Wohnblock in Göttingen abgeriegelt: Gericht verweigert Prozesskostenhilfe
Schmerzensgeld
Wohnblock in Göttingen abgeriegelt: Gericht verweigert Prozesskostenhilfe
Der Wohnblock an der Groner Landstraße in Göttingen war im Juni 2020 nach einem Corona-Ausbruch abgeriegelt. Die Bewohner haben kaum Aussicht darauf, ein Schmerzensgeld zu bekommen.
Erneut ging es vor Gericht um die Folgen der Abriegelung eines Wohnkomplexes in Göttingen im Juli 2020. Damals gab es dort einen Corona-Ausbruch.
Göttingen/Braunschweig – Zahlreiche Bewohner eines Gebäudekomplexes in der Groner Landstraße in Göttingen haben kaum Aussicht darauf, wegen der zeitweiligen Absperrung ihres Wohnblocks während der Corona-Pandemie ein Schmerzensgeld zu bekommen.
Das ergibt sich aus aktuellen Entscheidungen des Oberlandesgerichts Braunschweig (OLG). Der 11. Zivilsenat habe die Beschwerden zahlreicher Bewohner gegen eine Entscheidung des Landgerichts Göttingen zurückgewiesen, teilte OLG-Sprecherin Rieke Werner am Dienstag mit.
Landgericht lehnt Antrag im Februar 2024 ab
Das Landgericht Göttingen hatte es im Februar 2024 abgelehnt, betroffenen Bewohnern Prozesskostenhilfe zu gewähren, da ihre Klagen auf Schmerzensgeld keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hätten. Die betreffenden Bewohner müssen nun entscheiden, ob sie ihre Klagen trotz geringer Erfolgsaussichten auf eigene Kosten weiter verfolgen wollen.
Die Stadt Göttingen hatte im Juni 2020 nach einem größeren Corona-Ausbruch in dem Wohnkomplex für alle Bewohner eine Quarantäneanordnung erlassen. Zuvor waren mehr als 100 der 668 Bewohnerinnen und Bewohner positiv auf das Coronavirus getestet worden. Die Absonderungsverfügung beinhaltete, dass die Bewohner sieben Tage lang ihre Wohnungen nicht verlassen dürfen. Die Stadt wollte damit das Infektionsrisiko minimieren.
Bauzäune rund um Wohnkomplex
Um zu verhindern, dass Quarantänebrecher das Gelände verlassen, ließ die Stadt den Wohnkomplex mit Bauzäunen umstellen und durch die Polizei absichern. Dies hatte zur Folge, dass von den Bewohnern der 432 Wohneinheiten tagelang niemand das Gelände verlassen konnte und auch niemand von außerhalb hinein durfte.
Ende November 2023 entschied das Verwaltungsgericht Göttingen, dass diese Abriegelung rechtswidrig gewesen sei, da es dafür keine Rechtsgrundlage im Infektionsschutzgesetz gegeben habe. Die Stadt will dieses Urteil anfechten und hat inzwischen einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg (OVG) gestellt. Eine Entscheidung hierüber steht noch aus.
Gericht verlangte Darlegung von konkret erlittenen Beeinträchtigungen
Auch die Absperrung des Wohnkomplexes durch den Bauzaun und die Polizei führe, selbst wenn dies rechtswidrig erfolgt wäre, nicht zwangsläufig zu einem Anspruch auf Schmerzensgeld, befand das Braunschweiger Gericht. Die Bewohner hätten ihre konkret erlittenen Beeinträchtigungen oder Schäden darlegen müssen. Dies sei ihnen nicht gelungen, entschied das OLG.
Schließlich hätten die Bewohner das Gebäude schon wegen der Absonderungsverfügung nicht verlassen dürfen.
Inwieweit sie durch die Absperrung weitergehend beeinträchtigt worden seien, hätten sie nicht vorgetragen. Auch hätten sie nicht ausreichend dargelegt, welche gesundheitlichen oder psychischen Beeinträchtigungen sie durch das Vorgehen der Stadt im jeweiligen konkreten Einzelfall erlitten hätten.
Rechtsanwalt will Verfassungsbeschwerde prüfen
Der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam, der die Interessen der betreffenden Bewohner vertritt, will nun prüfen, ob noch Verfassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt wird. (Heidi Niemann)