Wer hat Angst vor Robert F. Kennedy? Wie die Demokraten den Aussenseiter zu blockieren versuchen
Der unabhängige Kandidat für die Präsidentschaftswahl ;Robert F. Kennedy sprach am 24. Mai am Parteitag der Libertären in Washington (DC). Will Oliver / Keystone
Unabhängige Präsidentschaftskandidaten haben in den USA keine Chance. Zu zementiert ist das Zweiparteiensystem, zu sehr frönt die amerikanische Haudegen-Demokratie dem «Winner take it all»- Prinzip. Und trotzdem gibt es auch 2024 wieder einige Aspiranten, die versuchen, das Feld aufzumischen. Wer mag es ihnen verübeln, in einem Wahljahr, in dem zwei Hochbetagte gegeneinander antreten, beide hochgradig unbeliebt.
Sogenannte Drittkandidaten können nicht siegen. Aber sie können in den engen Rennen um die Präsidentschaft einen überdimensionierten Einfluss auf das Wahlresultat ausüben. So geschah es im Jahr 2016. Die grüne Politikerin Jill Stein holte in den matchentscheidenden Swing States Pennsylvania, Michigan und Wisconsin zwar bloss rund 1 Prozent der Stimmen. Aber der Wahlausgang war in diesen Teilstaaten äusserst knapp: Hätten ihre Wähler stattdessen Hillary Clinton gewählt, wäre diese Präsidentin geworden und nicht Donald Trump.
Ein Kennedy als Gefahr für die Demokraten
Es war eine bittere Erfahrung für die Demokraten, und sie könnte sich dieses Jahr wiederholen. Es gibt drei national bekannte unabhängige Kandidierende: erneut die Grüne Jill Stein, der Bürgerrechtler Cornell West und Robert F. Kennedy. Der Neffe von Präsident John F. Kennedy stiehlt in dieser Kampagne den Kollegen die Show. Umfragen zeigen, dass rund 10 Prozent der Wähler den ehemaligen Demokraten unterstützen. Insbesondere bei Latinos scheint der Name Kennedy hoch im Kurs zu sein – einer Wählergruppe, die massgeblich beeinflussen wird, ob Biden oder Trump die zwei Swing States im Südwesten der USA, Nevada und Arizona, gewinnen wird.
Die Unterstützung wird während des Wahlkampfs wohl noch schrumpfen, wie oft bei unabhängigen Kandidaturen. Aber die derzeit famosen Umfragewerte von Kennedy reichen aus, um die Demokraten in Alarmbereitschaft zu versetzen. Dass Kennedy die schwerreiche Nicole Shanahan und Ex-Frau des Google-Mitgründers Sergey Brin als seine Vizepräsidentin an Bord geholt hat, schmälert ihre Sorgen nicht.
Ein Hang zu Verschwörungstheorien
Der 70-jährige Anwalt und Umweltaktivist präsentiert sich als Crossover-Kandidat. Er tritt gegen die zwei Polparteien als Mitte-Kandidat an; er will die über 40 Prozent Amerikaner ansprechen, die sich in Umfragen vom vergifteten politischen Klima desillusioniert zeigen. Er will gegen die «Gier des Kapitals» ebenso antreten wie gegen das demokratische Establishment, von dem er sich entfremdet fühlt. Doch ein Politiker der Mitte ist Kennedy nicht.
Robert F. Kennedy tritt am 19. Mai ;an einem Wahlkampfanlass in Aurora, Colorado, auf. Kevin Mohatt / Reuters
Vielmehr macht er mit wirren Ideen von sich zu reden. Der militante Impfgegner hat behauptet, dass via Corona-Impfungen Mikrochips implantiert würden, um die Bevölkerung zu kontrollieren. Oder dass Antidepressiva Amokläufe in Schulen auslösten. Mal sagt er, wie aus dem Drehbuch des Kremls, die Nato habe den Krieg in der Ukraine provoziert. Dann will er den amerikanischen Haushalt auf Blockchain umstellen.
Er glaubt weiterhin daran, dass sein berühmter Onkel JFK vom CIA umgebracht wurde, und kürzlich bezeichnete er die Aufständischen vom 6. Januar als Aktivisten, deren Grundrechte die Justiz verletzt habe. Als Präsident würde er alle Verurteilten begnadigen, versprach Kennedy gegenüber amerikanischen Medien. Dann entschuldigte er sich dafür.
