Fehlte der Lieblingsgegner Trump? Die Leserzahlen der «Washington Post» sind im freien Fall

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Die «Washington Post» steht für harten Polit-Journalismus. Pablo Martinez Monsivais / AP

«Die Demokratie stirbt in der Dunkelheit»: Mit dieser düsteren Warnung gleich unter dem Logo begrüsst die «Washington Post» ihre Leserschaft tagtäglich auf der Startseite.

Als Donald Trump US-Präsident war, machte das gehörigen Eindruck. Die digitalen Zugriffs- und Abo-Zahlen des Hauptstadtmediums schnellten nach oben.

Doch seit Trump und die Dunkelheit weg sind, leidet die «Post» am helllichten Tag. Die Zahl der Onlineleser («unique visitors») soll sich halbiert haben, von über 100 Millionen pro Monat auf noch 50 Millionen, wie mehrere Medien vergangene Woche unter Berufung auf eine interne Informationsveranstaltung der «Post» berichteten. Diese neuesten Leserzahlen sind nicht öffentlich. Aber die Zahlen, welche die privat gehaltene «Washington Post» zwischen 2021 und 2023 publiziert hat, zeigen den negativen Trend klar auf.

Sparen trotz Richtungswahl

Nun ist Feuer im Dach des amerikanischen Leitmediums. Vor zwei Wochen trat die Chefredaktorin Sally Buzbee zurück, und es zeichnet sich ein Sparprogramm ab, das die rund tausend Journalisten der «Post» empfindlich treffen wird. Der neue Verlagschef William Lewis, der früher unter anderem das «Wall Street Journal» verlegt hat, soll im besagten internen Meeting die Probleme unverblümt angesprochen haben. Das Medium habe im vergangenen Jahr 77 Millionen Dollar Verlust geschrieben. «Eure Leserschaft hat sich in den letzten Jahren halbiert. Die Leute lesen euer Zeug nicht.»

Der Brite Lewis ersetzt Buzbee nun mit zwei Vertrauten, Robert Winnett vom «Daily Telegraph» und Matt Murray, ehemaliger Chefredaktor des «Wall Street Journal».

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Sally Buzbee, die erste Frau an der Spitze der «Washington Post», musste ihren Sessel räumen. Celeste Sloman ;für «Washington Post» via Getty

Ein Sparprogramm mitten im US-Präsidentschaftswahlkampf anzukündigen, ist unüblich. Die Wahlen stellen die beste Gelegenheit für Polit-Medien dar, sich mit Recherchen auszuzeichnen. In der «Washington Post» selbst erschien ein Artikel, der nahelegt, dass Buzbees Rücktritt mit dem Timing der Sparmassnahmen zusammenhängt. Sie habe bis nach dem Wahltag damit zuwarten wollen, Lewis nicht.

Die «New York Times» berichtete unter Berufung auf interne Quellen, dass sich Lewis und Buzbee vor wenigen Wochen wegen eines geplanten Artikels in der «Post» gestritten hatten. Der Artikel drehte sich um einen Abhörskandal in Grossbritannien, in den Lewis’ früherer Arbeitgeber, Rupert Murdochs News Corporation, verwickelt war.

Lewis musste sich schon mehrfach gegen den Vorwurf wehren, mitgeholfen zu haben, den Skandal unter dem Deckel zu halten. Im Artikel der «Washington Post» sollte er persönlich genannt werden. Der Brite soll gegen eine Publikation gewesen sein, Buzbee brachte den Artikel dennoch. Lewis bestreitet gemäss der «Times», Druck auf seine Chefredaktorin aufgesetzt zu haben.

Die «New York Times» legte nun in einer aufwendigen Recherche nochmals nach und warf Lewis und Winnett selbst vor, in den 2000er-Jahren in London mit sehr zweifelhaften Methoden an Geschichten gelangt zu sein. Beide äusserten sich nicht direkt zu den Anschuldigungen; bisher hatte Lewis aber stets betont, dass er nur in der Aufarbeitung des Abhörskandals eine Rolle spielte.

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Der Brite Will Lewis soll die «Post» als Verleger wieder in die Gewinnzone zurückbringen. Carlotta Cardana / Bloomberg / Getty

Mit Bezos kam der Erfolg

Der Kern des Problems dürfte gleichwohl die schlechte wirtschaftliche Lage des Mediums sein. Das Wohlergehen der «Washington Post» interessiert dabei weit über den Beltway hinaus – die Ringautobahn, die das politische Washington umschliesst. Die Zeitung galt nämlich als Paradebeispiel für einen gelungenen Turnaround.

