Nach dem Biden-Debakel: Könnte Gavin Newsom die Demokraten retten?

nach dem biden-debakel: könnte gavin newsom die demokraten retten?

Er sticht heraus: Gavin Newsom in Atlanta, wo Joe Biden und Donald Trump beim ersten TV-Duell aufeinandertrafen. Andrew Harnik / Getty

Ausgerechnet Gavin Newsom, der demokratische Politstar der Westküste, war beim Schlagabtausch zwischen Donald Trump und Joe Biden in Atlanta vor Ort. Aus nächster Nähe sah er, wie der demokratische Präsident vor Millionen von Zuschauern mit starrem Blick, offenem Mund und wirren Sätzen regelrecht unterging. Gleich nach dem TV-Duell stellte sich der kalifornische Gouverneur demonstrativ hinter den 81-Jährigen und redete die miserable Leistung Bidens schön. Newsom behauptete, dieser habe «in der Substanz» die Debatte gewonnen. «Und wir werden ihm jetzt doch nicht nur aufgrund eines Auftritts den Rücken zukehren – was für eine Partei tut denn so etwas?»

Viele fragten sich, was Newsom eigentlich in Atlanta zu suchen hatte. Newsom sah wie immer aus wie aus dem Ei gepellt, inmitten der dicht gedrängten Journalisten und Fotografen, mit perfekt sitzendem Anzug, mit Gel im Haar und breitem Lächeln. Dass er Ambitionen für die Präsidentschaftswahlen 2028 hat, ist unbestritten. Doch will er nicht jetzt schon ins Rennen ums Weisse Haus steigen? Jetzt, da Biden Amerika und der ganzen Welt bewiesen hat, dass er schlicht zu alt ist für den Job? Fragen nach eigenen Ambitionen auf das Weisse Haus wies Newsom in Atlanta allerdings zurück. Er sagte, er sei ein «altmodischer Typ» und loyal gegenüber Biden. Der habe als Präsident «Meisterleistungen für Amerika erbracht».

Gross auf Fox News

Newsom ist aber nicht erst seit dem Fernsehduell ganz oben auf der Liste derjenigen, die Biden nun kurz vor dessen offizieller Nomination als Präsidentschaftskandidat vielleicht doch noch ersetzen könnten. Viele Republikaner, aber auch einige Demokraten sind überzeugt, dass er schon seit langem eine «Schatten-Kampagne» führe für die Präsidentschaft. Schon im Juni vergangenen Jahres fragte ihn der Fox-News-Moderator Sean Hannity in einem Interview, wie oft Newsom am Tag Textnachrichten bekomme auf seinem Handy, in denen er darum gebeten werde, doch ins Rennen zu steigen. Er sei doch viel beschlagener, artikulierter und energischer als Biden.

Tatsächlich war Newsom auf dem konservativen Sender eine Zeitlang omnipräsent und scheute keine Auseinandersetzung, vor allem kreuzte er mit dem republikanischen Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, leidenschaftlich gerne die Klingen. Ein Duell mit ihm wurde bei Fox als «Great Red vs. Blue Debate» (Die grosse Rot-gegen-Blau-Debatte) angepriesen. Und da zeigte er, wie schlagfertig, angriffig und geradezu prädestiniert er wäre für den Topjob. Er rügte DeSantis wegen dessen Kampagne gegen LGBTQ-Menschen und für die Tilgung der Sklaverei aus den Schulbüchern. Bidens Berater sahen nicht besonders gerne zu, wie sich Newsom auf Fox als progressive Stimme profilierte.

Jetzt wirken Newsoms Auftritte als getreuer Paladin besonders fadenscheinig. Wartet er nicht einfach darauf, dass Biden zum Rücktritt gedrängt wird? Das Timing wäre nicht schlecht. Anfang 2027 läuft seine zweite und letzte Amtszeit als Gouverneur von Kalifornien aus. Wohin sollte er sonst mit seinen Talenten und diesen präsidialen Haaren?

In der Demokratischen Partei und bei den grossen Geldgebern wird Newsoms Name derzeit hinter verschlossenen Türen sicher gross gehandelt. Denn dort herrscht seit Donnerstagabend die totale Panik. Ein Partei-Insider sagte der «New York Times» anonym: «Politische Gruppen existieren, um zu gewinnen. Und der Mann auf der Bühne mit Trump kann nicht gewinnen.» Hätte denn Newsom eine Chance auf die Präsidentschaft?

Der 57-Jährige stammt aus der kalifornischen Elite in San Francisco. Der Vater William Alfred Newsom III war Berufungsrichter, ein Vertrauter des früheren Gouverneurs Pat Brown und Vermögensverwalter der Öl-Dynastie Getty. Gavin Newsom ist zudem mit Nancy Pelosi verwandt, der langjährigen demokratischen Sprecherin des Repräsentantenhauses in Washington. Diese Beziehungen dürften ihm bei seinen Ambitionen sicher helfen.

Allerdings erlebte Newsom auch schwierige Jahre. Nach der Scheidung der Eltern – damals war er Teenager – lebte er bei der verarmten Mutter. In der Schule und in der Nachbarschaft wurde er gemobbt wegen seiner Topffrisur und einer Lese- und Schreibstörung. In einem Interview mit dem Magazin «Atlantic» sagte er kürzlich: «Eigentlich bin ich immer noch dieser Bub.» Doch Newsom wurde grösser, brillierte im Sport und holte sich dort Lorbeeren und Selbstvertrauen. Vielleicht für den Weg ganz nach oben.