So bizarr das politische Programm ist, der Name Kennedy wirkt magisch auf seine Anhänger. Selbst die brüchige Stimme des Sprösslings der demokratischen Königsfamilie in der Republik scheint seine Fans nicht abzuschrecken. Kennedy kämpft mit gesundheitlichen Problemen: Er leidet unter einer angeborenen Herzschwäche, und 2010 drang ein parasitärer Wurm in sein Hirn ein und richtete neurologischen Schaden an.
Die Kennedys gegen Kennedy
Es ist einfach, sich über Robert F. Kennedy lustig zu machen, und so manche Late-Night-Show in den USA hat es schon getan. An vorderster Front der Komik-Attacke steht die Kennedy-Familie selbst. Der Neffe des Kandidaten und Enkel von JFK, Jack Schlossberg, postet regelmässig Politsatire auf Instagram. So schlüpft er etwa in die Rolle eines russischen Putin-Anhängers und schwört, Robert F. Kennedy seine Stimme zu geben. Schlossberg und seine Mutter Caroline Kennedy traten in der «Today Show» auf NBC auf und grenzten sich von den politischen Ambitionen ihres Verwandten mit klaren Worten ab und empfahlen Joe Biden zur Wiederwahl.
Das Zerwürfnis kam, nachdem Kennedy in der Halbzeitpause des Mega-Sportereignisses Super Bowl eine Werbung spielen liess, die ihn als politischen Erben von JFK feierte. So was tut man nicht im Kennedy-Clan.
Die Kampagne der Kennedy-Familie gegen ihren politisch ambitionierten Verwandten stellt indes nur die Spitze des Eisbergs dar. Die Demokraten nämlich nehmen die Kandidatur von Robert Kennedy sehr ernst. Das zeigen ihre Bemühungen, dessen Kampagne zu neutralisieren.
In den letzten Monaten stellten die Demokraten einen Stosstrupp zusammen, um unabhängige Kandidaten zu bekämpfen. Das Democratic National Committee gründete zum ersten Mal ein Sondereinsatzteam. «Wir stehen vor einer noch nie da gewesenen Wahl, und wir wissen, dass die Republikaner daran arbeiten, Kandidaten wie Robert F. Kennedy zu unterstützen, um sie zu Marionetten für Donald Trump zu machen», sagte der demokratische Politstratege Matt Corridoni gegenüber NBC News. Der Vorwurf ist mehr als eine Verschwörungstheorie: So unterstützt der konservative Milliardär Tim Mellon sowohl Donald Trump wie Kennedy.
Rechtsstreit um den Wohnort von RFK
Die Demokraten schrecken vor Trolling-Methoden nicht zurück: In den sozialen Netzwerken kursieren unvorteilhafte Memes, und ein Anti-RFK-Bus fährt bei Wahlkampfanlässen von Kennedy vor. Die Biden-Kampagne wiederum gründete die politische Aktionsgruppe Clear Choice, um Drittkandidaten mit rechtlichen Mitteln zu bekämpfen. Die Anstrengungen fokussieren auf den Wohnort von Robert F. Kennedy. Die Anwälte von Clear Choice haben Anfang Juni bei der Wahlkommission des Teilstaats New York Beschwerde erhoben. Der Präsidentschaftskandidat habe gelogen, als er Kantonah, New York, als seinen Wohnort angegeben habe. Er lebe tatsächlich zusammen mit seiner Ehefrau in Malibu, Kalifornien. Deshalb müsse er von der Wahlliste in New York gestrichen werden.
Das Wahlgesetz in New York schreibt vor, dass der Wohnort der Lebensmittelpunkt sein müsse. Robert Kennedys Kampagne streitet die Vorwürfe ab. Doch Recherchen der «New York Times» haben ergeben, dass es sich beim angeblichen Wohnort um das Haus einer Freundin der Familie handelt. Falls die Demokraten sich in der Wohnortsfrage durchsetzen können, wäre Kennedys Kandidatur auch in anderen Teilstaaten gefährdet, in denen er New York als Wohnort angegeben hat. Kandidaten in den US-Präsidentschaftswahlen müssen je nach Teilstaat unterschiedliche Bedingungen erfüllen, um zur Wahl aufgestellt zu werden, üblicherweise eine bestimmte Anzahl Unterschriften. Kennedy ist momentan erst in 5 Teilstaaten zur Wahl zugelassen.
Robert F. Kennedy ist nicht Joe Bidens Hauptproblem, aber er ist eines von vielen. Die Demokraten halten es für genügend gross, um substanzielle Ressourcen für eine Gegenkampagne aufzuwenden. Robert F. Kennedy ist um eine Antwort nicht verlegen: «Präsident Biden stellt eine viel grössere Gefahr für die Demokratie dar als Trump», sagte er gegenüber CNN.