Ist diese Wiederauferstehung der «Washington Post» bereits wieder vorbei? Und alles nur, weil mit Donald Trump der Lieblingsfeind ihrer eher linken und urbanen Stammleserschaft weniger Geschichten und Klicks liefert?

Zu Beginn der 2010er Jahre herrschte im amerikanischen Mediengeschäft bereits Katzenjammer. Unternehmen begannen ihre Werbung auf Google und Facebook zu schalten statt in der Zeitung, aufstrebende und flinke Onlinemedien setzten die Traditionshäuser im Kerngeschäft unter Druck. 2012 gewann die «Huffington Post» als erstes Digitalmedium einen Pulitzer-Preis.

Doch dann trat der Amazon-Patron und Internet-Milliardär Jeff Bezos auf, kaufte 2013 die «Washington Post» für 250 Millionen Dollar und brachte sie 2016 in die schwarzen Zahlen zurück.

Ausgerechnet der Chef des grössten Onlinelogistikers, der selbst zahlreiche Traditionsfirmen ausbootete, schien ein Rezept gefunden zu haben, wie traditionelle Medienunternehmen der Herausforderung durch Gratis-Newsportale und Social Media trotzen könnten.

Bezos investierte vor allem in die Technologie hinter dem Medium. Die «Washington Post» stellte derweil auch Hunderte neue Journalisten ein. Der Amazon-Gründer mischte sich, anders als manche befürchteten, nicht ins Tagesgeschäft ein, wollte aber auch nicht zum ewigen Zahlonkel werden. Von Beginn weg pochte er darauf, dass sich die «Post» selbst finanzieren müsse.

Wie Bezos 2017 an einer Medienkonferenz in Turin aber auch ausführte, sollte die Zeitung das mit hoher Qualität und besserem Marketing tun. «Fokussiere dich auf die Leser, nicht auf die Werbekunden», sagte Bezos über das Erfolgsmodell. Man solle die Leser fesseln, sie korrekt informieren – und sie dann bitten, für die Dienstleistung zu zahlen.

Der Erfolg schien Bezos recht zu geben. Während der vier Jahre unter Donald Trumps Präsidentschaft hob die «Post» mit ihrem Digitalgeschäft ab. Dank ihrem starken Netzwerk im politischen Washington überzeugte sie ihre Leserschaft regelmässig mit starken Reportagen und Exklusivgeschichten – und schien den Anspruch, als vierte Gewalt im Land die Mächtigen im Zaum zu halten, bestens zu erfüllen.

Die Zahl der Online-Abonnements verdreifachte sich bis 2021 auf bis zu 3 Millionen, auch das Geschäft mit digitaler Werbung profitierte von der wachsenden Aufmerksamkeit. Ähnlichen Zulauf erlebte die andere führende und ebenfalls traditionell linksliberale Zeitung des Landes, die «New York Times». Sie brachte es 2021 auf über 6 Millionen Digital-Abonnements.

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2013 kaufte der Amazon-Gründer Jeff Bezos die «Washington Post» und brachte sie in die schwarzen Zahlen zurück. Chip Somodevilla / Getty

Es liegt nicht nur an Trump

Dann jedoch trennten sich die Wege der beiden Weltblätter. Die «New York Times» wuchs weiter und hat gemäss Geschäftsbericht mittlerweile mehr als 10 Millionen Abonnements, die meisten davon digital. Geschickt hat die Zeitung ihr Angebot aus Meinungsstücken und Reportagen mit Wohlfühl- und Ratgeberjournalismus sowie mit Kochrezepten und Onlinespielen ergänzt. Etwa mit dem Wortratespiel Wordle, das 2021 für einen weltweiten Hype gesorgt hatte.

Konservative, aber auch manche gemässigte Stimmen beklagen zwar, dass das New Yorker Medienhaus zum Opfer seines eigenen Erfolgs geworden sei. Die progressive Leserschaft und linke Journalisten, die man zu sich geholt habe, erwarteten keine offene Debatte und keinen kritischen Journalismus mehr von der «New York Times», sondern wollten nur noch ihre Weltsicht bestätigt sehen. Wirtschaftlich hat diese Auseinandersetzung der «Grey Lady» aber bisher nicht geschadet.

Anders die «Washington Post». Sie brilliert zwar immer noch mit ihren Reportagen und hat 2023 wieder drei Pulitzer-Preise eingeheimst. Ihr ist es bisher aber nicht geglückt, die Leserschaft zusätzlich mit leichteren News an sich zu binden. Mit ihrem Fokus auf Politgeschichten hatte sie es jüngst schwerer als unter Trump.

