«So wird der Fussball lächerlich» – Dänen wettern nach EM-Out über den VAR
Der konsternierte Joachim Andersen nach dem 0:2 aus Sicht von Dänemark.
«Alles, was schiefgehen kann, wird schiefgehen»: Knapp 50 Minuten waren im EM-Achtelfinal zwischen Deutschland und Dänemark gespielt, als die Skandinavier das viel zitierte Gesetz von Murphy am eigenen Leibe erfahren mussten.
Nach einem Freistoss zimmerte Innenverteidiger Joachim Andersen den Ball zum vermeintlichen 1:0 für den Aussenseiter in die Maschen – der frenetische Jubel wurde allerdings jäh vom VAR gestoppt, der bei der Entstehung des Tors ein Offside gefunden hatte. Eine Fussspitze stand Thomas Delaney vor seinem Gegenspieler.
Nur zwei Minuten später meldete sich ebendieser VAR erneut im Ohr von Schiedsrichter Michael Oliver. Und wieder war Andersen an der Szene beteiligt: Der Verteidiger hatte eine Hereingabe von David Raum mit der Hand entscheidend abgelenkt. Nach kurzer Video-Konsultation entschied der Schiedsrichter auf Penalty – diesen verwertete Kai Havertz zur deutschen 1:0-Führung. Es sollte in einem zuvor ausgeglichenen Spiel die Vorentscheidung sein.
Hjulmand versteht VAR-Einsatz nicht
Während sich die Deutschen nach dem 2:0-Sieg über den Viertelfinal-Einzug im eigenen Land freuen, hadert ganz Dänemark. Nicht mit der eigenen Leistung, denn die war durchaus solid, sondern vor allem mit dem Videoschiedsrichter. So hielt Trainer Kasper Hjulmand im Interview mit «TV 2 Sport» das Handy in die Kamera, auf welchem die knappe Entscheidung zu sehen war. Und setzte zu einer Schimpftirade an:
«Ich denke, das ist lächerlich. So wird der Fussball lächerlich.»
Er möge den VAR grundsätzlich, stellte der Coach klar. Aber: «Meiner Meinung nach, wenn eine Entscheidung gut ist, sollte man das vom Mond aus sehen können und es sollte nicht um ein paar Zentimeter gehen.» Bei solchen Zentimeterentscheiden sei der Einsatz des VARs «etwas fraglich».
Das ultraknappe Offside von Thomas Delaney kurz vor Andersens Tor.
Noch ärgerlicher war für Hjulmand aber VAR-Eingriff, der schliesslich zum Penalty für die Deutschen führte. Der 52-Jährige wetterte:
«Ich habe echt genug von dieser lächerlichen Handregel.»
Dänemarks Trainer Kasper Hjulmand ist verärgert.
Dass eine Berührung nach einer Flanke aus so kurzer Distanz geahndet werde, sieht Hjulmand als Problem. «Wir können nicht erwarten, dass unsere Verteidiger mit den Händen auf dem Rücken laufen. Er ist normal gelaufen», bemängelte er. Doch Schiedsrichter Oliver hatte keine Wahl, denn die neue VAR-Grafik zeigte das Handspiel mithilfe eines neuen Chips im Ball klar an.
Der Chip im Ball bestätigt: Andersen lenkt den Ball aus kurzer Distanz mit dem Arm ab.
Andersens emotionale Achterbahn
Auch «Sünder» Joachim Andersen zeigte sich nach dem Spiel fassungslos. «Das sind einige der wildesten Minuten meiner Karriere. Zuerst triffst du, dann bricht alles vor deinen Augen zusammen», beschrieb der Verteidiger seine Gefühlslage. Während er die Aberkennung des Tores verständlich fand («Abseits ist Abseits»), kritisierte er die Penalty-Entscheidung heftig. Diese sei schlicht «Wahnsinn» gewesen, kritisierte der Verteidiger von Crystal Palace:
«Ich weiss nicht, ob wir mit den Händen hinter dem Rücken herumlaufen sollten. Er (David Raum, Anm. d. Red.) ist einen halben Meter von mir entfernt und spielt den Ball an meine Hand. Ich weiss nicht, was ich sonst tun soll. Irgendetwas stimmt im Moment nicht mit den Regeln. In der Premier League würde so etwas nie und nimmer geahndet werden. Wie so etwas in einem der wichtigsten Spiele entschieden werden kann, verstehe ich nicht.»
Während sich die Dänen nach dem Spiel aufregten, zeigten sich die Deutschen natürlich zufriedener mit der Leistung der Schiedsrichter. «Ich kann verstehen, dass die Dänen sich aufregen», sagte Bundestrainer Julian Nagelsmann, hielt aber fest: «Die Regel ist so: Der Arm ist abgespreizt.»
Der Spielbericht:
Dänen-Tor aberkannt, dann trifft Havertz per Penalty – Deutschland im EM-Viertelfinal
Für Deutschland geht das Turnier nun am kommenden Freitag weiter. «Wir wissen, dass wir jeden schlagen können», zeigte sich Verteidiger Joshua Kimmich kämpferisch. Auch im Wissen, dass dann der bislang wohl stärkste Gegner wartet: Spanien, das heute auf den krassen Aussenseiter Georgien trifft. (dab)
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