Knall in Spielberg: Der Crash von Verstappen und Norris zeugt von neuen rohen Sitten an der Spitze der Formel 1
Max Verstappen (l.) und Lando Norris liefern sich in Spielberg ein heisses Duell. Christian Bruna / AP
Noch schnell zum Sportlichen, bevor es zum Unfallbericht im Grand Prix von Österreich geht: George Russell im Mercedes errang seinen zweiten Formel-1-Sieg, den ersten für die Silberpfeile seit November 2022. Der Brite gewann in Spielberg vor Oscar Piastri und Carlos Sainz junior.
Diese ungewöhnliche Podiumszusammensetzung nach 71 Runden kündet bereits vom Ungemach, das auf der Berg- und Talbahn des Red-Bull-Rings herrschte. Das Rennen mündete in einem Drama, das zusätzliche Emotionen in den Verlauf der Weltmeisterschaft pumpt. An der Spitze gibt es eine neue Kontroverse.
Opfer Norris sagte, das Manöver von Verstappen sei grenzwertig und dumm gewesen
Alles, was sich nicht so richtig erklären lässt in der Königsklasse, wird gern auf das Mythische geschoben. Der «Max-Faktor» wird oft zitiert, seit die Dauersieger von Red Bull Racing in den letzten Monaten in eine Formkrise auf hohem Niveau gerutscht sind, weil Verstappen auch unter Bedrängnis Erfolg garantiert. Und dieser Faktor hat auch in Österreich gegriffen: Sieben Runden vor Schluss verursachte Verstappen einen spektakulären Crash mit seinem ärgsten Herausforderer Lando Norris.
Die Folge: Norris schied aus, während Verstappen mit frischen Reifen die schnellste Rennrunde drehte und sich als Fünfter ins Ziel rettete. Die Zehn-Sekunden-Strafe der Kommissäre konnte Verstappen verkraften, weil sie keine wirklichen Auswirkungen hatte. Sein Vorsprung auf Norris in der Gesamtwertung hat sich auf 81 Punkte vergrössert.
Was diese Vorfälle aus der Freundschaft der beiden machen, wird sich zeigen müssen. In zugespitzten Situationen, man denke an Lewis Hamilton und Nico Rosberg, bleibt in diesem gnadenlosen Sport davon bald nichts mehr übrig. Norris sagte, er sei einfach nur enttäuscht. Das Manöver, das seine grosse Aufholjagd beendet habe, sei grenzwertig und dumm gewesen.
Verstappen erschien in der Bewertung souveräner. Ohne echtes Schuldeingeständnis sagte er: «Es ist schade, dass es so passiert ist. Das Duell war immer am Limit, wir hatten es dann manchmal nicht mehr unter Kontrolle.»
Die Linie zwischen Gut und Böse ist schmal
Damit sind die Emotionen zurück in einem Starterfeld, das auch in der Steiermark näher zusammengerückt ist. Allein schon deshalb, weil Verstappen in seinem unvergleichlichen Sturm an die Formel-1-Spitze immer wieder unsauberes Fahrverhalten vorgeworfen worden war, und die Kritiker von damals sich nun nachträglich bestätigt sehen. Der entsprechende Passus für sein Vergehen in Spielberg lautet: «Bewegen beim Bremsen.»
Früher waren solche Schlenker nur eine Verletzung des Ehrenkodex, heute sind sie klare Regelverstösse. In einem Fight jenseits der 300 km/h, mit brutalen Attacken und harscher Gegenwehr, die oft jenseits der Randsteine endete, ist die Linie zwischen Gut und Böse schmal.
Überhaupt konnte Norris nur wieder in den Kampf um den Tagessieg eingreifen, weil die Boxenstopps und die Reifenwahl beim generell nervöser gewordenen Red-Bull-Rennstall zweimal schief gegangen waren. Beim letzten Pneutausch hatte das linke Hinterrad an Verstappens Auto geklemmt, die sieben Sekunden Vorsprung für das letzte Rennviertel waren dahin – dann kam es quasi mit Ansage zur Kollision.