Auch aus diesem Grund will CEO Lewis – den Bezos erst vor einem halben Jahr engagiert hat, um den wirtschaftlichen Kriechgang zu stoppen – nun innerhalb der «Post» eine dritte Redaktion aufbauen. Sie soll mit Social Media, insbesondere mit Videobeiträgen, und mit Service-Journalismus vor allem junge Leserinnen und Leser erreichen, welche die «Washington Post» bisher nicht in ihren Orbit ziehen konnte. (Bereits heute verfügt die Zeitung, wie es in den USA üblich ist, über eine Nachrichtenredaktion und einen separaten Meinungsteil.) Darüber hinaus plant Lewis neue massgeschneiderte Angebote für zahlungskräftige Stammkunden und insbesondere Unternehmen.

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Noch immer ein Leitmedium: Der damalige US-Präsident Donald Trump hielt im Februar 2020 an einem öffentlichen Anlass eine Ausgabe der «Washington Post» in die Höhe, nachdem er vom Senat im Impeachment-Verfahren freigesprochen worden war. Evan Vucci / AP

Exklusiver Klub der Gewinner

Nicht vernachlässigen kann man, dass der Medienwandel keineswegs «überstanden» ist, sondern Jahr für Jahr weiter voranschreitet. Untersuchungen des Pew Research Center zeigen, dass die Auflagen der amerikanischen Tageszeitungen weiter stark rückläufig sind.

Zudem würden junge Amerikaner kaum mehr eine Tageszeitung in die Hand nehmen – und auch zusehends auf lineares Fernsehen verzichten. Wenn sie Nachrichten konsumieren, dann oftmals, weil sie über ihre bevorzugten sozialen Netzwerke, etwa Instagram und Tiktok, darauf stossen. Auf diesen Plattformen müssen Inhalte aber anders ausgespielt und beworben werden, um Aufmerksamkeit zu erhalten.

Nur wenige Traditionsmedien schaffen es, sich diesem negativen Trend zur Überalterung zu entziehen. Die «Washington Post» profitierte, wie andere Weltblätter, zeitweise insofern von der Digitalisierung, als diese unter den Medienhäusern einen «Winner takes it all»-Effekt erzeugt. In der alten Print-Welt war die «Post» nur beschränkt Konkurrentin der Lokal- und Regionalzeitungen; dank Online-Abonnements ist sie es heute.

Die «Washington Post» profitierte, ähnlich wie die «New York Times», das konservative «Wall Street Journal» oder auch die britische «Financial Times» («FT») und der «Economist», von ihrem globalen Ruf und einer wachsenden, englischsprachigen Weltbürger-Community: gut verdienende Managerinnen und Beamte etwa, die sich aus erster Hand über das Weltgeschehen informieren möchten und dafür zu zahlen bereit sind. Erst die Digitalisierung ermöglichte es den Weltmedien, diese global verstreute Community schnell und günstig anzusprechen – auch zulasten lokaler Traditionsmedien.

Doch während die «Washington Post» jetzt zu kämpfen hat, ziehen die anderen Titel weiter davon. Die «FT» konnte ihre Abonnentenzahl jedenfalls im vergangenen Jahrzehnt stetig ausbauen auf mittlerweile über eine Million zahlende Kunden; obwohl sie weiterhin primär als Wirtschaftszeitung gilt. Auch der «Economist» bringt es weltweit auf knapp 1,2 Millionen Abonnements; über 60 Prozent davon inzwischen digital. Das «Wall Street Journal» zählte Mitte 2023 fast 4 Millionen Abonnenten, wie aus der Berichterstattung seines Mutterkonzerns, News Corporation, hervorgeht.

Der fortlaufende Trend zur Konsolidierung macht die gegenwärtige Lage der «Washington Post» gefährlich. Sollte sie dereinst aus dem exklusiven Kreis an globalen Leitmedien ausscheiden, droht ihr ein umso tieferer Fall; und es brauchte erneut einen Turnaround und Jeff Bezos’ dickes Portemonnaie. Laut seinen bisherigen Aussagen möchte Bezos das um jeden Preis vermeiden. Wohl auch deshalb will sein CEO nicht bis zu den Wahlen zuwarten, um den Rotstift anzusetzen.

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Die «Washington Post» ist noch immer eine der bekanntesten und wichtigsten Zeitungen der USA. Sarah Silbiger / Reuters

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