"Bitter für die Belgier": Diskussionen um Opendas Handspiel
Kurz vor Schluss hatte Belgien den vermeintlichen Ausgleich gegen die Slowakei erzielt. Nach VAR-Einsatz wurde der Treffer jedoch einkassiert, da ein umstrittenes Handspiel von Lois Openda vorausgegangen war. Schiedsrichter-Experten bewerteten die Szene, die auch erstmals den Chip im Ball offenbart hatte, im Nachgang.
Um diese Szene geht es: Lois Openda spielt im Zweikampf mit Denis Vavro den Ball mit der Hand
"Pulsschlag" im Ball verhindert Lukakus Ausgleich
Die EM in Deutschland hat ihren ersten Aufreger über eine Schiedsrichter-Entscheidung. Nachdem die ersten acht Matches ohne Diskussionen über die Leistungen der Referees über die Bühne gegangen waren, stand beim Überraschungssieg der Slowakei gegen Belgien (1:0) nach Abpfiff der türkische Unparteiische Halil Umut Meler im Fokus - und Bundesliga-Schiedsrichter Bastian Dankert als VAR. Es ging um eine Szene in der 86. Minute.
Was war passiert? Nach einem langen Ball kämpfte Lois Openda gegen Denis Vavro um den Ball, dabei sprang ihm die Kugel an die ausgestreckte Hand, ehe der Leipziger davonzog und von der Grundlinie Romelu Lukaku bediente, der zum vermeintlichen 1:1 traf.
Schiedsrichter Meler konnte dieses Handspiel selbst auf dem Feld nicht wahrnehmen, da der Ball für ihn vom Zweikampf der beiden Spieler verdeckt wurde. Daher meldete sich VAR Dankert und empfahl dem Referee eine Onfield-Review, nach der Meler das Tor zurücknahm. Zum zweiten Mal in diesem Spiel, bereits der erste vermeintliche Ausgleich von Lukaku hatte wegen einer unstrittigen Abseitsposition nicht gezählt (56.).
Premiere für die "Connected Ball Technology"
Das Vorgehen des VAR bewertete Schiedsrichter-Experte Manuel Gräfe im Nachgang im ZDF als "völlig richtig", da Meler keine eigene Wahrnehmung der Szene gehabt habe. "Dann stellt sich die Frage: War es ein strafbares, weil absichtliches Handspiel? Und wenn es keine Absicht war, war die Körpergröße unnatürlich vergrößert?", so der ehemalige Bundesliga-Schiedsrichter.
Dass Openda den Ball mit der Hand überhaupt berührt hatte, war durch eine neue Technologie, die bei dieser EM ihre Premiere feiert, bereits unstrittig. Ein Chip im Ball misst neuerdings Impulse, den sogenannten Impact. Durch diese "Connected Ball Technology" sollen Abseitsentscheidungen oder auch Handspiele zukünftig mit Livedaten unterstützt werden. Und das tat sie auch beim türkischen Unparteiischen, die Impulswellen wurden Meler in der Review-Area parallel zum Fernsehbild eingespielt.
Die Grafik, die der Darstellung eines Herzschlags ähnelt, kam also bei diesem Spiel erstmals zum Einsatz. Dabei hatte UEFA-Schiedsrichterboss Roberto Rosetti vor Turnierbeginn noch gesagt: "Wahrscheinlich brauchen wir das nicht - aber sicher ist sicher."
Ittrich wird noch deutlicher als Gräfe
Anhand aller Daten und TV-Bilder kam Gräfe schließlich zum gleichen Urteil wie Meler auf dem Feld: "Natürlich ist das nicht wirklich absichtlich. Aber ich finde schon, dass die Hand sehr weit rausgeht." Auch wenn die Entscheidung "bitter für die Belgier" sei, so sei sie "nachvollziehbar" und aus Schiedsrichtersicht auch richtig. "Aber es geht hier um den Bereich 50,001 Prozent Hand oder 49,999 Prozent nicht", gab auch der 50-Jährige zu.
Noch deutlicher wurde Gräfes Ex-Kollege und Bundesliga-Referee Patrick Ittrich. Bei MagentaSport beurteilte der Hamburger die Szene als "sehr kleinteilig, aber richtig". Die Hand von Openda gehe zum Ball und "dadurch, dass er die Hand in dieser komischen Position hat und den Ball berührt, verschafft er sich für mich einen Vorteil."
Fußballer wehren sich gegen Entscheidung
Wie umstritten dieses Handspiel war, zeigte sich allerdings an den Reaktionen der (Ex-)Fußballer, die die EM als TV-Experten begleiten.
Im ZDF bewertete Christoph Kramer die Entscheidung als "hammer-hammer-unglücklich". Auch Per Mertesacker hätte es "gerne gesehen, wenn der Schiedsrichter das laufen gelassen hätte", da er keine Veränderung der Flugkurve und somit auch keine Vorteilnahme erkennen könne. Und Michael Ballack sprach bei MagentaSport von einer "Ermessensentscheidung" des Schiedsrichters, Openda habe seinen Arm im Zweikampf eingesetzt, das Handspiel sei daher nicht strafbar.