Bauern drohen Diesel-Privileg zu verlieren, SVP warnt vor Protesten
Bauern erhalten verbilligten Diesel für ihre Traktoren. Eine breite Allianz will diesen Vorteil nun abschaffen. «Einfach nur dumm», findet SVP-Chef Marcel Dettling.
Bauern erhalten verbilligten Diesel für ihre Traktoren. Eine breite Allianz will diesen Vorteil nun abschaffen. «Einfach nur dumm», findet SVP-Chef Marcel Dettling.
Fast alle der 180’000 Traktoren im Land fahren mit Diesel: Bauernprotest im März 2024 in Wolhusen LU.
«Einfach nur dumm»: SVP-Präsident Marcel Dettling reagiert mit markigen Worten auf einen neuen Vorstoss, der auf ein Privileg der Bauern zielt. Heute erhalten Landwirte – anders als etwa Autofahrer – die Mineralölsteuer zurückerstattet, die beim Kauf fossiler Treibstoffe anfällt, etwa Diesel für die Traktoren. Dasselbe gilt für Schifffahrtsunternehmen, Berufsfischer und Pistenfahrzeuge.
GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy verlangt nun die Abschaffung dieser Subvention. So würde die Bundeskasse pro Jahr um etwa 80 Millionen Franken aufgestockt – Geld, das der Bund angesichts der angespannten Finanzlage gut brauchen könnte, wie Bertschy findet. Unterschrieben haben den Vorstoss Vertreter von FDP, Grünen, SP und EVP. In beiden Kammern verfügen diese Parteien mit der GLP je über eine knappe Mehrheit.
1500 Franken pro Betrieb
Welch potenzielle Sprengkraft die Forderung hat, zeigt ein Blick nach Deutschland. Als die Bundesregierung im letzten Dezember die Agrardieselrückerstattung streichen wollte, gingen die Landwirte auf die Strasse – die Protestwelle schwappte später in die Schweiz.
«Einfach nur dumm»: SVP-Chef Marcel Dettling kritisiert den Angriff auf die Bauern.
Die hiesigen Bauern, sagt jetzt SVP-Chef Dettling, würden bereits unter hohen Stromkosten leiden. «Wenn Frau Bertschy nun auch noch den Treibstoff verteuern will, sind grosse Proteste absehbar.» Gemäss Bauernverband erhält ein Betrieb dank der Rückerstattung heute durchschnittlich gegen 2000 Franken pro Jahr.
Bertschy denkt jedoch nicht daran, den Vorstoss zurückzuziehen. Sollte es politisch gewünscht sein, liesse sich ihrer Ansicht nach über andere Formen der finanziellen Unterstützung sprechen. «Diese Subvention aber ist ein alter Zopf.»
Geltend macht die Berner Politikerin nicht nur finanzielle Überlegungen, sondern auch ökologische – im Einklang mit Experten. 2020 haben Wissenschaftler die Rückerstattung als eine von mehr als 160 umweltschädlichen Subventionen identifiziert. Zwei Jahre zuvor resümierte die Eidgenössische Finanzkontrolle, die Rückerstattung untergrabe internationale Klimaschutzverpflichtungen der Schweiz.
«Diese Subvention ist ein alter Zopf», sagt GLP-Politikerin Kathrin Bertschy.
Bauernchef und Mitte-Nationalrat Markus Ritter bestreitet das: «Die Rückerstattung wirkt jetzt schon treibstoffsparend.» Seine Überlegung: Landwirte, die überproportional viel Diesel verbrauchen, werden bestraft, weil sie weniger Geld zurückerhalten, als wenn sie den Treibstoff sparsam einsetzen würden.
Bertschy sieht es anders: Fossile Treibstoffe wie Diesel verursachten CO2-Emissionen, die durch die Rückerstattung der Mineralölsteuer noch gefördert würden. Die Abschaffung ist aus ihrer Sicht deshalb ein «notwendiger Schritt», um die Klimaziele der Schweiz zu erreichen.
Das Problem mit den Elektro-Traktoren
Doch daran bestehen Zweifel. Theres Beutler-Knüsel ist Geschäftsführerin der Rigitrac Traktorenbau AG mit Sitz in Küssnacht am Rigi SZ. Die Firma stellt Traktoren her, auch Elektrotraktoren, die im Betrieb kein CO2 ausstossen. Beutler-Knüsel sagt, die Akkuleistung reiche heute nur für kleine und mittlere E-Traktoren, die dann etwa im Obstanbau oder in Gemeinden für leichtere Arbeiten wie Rasenmähen zum Einsatz kämen. Auf einem klassischen Bauernbetrieb dagegen müssten Traktoren mit hoher Leistung im Dauerbetrieb grosse Flächen bewirtschaften.
Zwar forschen Traktorenhersteller an Alternativen, etwa an Elektrotraktoren mit Wasserstoff-Unterstützung. Allerdings seien diese Alternativen noch längst nicht marktreif, so Beutler-Knüsel.
Kosten viel höher
In der Schweizer Landwirtschaft gibt es heute gemäss Schweizer Bauernverband etwa 180’000 Traktoren und zusammen mit Hofladern und Erntemaschinen rund 197’000 Dieselfahrzeuge. Davon sind nur rund 700 mit alternativem Antrieb oder grünen Treibstoffen unterwegs.
Der Umstieg, so legen diese Zahlen nahe, dürfte also lange dauern. Hinzu kommt: Die Alternativen sind, zumindest vorderhand, noch deutlich teurer. Ein herkömmlicher Traktor kostet etwa 100’000 Franken, ein Elektromodell das Doppelte, wie Beutler-Knüsel vorrechnet.
Sie ist darum überzeugt: «Den Agrardiesel nicht mehr zurückzuerstatten, würde der Umwelt nichts bringen und nur die Bauern bestrafen.» Bertschy entgegnet: «Die Transformation ist unausweichlich. Wir unterstützen sie besser, als dass wir sie mit schädlichen Subventionen ausbremsen.»
Wir schicken Sie informiert in den Feierabend mit unseren Newsletter BaZ der Abend. Melden Sie sich hier an.