Nach dem Studium an dem von Jesuiten geführten Santa Clara College gründete er die Winzerei «Plump Jack Winery» im Napa Valley. Mit der Spezialisierung auf edle Cabernet Sauvignons wurde die Firma bald erfolgreich und expandierte in Restaurants und Geschäfte in und um San Francisco. Newsom wurde reich. Geholfen hat dabei der Öl-Erbe Gordon Getty als stiller Teilhaber. Newsom stieg dann über Spendenveranstaltungen für den populären Stadtpräsidenten Willie Brown in die Politik von San Francisco ein. Das war 1995. Es dauerte nicht lange, bis der athletische und gutaussehende Mann schon acht Jahre später selbst den Sprung ins Stadtpräsidium schaffte.

Newsom kurbelte den Bau erschwinglicher Mietwohnungen an, brach zudem mit Gliedstaats-Gesetzen und öffnete die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Damit wurde er landesweit bekannt und ein Hoffnungsträger progressiver Demokraten. Sein weiterer Weg zum Vize-Gouverneur 2011 und acht Jahre später zum Spitzenamt lief ohne grössere Hürden.

Allerdings fiel Newsom immer wieder durch private Fehltritte auf. Eine erste Ehe mit der Staatsanwältin und TV-Kommentatorin Kimberly Guilfoyle scheiterte 2005. Zuvor liess sich das Paar in sinnlicher Pose und perfekt gestylt auf einem Teppich in der Villa von Anne Getty als «neue Kennedys» ablichten, heute ist das nur noch peinlich. Guilfoyle ist inzwischen mit Donald Trump Jr. liiert. Ausgerechnet. Newsom sorgte anschliessend durch Alkoholprobleme für Schlagzeilen und durch Affären etwa mit der Ehefrau seines stellvertretenden Generalstabschefs. Nach einer Therapie heiratete er 2008 die Dokumentarfilmerin Jennifer Siebel. Das Paar hat vier Kinder.

Newsoms letzter grosser Skandal reicht in die Pandemie zurück und zeigt, wie wichtig ihm das Leben in der feinen Gesellschaft ist. Nachdem er mit strikten Lockdowns gegen die Covid-Pandemie vorgegangen war, wurde Newsom im November 2020 mit Freunden und Verbündeten in einem Nobel-Restaurant im Napa Valley fotografiert. Er hat sich allerdings dafür entschuldigt und überstand danach auch ein Amtsenthebungsverfahren.

Schandfleck Downtown San Francisco

Seine politische Bilanz als Gouverneur ist durchzogen. Zwar ist Kalifornien noch immer ein blühender Standort für Software und AI-Firmen. Der Gliedstaat hat die fünftgrösste Volkswirtschaft weltweit. Doch Kalifornien kämpft mit Waldbränden, Dürren und Überschwemmungen. Dazu kommt ein gravierender Mangel an erschwinglichem Wohnraum und eine prekäre Obdachlosigkeit. Hohe Steuern und eine massive Bürokratie machen vielen Firmen das Leben schwer. Kalifornien ist zudem hoch verschuldet, die Steuererträge können mit den Ausgaben nicht Schritt halten.

Newsoms wunder Punkt ist aber vor allem die Downtown von San Francisco, im Besonderen die Viertel Tenderloin und South of Market, wo Drogendealer offen ihre Ware verkaufen und Süchtige sich den Stoff spritzen oder rauchen. Oft sterben sie vor aller Augen an einer Überdosis Fentanyl. Geschäfte sichern ihre Kühlregale mit Ketten, und kein parkiertes Auto ist hier vor Einbruch sicher. Strassen und Wege sind vom Glas zerschlagener Scheiben übersät. Sollte Newsom ins präsidiale Rennen steigen, dürften diese Elendsszenen Trump reichlich Munition bieten.

Ein sicherer Gewinner einer Präsidentschaftswahl gegen Donald Trump ist Newsom also keineswegs. Bei aktuellen Umfragen in Kalifornien sind seine Beliebtheitswerte auf 44 Prozent eingebrochen. Damit liegt er aber immer noch vor Joe Biden – und deutlich vor Kamala Harris, der Vizepräsidentin. Auch sie wird als möglicher Ersatz gehandelt. Ebenfalls im Gespräch sind etwa der Gouverneur von Pennsylvania, Josh Shapiro, und die Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer.

Praktisch gesehen, bleiben den Demokraten noch sieben Wochen bis zum Wahlparteitag in Chicago, um ihren Präsidentschaftskandidaten auszutauschen. Erst dort werden die 4672 Delegierten mit einer einfachen Mehrheit offiziell ihre Führungsfigur küren. Dabei hatte Biden zwar bei den Vorwahlen die überwältigende Mehrheit der Delegierten. Aber diese sind theoretisch nicht an ihn gebunden und könnten sich in Chicago hinter einem Ersatz scharen. Aber das bedingt Bidens Rücktritt. Bleibt er stur, könnte die in Panik geratene Partei einen offenen Aufstand gegen ihn veranstalten. Dann würde der Konvent in Chicago zu einer wüsten Keilerei ausarten, die am Ende vor allem eine zweite Amtszeit von Trump besiegeln könnte.

Vierzehn Stunden nach dem Fernsehdebakel am Donnerstag zeigte sich Biden gewillt, weiterzumachen. Vor Anhängern in Raleigh, in North Carolina, sagte er, das Gehen falle ihm zwar schwer und auch die Worte gingen ihm nicht mehr so glatt über die Lippen. Aber den Job kriege er schon hin. «Und wie Millionen Amerikaner weiss ich: Wenn dich einer niederschlägt, stehst du auf und machst weiter.» Newsom würde ihm da bestimmt zustimmen.

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