Risiko für den Haushalt - Ökostrom ist zu billig - den Staat kostet das Milliarden
Ein Windrad in der Nähe von Hamburg (Symbolbild) Krisztian Bocsi/Getty Images/Bloomberg Creative
Erzeuger von Ökostrom erhalten eine feste Vergütung vom Staat. Dafür gibt es ein Konto - das aber wird zu einem immer größeren Risiko für den Bundeshaushalt. Es geht um Milliarden.
Die Kosten für die staatliche Förderung der erneuerbaren Energien aus Wind und Sonne drohen aus dem Ruder zu laufen. Die Bundesregierung müsse in diesem Jahr Mehrkosten von knapp 8,8 Milliarden Euro schultern, heißt es in einem Schreiben von Finanzstaatssekretär Florian Toncar (FDP) an Helge Braun (CDU) hervor, den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses des Bundestages. Das Schreiben liegt FOCUS online Earth vor. Zuvor hatten die „Bild“-Zeitung und das „Handelsblatt“ darüber berichtet.
Regierung zahlt fixe Summe
Der Grund für die Kostenexplosion liegt in einer Eigenheit des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), das im Jahr 2000 beschlossen worden war, um den Ausbau des Ökostroms zu fördern. Wer grünen Strom erzeugt und diesen ins System einspeist, erhält eine fixe Summe, auch wenn der Preis am Strommarkt niedriger liegt. Auf diese Weise sollte Planungssicherheit für die Erzeuger geschaffen werden.
Diese Differenz war früher von den Stromkunden über die sogenannte EEG-Umlage finanziert worden. Die Umlage wurde von der Ampel-Regierung aber nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine abgeschafft, um Stromkunden zu entlasten. Seitdem finanziert der Bund die EEG-Vergütung, konkret aus dem Klima- und Transformationsfonds - einem Sondertopf.
Die wachsende Lücke
Zuletzt ist die Vergütung aber für den Staatshaushalt zum Milliarden-Risiko geworden. Weil Ökostrom an den Börsen immer günstiger wird, wächst die Differenz zwischen den Einnahmen und der ausgezahlten Vergütung. Der Finanzierungsbedarf für die EEG-Vergütung steigt daher stark an.
Toncar schrieb in seinem Brief, die stark rückläufige Entwicklung der Strompreise und der damit einhergehende hohe Finanzierungsbedarf sei zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Haushalts 2024 nicht vorhergesehen gewesen. Nach aktuellem Stand seien die Mittel auf dem EEG-Konto bereits jetzt nahezu vollständig aufgebraucht. Bislang seien 9,8 Milliarden Euro der verfügbaren Mittel in Höhe von 10,6 Milliarden Euro ausgezahlt.
Die Branche selbst will am System erstmal nichts ändern. „Den gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleich aus dem Bundeshaushalt begrüßen wir", sagte Stefan Kapferer, Chef des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz. „Mittelfristig muss ein Weg gefunden werden, damit verlässlich EEG-Mittel aus Bundesmitteln zur Verfügung stehen.“ Die Betreiber der Stromübertragungsnetze hatten bereits im Januar vor einer „fehlenden Liquidität“ auf dem EEG-Konto ab Juli gewarnt.
Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte, derzeit liefen Gespräche zum Haushalt. Dabei spiele auch die Finanzierung des Klima- und Transformationsfonds (KTF) und damit des EEG-Kontos eine Rolle.
Lindner: “Wir brauchen da ein Update"
Finanzminister Christian Lindner (FDP) sprach am Dienstag beim Tag der Industrie in Berlin von schätzungsweise 19 Milliarden Euro an Subventionen aus dem EEG in diesem Jahr. „Das EEG kommt aus einer Zeit, als Erneuerbare eine Nische waren. Heute ist das ein Massenmarkt, der insbesondere bei der Anlage auf dem Dach auch ohne Subvention funktioniert und deshalb brauchen wir da ein Update.“
„Die Steuerzahler müssen vor dem Kostenrisiko der garantierten Einspeisevergütung bei den erneuerbaren Energien geschützt werden", stimmt auch FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer zu. „Die Dauersubventionierung der erneuerbaren Energien muss jetzt auslaufen - die brauchen keine teuren, staatlich finanzierten Preisgarantien mehr.“
Die Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie, Simone Peter, sagte: “Die Ampel muss jetzt die Kraft aufbringen, eine grundlegende Reform des Strommarktes in Gang bringen." Der Unions-Chefhaushälter Christian Haase sagte: „Hätte sich die Ampel bereits bei der Haushaltsaufstellung ehrlich gemacht, müssten die Bürgerinnen und Bürger jetzt nicht um Fördergelder im KTF fürchten.“
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Kommt ein Nachtragshaushalt?
Das Bundesfinanzministerium hatte sich bereits die Möglichkeit eines Nachtragshaushalts für dieses Jahr offengehalten. Weil die Konjunktur in Deutschland schwächer als erwartet läuft, lässt die Konjunkturkomponente in der Schuldenbremse eine größere Nettokreditaufnahme zu. Dabei könnte es um bis zu elf Milliarden Euro gehen. Bisher ist für das laufende Jahr im Rahmen der Schuldenbremse eine Nettokreditaufnahme von 39 Milliarden Euro geplant.