens die einzige Niederlage der Schweizer Nationalmannschaft vor einem Elfmeterschiessen in 13 Begegnungen an den letzten drei Europameisterschaften.

dominant wie brasilien, aber ohne firlefanz: die schweizer fussballer glänzen gegen italien – «panzerknacker» freuler ist symbolfigur

Die Italiener schleichen nach der Niederlage enttäuscht vom Platz. Domenico Cippitelli / Imago

Freuler ist nicht der einzige Schweizer Held an diesem denkwürdigen 29. Juni 2024. Akanji ist gegen Italien erneut magistral als Abwehrchef und brillant mit seinen Spieleröffnungen. Xhaka verteilt die Bälle, Michel Aebischer steht für die Schweizer Passgenauigkeit und Ndoye für die Schnelligkeit. Zum «Man of the Match» wird Vargas gewählt, Tor und Assist sprechen dafür. Der Beste unter vielen aussergewöhnlich Guten ist aber Fabian Rieder, der kaum einen Fehler begeht, oft nur mit Fouls zu stoppen ist, intelligente Spielweise mit vorbildlichem Einsatz paart.

Die Italiener sind zu keiner ernsthaften Reaktion fähig. Fabian Schär trifft mit einem Kopfball in der zweiten Halbzeit einmal den eigenen Pfosten, später scheitert auch der italienische Stürmer Gianluca Scamacca aus kurzer Distanz am Pfosten, in Gefahr ist der Sieg der Schweizer nie. Ihre Fans singen irgendwann beseelt: «Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!» Zwei Siege ist das Nationalteam noch von einer Rückkehr in die deutsche Hauptstadt und vom Endspiel entfernt. Im Viertel­final geht es am nächsten Samstag in Düsseldorf gegen England oder die Slowakei.

Vielleicht wartet das nächste Schweizer Festspiel: nach Deutschland und Italien nun England. Remo Freuler könnte sagen: «England ist England.» Und die Schweiz ist die Schweiz. Der erste EM-Viertelfinalist. Und eine grosse Mannschaft.

Schweiz - Italien 2:0 (1:0).

Berlin. - 68 172 Zuschauer. - Schiedsrichter: Marciniak (POL). - Tore: 37. Freuler 1:0. 46. Vargas 2:0.

Schweiz: Sommer; Schär, Akanji, Rodriguez; Ndoye (77. Sierro), Freuler, Xhaka, Aebischer (92. Steffen); Rieder (72. Stergiou), Vargas (72. Zuber); Embolo (77. Duah).

Italien: Donnarumma; Di Lorenzo, Mancini, Bastoni, Darmian (75. Cambiaso); Cristante (75. Pellegrini), Fagioli (86. Frattesi), Barella (64. Retegui); Chiesa, Scamacca, El Shaarawy (46. Zaccagni).

Bemerkungen: Schweiz ohne Widmer (gesperrt). Italien ohne Calafiori (gesperrt). 45. Pfostenschuss Rieder. 52. Kopfball von Schär an den eigenen Pfosten. 74. Pfostenschuss Scamacca. Verwarnungen: 35. Barella, 45. El Shaarawy. 57. Mancini.

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