Plötzlich wirkt Deutschland wie ausgewechselt. Wie hat Trainer Julian Nagelsmann das gemacht?

plötzlich wirkt deutschland wie ausgewechselt. wie hat trainer julian nagelsmann das gemacht?

Deutsche Fans in der Berliner Fanzone am Brandenburger Tor. Frederic Kern / Süddeutsche Zeitung / Keystone

Wie steht es um die Chancen der deutschen Mannschaft an der Europameisterschaft? Wer noch vor einigen Tagen diese Frage stellte, der erhielt vorwiegend vorsichtige Prognosen. Dass der Mannschaft alles zuzutrauen sei, war eine durchaus pragmatische Antwort, die den schlimmsten Fall ausdrücklich einschloss.

Aber jetzt? Nach diesem laut bejubelten 5:1 gegen Schottland, zum Auftakt der Europameisterschaft in München? Nach diesem Angriffswirbel, dem die Schotten in der ersten Halbzeit gar nichts entgegenzusetzen hatten? Und dieser ungeheuren Stabilität, die dem Gegner keine einzige Chance eröffnete?

Selbst Optimisten staunen

Wer die Stimmung im Münchner Stadion erlebte, der fühlte sich zwangsläufig an jene Jahre erinnert, in denen die Deutschen ihr Team unentwegt beklatschten, an die erfolgreiche Zeit zwischen 2006 und 2016, an dieses Jahrzehnt, als sich das Image des deutschen Fussballs grundlegend wandelte. Die Mannschaft, die am Freitagabend derart selbstbewusst auftrat, dass selbst Optimisten ihren Augen nicht zu trauen wagten, hatte gar nichts gemein mit jener Equipe, der Skeptiker vorhergesagt hatten, sie werde bis zum Abschluss der Vorrunde um das Weiterkommen zittern müssen. Stattdessen präsentierte sich ein Team aus einem Guss.

Man müsste diesen Sieg entsprechend einordnen, sagte der zufriedene Bundestrainer Julian Nagelsmann nach dem Match. Bremsen, so der Trainer, wolle er die gute Stimmung nicht. Nagelsmann wirkte wie ein Coach, der recht genau weiss, wie sensibel das Verhältnis von Chance und Risiko an einem solchen Turnier ist. Aber für den Augenblick kann er sich zugutehalten, die Mannschaft ideal präpariert zu haben.

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Geschlagene Schotten in der Münchner Arena. Ariel Schalit / AP

Das ist keine geringe Leistung, erst recht, wenn man bedenkt, wie die Nationalmannschaft angesehen wurde. Trübe Stimmung, Skepsis, Unzufriedenheit – all diese Begriffe liessen sich mit der DFB-Elf in den Monaten vor dem Turnier in Verbindung bringen. Das hatte seine Gründe.

Nachdem Nagelsmann den Job von Hansi Flick übernommen hatte, zeigte das Team schwankende Leistungen. Eine Reise in die USA, mit einem Sieg gegen die Gastgeber und einem Unentschieden gegen Mexiko, war zwar kein katastrophaler Auftakt. Doch verheissungsvoll war es eben auch nicht. Dann unterlag die Mannschaft in Berlin der Türkei und wenige Tage später in Wien Österreich. Solche Ergebnisse noch vor dem Jahreswechsel wirken alarmierend.

Nagelsmann entschied sich zu einer Kehrtwende. Er überdachte seine bisherigen Nominierungen, und das war nötig. Denn zunächst wirkten diese erratisch. So durfte sich der Mittelfeldspieler Pascal Gross, der in der englischen Premier League spielt, von Nagelsmann öffentlich grosses Lob anhören. Doch bei der nächsten Nominierungrunde war er aussen vor.

Dies konnte man dem Trainer durchaus als einen Mangel an Seriosität gegenüber den Spielern vorhalten. Nagelsmann aber erschien lernfähig: Er überrede Toni Kroos zur Rückkehr ins DFB-Team, im Wissen darum, dass der Mannschaft ein solcher Spieler fehlt: ein Stratege, der das Tempo zu variieren versteht und der in keiner Situation aus der Ruhe zu bringen ist. Nagelsmann verabschiedete sich von ein paar Veteranen, darunter dem Bayern Leon Goretzka.

Nagelsmann setzt auf frische Kräfte

Stattdessen setzte er auf frische Kräfte, auf Spieler, die in der Saison 2023/24 überzeugt hatten. Robert Andrich hat nun die ehrenvolle Aufgabe, das Mittelfeld abzusichern, und der Stuttgarter Maximilian Mittelstädt, der in seinem Klub eine hervorragende Saison gespielt hat, verteidigt auf der linken Aussenbahn. Statt zweier klassischer Flügelstürmer setzt Nagelsmann auf die enorm Variablen Florian Wirtz und Jamal Musiala. Es waren vor allem diese beiden, die mit ihrem Tempo, ihren Dribblings und auch ihren wuchtigen Abschlüssen das deutsche Spiel prägten.

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Sie wollen hoch hinaus: Florian Wirtz und Jamal Musiala Roger Bürke / Imago

Bloss geht es nicht nur darum, Spieler zu finden, die fussballerisch irgendwie zueinander passen. Es ist vor allem dieser sensible Mix aus Routiniers und jungen Spielern, der erfolgversprechend wirkt. Ebenso wichtig ist ein anderer Faktor, den Nagelsmann offenbar berücksichtigt hat: Die Anzahl jener Spieler, die bei mehreren grossen Turnieren scheiterten, ist nicht mehr so gross. Spieler wie Robert Andrich, Maximilian Mittelstädt, Florian Wirtz und Jonathan Tah haben das Privileg, noch keine allzu lange Biografie des Scheiterns mit der Nationalmannschaft vorzuweisen.

Von Sondereinsatzkommando lernen

Nagelsmann, so scheint es, hat seine Mannschaft gefunden. Team-Building, das war die grosse Aufgabe für ihn, und dabei griff er mitunter zu unkonventionellen Massnahmen. Im Trainingslager der Nationalmannschaft in Thüringen rückte das Sondereinsatzkommando der Polizei an, das SEK. Von den Beamten, die die Elite der Einsatzkräfte repräsentieren, könnten die Spieler lernen, was es bedeutet, sich in jeder Situation aufeinander verlassen zu können, sagte der Coach.

Jeder müsse den anderen unterstützen, anders seien heikle Einsätze nicht zu bewältigen. Ein solcher Auftritt bei einer Fussballmannschaft wird Pazifisten nicht gefallen – dennoch ergibt durchaus Sinn, was Nagelsmann erzählt. Denn vor allem geht es nicht darum, dass einzelne Spieler glänzen, nicht um die Egozentrik der Stars. Und so wirkte selbst Toni Kroos, sechsmaliger Champions-League-Sieger, genauso mannschaftsdienlich wie der ihn absichernde Robert Andrich.

Wie weit es dieses Team bringen wird, ist dennoch ungewiss. Noch stehen härtere Prüfungen aus, doch die Art und Weise, wie die Deutschen auftragen, ist nach Monaten des Haderns allemal bemerkenswert.

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