Ölsanktionen gegen Russland: Dänemark nimmt Kampf gegen Schattenflotte auf
Russland schickt etwa ein Drittel seiner Ölexporte auf dem Seeweg an Dänemark vorbei. Das Land erwägt nun, die Durchfahrt alter Tanker mit russischem Öl durch die Ostsee einzuschränken – nach Drängen der EU.
Ölsanktionen gegen Russland: Dänemark nimmt Kampf gegen Schattenflotte auf
Dänemark prüft zusammen mit weiteren Ländern Möglichkeiten, die Durchfahrt maroder Tanker mit russischem Öl durch die Ostsee einzudämmen. Sein Land habe eine Gruppe aus verbündeten Staaten gegründet, die Maßnahmen gegen die sogenannte Schattenflotte prüfen, sagte Außenminister Lars Løkke Rasmussen. Diese würde russisches Öl trotz Sanktionen weiterhin in weite Teile der Welt exportieren.
»Es ist wichtig, dass alle neuen Maßnahmen in der Praxis umgesetzt werden können und rechtlich haltbar sind«, sagte der Politiker der Moderaten und frühere Ministerpräsident des Königreiches dem Medium »Danwatch«. Es sei Konsens, dass die Schattenflotte ein Problem sei und dass internationale Lösungen erforderlich seien. Man nehme die Herausforderungen sehr ernst und befinde sich im anhaltenden, vertraulichen Dialog unter anderem mit den anderen Ostsee-Anrainerstaaten, sagte Løkke Rasmussen der Zeitung »Information«.
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Solch ein Schritt könnte Russland schwer treffen – und zu einer Konfrontation mit der Führung in Moskau führen. Schließlich verläuft etwa ein Drittel des russischen Ölexports durch die dänische Meeresenge, die als Tor zur Ostsee dient. Das sind etwa 1,5 Prozent der weltweiten Öllieferungen. Jeder Versuch, die Lieferungen zu stoppen, würde daher den Ölpreis in die Höhe treiben und die Finanzen des Kreml belasten.
Vorbild Bosporus?
Über den Kampf gegen die russische Schattenflotte, deren Schiffe aus der Ostsee bis nach Asien fahren, um das Öl zu verkaufen, wird bereits seit Längerem diskutiert. Die EU hatte Dänemark bereits unter Druck gesetzt, die Schiffe vor den Küsten des Landes zu stoppen. Bislang fehlt es jedoch an einem tauglichen Weg, die Schiffe anzuhalten, solange sie die Gewässer nur passieren und nicht beispielsweise auch einen dänischen Hafen anlaufen.
»Solange die einzelnen Schiffe nicht gefährlich sind, gibt es nicht viel Spielraum, etwas zu tun«, zitiert »Danwatch« die Seerechtlerin Kristina Siig von der Universität Süddänemark. Eine Möglichkeit könnte jedoch sein, die russischen Schiffe mit Verweis auf die Versicherungspflicht zu stoppen. Ein ähnliches Modell wende die Türkei bereits für die Durchfahrt des Bosporus an.
Versicherungen sind für den Fall von Kollisionen, Umweltschäden oder Angriffen für Handelsschiffe international zwingend. Mindestens 90 Prozent dieses Versicherungsmarktes werden jedoch von Anbietern aus der EU oder Großbritannien abgedeckt – Staaten, die aufgrund der Sanktionen keine russischen Schiffe mehr versichern dürfen.
Somit handelt es sich bei den russischen Schiffen häufig um Frachter, die weder aus G7- noch EU-Ländern stammen und die meist nicht transportversichert sind oder die nur einen fragwürdigen russischen Versicherungsnachweis haben. Das hatte zuletzt bereits die private ukrainische Hochschule Kyiv School of Economics (KSE) kritisiert. Die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse sind demnach regelmäßig undurchsichtig.
Das allein könnte für ein Eingreifen der dänischen Behörden jedoch noch nicht ausreichend sein, sagte Seerechtlerin Siig »Danwatch«. Als Transitland zwischen Nord- und Ostsee habe Dänemark sich verpflichtet, einen Teil der dänischen Meerengen als internationale Gewässer zu behandeln. Deshalb müsse es neben der Versicherung auch um etwas anderes gehen – wie einer Gefahr für Natur und Umwelt, die es abzuwenden gelte.
Kommt es zum Showdown auf See?
Die KSE schätzte zuletzt, dass allein im ersten Quartal 2024 mehr als 400 Schiffe zur russischen Schattenflotte gehörten. Demnach läuft der Transport hauptsächlich über Reedereien mit Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten, wobei die Schiffe zumeist unter den Flaggen Panamas, Liberias und Gabun fahren. Drei von vier russischen Tankern waren demnach mehr als 15 Jahre alt. Um nicht aufzufallen, schalteten die Tanker oft das automatische Identifikationssystem aus, das Zusammenstöße verhindert.
Neben dem Kampf gegen die Schattenflotte versucht der Westen die russischen Ölexporte mit einem Embargo und einer Ölpreisobergrenze kleinzuhalten. Das Embargo verbietet Erwerb, Einfuhr und Weiterleitung von Öl aus Russland auf dem Seeweg in die EU.
Der internationale Preisdeckel von 60 Dollar pro Barrel für russisches Öl soll verhindern, dass hohe Gewinne durch den Verkauf russischer Rohstoffe den Krieg noch weiter befeuern. Die EU, die G7 und Australien hatten ihn im Dezember 2022 eingeführt, auf den Märkten wurde er jedoch bereits umgangen. Mit Verhängung der Strafmaßnahmen gegen Russland wuchs Experten zufolge allerdings auch die Schattenflotte des Landes dramatisch.
Sollten die Regeln für die Durchfahrt russischer Schiffe tatsächlich verschärft werden, ist bislang offen, welche Folgen das hat. Es könnte zur offenen Konfrontation europäischer Behörden mit russischen Schiffen auf dem Meer kommen – mögliche Sanktionen könnten die oft maroden Schiffe allerdings auch davon abhalten, weiterhin durch die Ostsee zu fahren.