Wenn die Attacke kommt, kommuniziert Céline Dion nur noch durch Stöhnen
Die Sängerin leidet am Stiff-Person-Syndrom. Nun ist das Ausmass der seltenen Krankheit in einem Dokumentarfilm zu sehen.
Ungeschminkt, zu Hause, bei der Physiotherapie: Céline Dion zeigt ihr neues Leben fernab vom Glamour der grossen Bühnen.
Was passiert, wenn eine der ganz grossen Diven ihrer Zeit genau das, was sie zur Diva macht, nicht mehr tun kann, zeigt die Regisseurin Irene Taylor in diesem aussergewöhnlich offenen, schmerzhaften Dokumentarfilm. Céline Dion verkündete im Dezember 2022 in einem Video, das sie auf Instagram veröffentlichte, dass sie am Stiff-Person-Syndrom leidet.
Einer seltenen Krankheit, die Muskeln spasmisch verkrampfen lässt. Wie lange sie ihre Erkrankung zuvor geheim gehalten hatte, sagt Dion erst jetzt, in diesem Film. Vor 17 Jahren habe es angefangen, erst selten, dann immer häufiger entglitt ihr die Kontrolle über ihre Stimme, weil die Muskeln um die Lunge herum verkrampften, konnte sie nicht mehr gehen, musste Konzerte abbrechen oder schaffte es erst gar nicht auf die Bühne.
Céline Dion – harte Gegenwart und kräftige Musik
Wie schwer ihr das fiel, betont sie in «I am: Céline Dion» immer wieder. Aus Pflichtgefühl ihren Fans gegenüber, den Leuten, die viel Geld für ihre Auftritte bezahlen und sie zu einer der reichsten Künstlerinnen der Welt gemacht haben. Aber auch aus einer tiefen Liebe zum Singen und Performen, die man ihr, ohne zu zögern, abnimmt. «Es ist nicht schwer, eine Show zu machen», sagt sie. «Was schwer ist, ist, eine Show abzusagen.»
Wie weit es dafür kommen musste, sieht man gegen Ende des Films, als einer ihre Anfälle in voller Länge gezeigt wird. Ihr Gesicht verkrampft zu einer Grimasse, Tränen schiessen ihr aus den Augen, kommunizieren kann sie nur durch Stöhnen. Ein Notfallteam hebt sie auf eine Trage.
«Ich will nicht, dass die Leute das hören»
Irene Taylors Film zieht seine immense Wirkung aus dem Kontrast zwischen Céline Dions Gegenwart – Physiotherapie, viele Tabletten, die Angst vor einem neuen Anfall – und Konzertmitschnitten aus ihrer langen Karriere. Ihre Stimme sei die Dirigentin ihres Lebens, sagt sie.
Und das soll vorbei sein? Im Film sieht man, wie Dion noch immer regelmässig vom Sprechen ins Singen übergeht, im Umgang mit ihren beiden Teenagersöhnen, mit ihrem Team von Therapeuten und wenn sie die Kamera durch die Halle führt, in der all ihre Bühnenoutfits, Designerschuhe und Andenken an die alte Céline lagern. Als sie später zeigt, was passiert, wenn sie versucht zu schmettern wie einst, bricht ihre Stimme, wird rau. Sofort schiessen ihr Tränen in die Augen: «Ich will nicht, dass die Leute das hören.»
Das Stiff-Person-Syndrom ist nicht heilbar. Und trotzdem sieht man Dion trainieren und beim Versuch, ein neues Lied aufzunehmen. Sie will tatsächlich zurück auf die Bühne. Man wünscht ihr dieses Happy End von Herzen. Dieser Dokumentarfilm zeigt: Wahrscheinlich ist es nicht.
I am: Céline Dion, vom 25. Juni an bei Amazon Prime.
Starten Sie jeden Tag informiert in den Tag mit unserem Newsletter der Morgen. Melden Sie sich hier an.