Schweizer Rentner lassen sich scheiden, um mehr AHV zu bekommen
Der Bundesrat lehnte die Abschaffung der Heiratsstrafe ab. Das führt zu mehr Scheinscheidungen. Damit können bis zu 1000 Franken mehr Rente im Monat rausspringen.
Diese Woche wurde die Abschaffung der AHV-Heiratsstrafe vom Bundesrat abgelehnt. Ehepaare erhalten weiterhin eine tiefere AHV-Rente als unverheiratete Paare. Diese Regelung führt zu Scheinscheidungen.
Der Zürcher Anwalt Roger Groner erzählt der «SonntagsZeitung», dass sich jährlich vier bis fünf Ehepaare bei ihm scheiden lassen, nur um mehr AHV-Rente zu bekommen. Danach leben sie aber weiterhin zusammen unter einem Dach.
Scheinscheidungen nehmen in den letzten Jahren zu
Wie eine Auswertung des Bundesamts für Statistik zeigt, liegt die Zahl der Scheidungen gesamtschweizerisch bei den 64-jährigen Frauen rund ein Drittel höher, als die Trendlinie erwarten lässt. Es ist deshalb naheliegend, dass die Pension damit zusammenhängt. Bis vor kurzem wurden Frauen in diesem Alter regulär pensioniert. Der Trend der Scheinscheidungen habe sich laut Groner in den letzten Jahren verstärkt. Insgesamt sind 14 Prozent der Rentnerinnen und Rentner geschieden und 69 Prozent verheiratet.
Geschiedene erhalten 1225 Franken mehr im Monat
Geschiedene, beziehungsweise unverheiratete Paare, erhalten im Monat bis zu 1225 Franken mehr AHV-Rente als verheiratete. Pro Person ist eine Rente von maximal 2450 Franken möglich, was für unverheiratete Paare also 4900 Franken bedeutet. Bei Verheirateten gilt hingegen, dass sie gemeinsam höchstens das Eineinhalbfache der Einzelrente erhalten. Im besten Fall bekommen sie also 3675 Franken.
Die Scheinscheidung ist somit rein finanziell eine sinnvolle Idee, vor allem da man laut dem Anwalt keine Sorgen wegen hohen Scheidungskosten haben muss. Lässt man sich nur aufgrund der Rente scheiden, sei ein Anwalt gar nicht nötig. Die anfallenden amtlichen Gebühren beliefen sich auf etwa 1500 Franken. Rechtlich sind Scheinscheidung laut Groner im Gegensatz zu Scheinehen zudem unproblematisch.
Für wen lohnt sich die Scheinscheidung tatsächlich?
Es muss jedoch angefügt werden, dass sich die Scheinscheidung nicht für alle Rentnerpaare lohnt. Nur wenn beide Eheleute eine AHV-Rente haben, die nahe beim Maximalwert liegt, können sie als geschiedenes Paar mehr erhalten, als wenn sie verheiratet sind. «Die Scheidung lohnt sich in der Regel erst, wenn beide Ehepartner während ihres Arbeitslebens im Schnitt mindestens je 70’000 Franken verdient haben», so Groner.
Die Scheinscheidung kann zudem zur Falle werden, wenn einer der Partner stirbt. Hinterlässt die Person ein Vermögen, muss die hinterbliebene Person Erbschaftssteuer zahlen. Bei verheirateten Paaren ist dies nicht der Fall.
Ehepaare erhalten zusätzliche Rentenleistungen
Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider begründet den Entscheid, die Heiratsstrafe nicht abzuschaffen, damit, dass die Umsetzung zu teuer wäre, nachdem die AHV nun auch die 13. Rente finanzieren muss.
Wie die «Sonntagszeitung» schreibt, sind Ehepaare zudem in vielen anderen Szenarien gegenüber unverheirateten Paare im Vorteil. Sie bekommen nämlich nach dem Tod eines Ehepartners Witwenrenten und unter Umständen weitere Rentenleistungen. Insgesamt zahlt die AHV für ehespezifischen Leistungen pro Jahr etwa 400 Millionen Franken mehr, als dass sie mit der als ungerecht empfundenen Heiratsstrafe spart.