Fußball-EM: Gott pfeift alles

Der VAR machte den Schiedsrichter allsehend, Herrscher über die Zeit ist er sowieso. Jetzt ist er auch noch unantastbar.

fußball-em: gott pfeift alles

Der slowakische Schiedsrichter Ivan Kružliak macht deutlich, in welche Richtung das Spiel geht: wo er hinzeigt.

Maradona, Messi, Alex Meier. Wie viele Spieler wurden schon zu Fußballgöttern ausgerufen. Auch diese Europameisterschaft hätte einige Anwärter auf einen Platz im Pantheon, das hat die Vorrunde gezeigt. Allerdings tragen die nicht portugiesisches Burgund oder französisches Blau. Sondern neutrales Blau.

Die zu dieser Europameisterschaft neu eingeführte Regel, dass nur noch der Kapitän oder sein Stellvertreter sich beschweren darf, hat es besiegelt: Im Fußball gibt es nur noch einen Gott. Den Schiedsrichter.

Früher war er ein Rechtsprecher, dessen Autorität sich vor allem daraus ableitete, dass sich alle darauf geeinigt hatten, sie mehr oder weniger zu akzeptieren – und nicht etwa daraus, dass man ihn für unfehlbar hielt oder dass er es gar war. Heute hingegen ist der Schiedsrichter mit einer Allmacht ausgestattet, welche die Person, die das Amt ausübt, transzendiert.

Nichts, was auf dem Platz passiert, entgeht ihm. Dank Videoassistent, Torlinientechnik und Sensor im Ball, der jede Berührung in eine Fieberkurve überträgt, ist der Schiedsrichter allsehend geworden. Jeder vermeintlich unauffällige Schubser im Strafraumkuddelmuddel wird geahndet. Sogar die Bank steht unter ständiger Beobachtung. Niemand kann sich mehr sicher wähnen.

Und der Schiedsrichter ist Herr über die Zeit. Er kann sie verlangsamen, anhalten, sogar zurückspulen. Seine technische Ausrüstung hat ihn zum wahren freudschen Prothesengott werden lassen: einem Menschen, der durch Wissenschaft und Technik der Wunschvorstellung von Perfektion immer näher kommt.

Sein Wort auf dem Platz ist Gesetz. Nur ein Spieler pro Mannschaft darf nun noch mit ihm diskutieren. Und auch das nur, um Erklärungen für Schiedssprüche einzufordern, nicht etwa, um ihn umzustimmen. Der Schiedsrichter ist sakrosankt.

Hin und wieder fordert noch ein Spieler zaghaft aus der Entfernung einen Eckball oder einen Freistoß. Aber mit Schaum vorm Mund auf den Schiri zurennen und ihn aus nächster Nähe anbrüllen wie einst Michael Ballack oder Gennaro Gattuso, das traut sich keiner mehr. Wenn doch, dann kassiert der Ketzer, noch bevor er in Spuckweite ist, eine Gelbe Karte. Wird zwar nicht gleich des Platzes, aber doch auf seinen Platz verwiesen.

Dass die Spieler gezwungen werden, ihre Emotionen zu kontrollieren, ist ein zivilisatorischer Fortschritt. So würde es auch der Soziologe Norbert Elias – nicht verwandt oder verschwägert mit dem ehemaligen brasilianischen Nationalspieler Elias – sehen. Er erklärte die Tabuisierung von Gewalt, indem man sie Regeln und Etikette unterwarf, zu einem Teil der gesellschaftlichen Entwicklung.

Und genau das tut der Fußball mit seinen neuen Regeln und dem omnipotenten Schiedsrichter: Er versucht, die chaotische Komponente der Gewalt aus dem Spiel zu nehmen.

Natürlich gelingt das nicht vollständig. Im Fußball wie im Universum strebt eben alles Richtung Chaos. Die Energie, die eingespart wird bei fruchtlosen Schreidebatten zwischen Schiedsrichtern und Spielern, die eh stets in babylonischem Sprachgewirr enden und nie in zufriedenstellender Klärung, wird umgelenkt. Hin zum Spiel.

In dieser neuen Welt ergibt es wenig Sinn, liegen zu bleiben, um einen Pfiff herbeizujammern. Ist man gefoult worden, so wird es eines der vielen Augen des Schiedsrichters registriert haben. Der Pfiff wird folgen, insofern der Allmächtige denn gütig ist. Und wenn nicht, dann nicht. Es heißt also: hinfallen, aufstehen, weitermachen. In dieses Weitermachen fließt dann alle Wut, aller Ärger. Das Spiel wird, buchstäblich, energiegeladen.

Wer nicht mitzieht, verliert. So wie Willi Orbán im Spiel der Ungarn gegen die Deutschen: Der wurde von İlkay Gündoğan in einem Zweikampf im Strafraum unsanft, aber nicht irregulär aus dem Weg geschoben, ging zu Boden und reklamierte. Zwei seiner Abwehrkollegen taten es ihm mit erhobener Hand nach. Der Schiedsrichtergott ließ sich nicht erweichen, das Spiel lief weiter, der Ball zu Jamal Musiala – und der schoss ihn ins Tor.

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