Auch Ultraorthodoxe müssen in die Armee, urteilt Israels Oberstes Gericht – und bringt damit Netanyahu in Bedrängnis

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Ultraorthodoxe Männer protestieren im März gegen die Forderungen, die Dienstpflicht auf die streng religiöse Gemeinschaft auszuweiten. Ammar Awad / Reuters

Es ist wohl der endgültige Todesstoss für eine Regelung, die fast so alt ist wie der Staat Israel selber: Am Dienstag hat Israels Oberstes Gericht entschieden, dass künftig auch ultraorthodoxe Männer im wehrfähigen Alter in die Armee eingezogen werden müssen. Der Entscheid fiel einstimmig. Es gebe keine gesetzliche Grundlage mehr, um Ultraorthodoxe von der Wehrpflicht zu befreien, urteilten die neun Richter.

Das Gericht hat weiter entschieden, dass religiöse Schulen keine finanzielle Unterstützung vom Staat mehr erhalten dürfen, sofern sich deren Schüler nicht zum Dienst melden. In ihrem Urteil schreiben die Richter: «Inmitten eines zermürbenden Krieges ist die Last der Ungleichheit härter denn je und erfordert eine Lösung.»

Der Entscheid ist ein regelrechter Paukenschlag: Die Richter kippen nicht nur einen jahrzehntealten, wenn auch höchst umstrittenen Modus Vivendi zwischen säkularen und religiösen Juden, sondern sie bringen auch Ministerpräsident Benjamin Netanyahu in ernsthafte Schwierigkeiten. Er ist auf die Unterstützung der ultraorthodoxen Parteien angewiesen – doch diese werden es kaum akzeptieren, dass ihre Wählerbasis künftig ebenfalls Dienst leisten muss.

Ultraorthodoxe Parteien haben politisches Gewicht

Die Dienstpflicht für Ultraorthodoxe ist ein Politikum, das den jüdischen Staat seit Jahrzehnten beschäftigt. Mehrere Regierungen sind in der Vergangenheit daran gescheitert, eine nachhaltige Lösung für dieses Problem zu finden. Grundsätzlich müssen alle jüdischen Israeli Militärdienst leisten – Männer während 32 Monaten, Frauen während 24. Doch ein grosser Teil der Haredim, wie die Ultraorthodoxen auf Hebräisch genannt werden, konnte dies relativ leicht umgehen.

1948 hatte der Staatsgründer David Ben-Gurion mit den Haredim vereinbart, dass eine kleine Zahl von ultraorthodoxen Männern keinen Dienst leisten muss, sofern sich diese in religiösen Schulen ausschliesslich dem Studium der Tora widmen. Inzwischen machen die Haredim aber 13 Prozent der israelischen Bevölkerung aus. So sind auch ihre Parteien zu einem gewichtigen politischen Faktor und gefragten Koalitionspartnern geworden.

Im Gegenzug für ihre Beteiligung an israelischen Regierungen forderten sie nicht nur Sozialleistungen und Subventionen für ihre Schulen, sondern auch eine Ausweitung der Befreiung von der Dienstpflicht. Dabei hatte das Oberste Gericht schon 1998 festgehalten, dass die Praxis diskriminierend und deshalb illegal sei. 2023 wurden 66 000 ultraorthodoxe Männer vom Dienst befreit – ein neuer Rekord. Nur ein verschwindend kleiner Anteil von Haredim meldet sich freiwillig zum Militär. Derweil blieben zahlreiche Programme der Armee, um die Rekrutierungsquote zu erhöhen, faktisch wirkungslos.

Säkulare Israeli sind empört

Jüngst war wieder Bewegung in die Sache gekommen. Eine vom Obersten Gericht gesetzte Frist, eine Lösung für die diskriminierende Praxis zu finden, war Ende März ungenutzt verstrichen. Netanyahu hatte noch versucht, in Diskussionen mit den Führern der ultraorthodoxen Parteien einen Ausweg zu finden, allerdings ohne Erfolg. So urteilte das Gericht am 28. März, dass zumindest ein Teil der ultraorthodoxen Juden, die sich im wehrpflichtigen Alter befinden, keine staatliche Unterstützung mehr für ihr Tora-Studium erhalten soll.

Am 11. Juni wagte die Regierung einen neuen Anlauf: Sie reaktivierte ein altes Gesetzesvorhaben, das zwar vorsieht, die Zahl der ultraorthodoxen Rekruten langsam zu erhöhen, aber die Ausnahmepraxis im Wesentlichen festschreibt. Verteidigungsminister Yoav Gallant, ein vehementer Befürworter der generellen Dienstpflicht, stimmte als einziges Mitglied der Koalition dagegen. Inzwischen haben auch weitere hochrangige Koalitionspolitiker verkündet, das Vorhaben nur dann weiter voranzutreiben, wenn es grundlegend überarbeitet werde.

Sie wissen, dass es ein grosser Teil der Israeli als himmelschreiende Ungerechtigkeit empfinden würde, wenn die Haredim weiterhin von der Wehrpflicht ausgenommen blieben – und dies mitten im Krieg. Viele Israeli fühlen sich erst recht vor den Kopf gestossen, da die Regierung plant, das Dienstalter für Reservesoldaten um mehrere Jahre zu erhöhen. Gleichzeitig erscheint es als unwahrscheinlich, dass die ultraorthodoxen Parteien einem Kompromiss zustimmen werden. Sie haben mehrfach gedroht, die Koalition zu verlassen, wenn an der Regelung gerüttelt werde. Benjamin Netanyahu steht also vor einem Dilemma.

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Ultraorthodoxe Juden beten während einer Demonstration in Jerusalem im April. Amir Levy / Getty

Ein bisschen Spielraum bleibt

Der Ministerpräsident schweigt bis anhin zu dem Urteil. Arye Deri, der Vorsitzende der ultraorthodoxen Shas-Partei, gab sich am Dienstag kämpferisch. Die Tora sei «Israels Geheimwaffe gegen alle Feinde», und keine Macht der Welt könne das jüdische Volk vom Studium der heiligen Schrift abhalten. Ein anderer Haredi-Parlamentarier bezeichnete das Gericht als «diktatorische Institution», das einen religiösen Krieg zwischen den Juden erzwingen wolle.

Von der Opposition kam derweil Applaus: Der rechte Politiker Avigdor Lieberman gratulierte dem Gericht, einen «bedeutsamen Schritt auf dem Weg zu historischem Wandel» gemacht zu haben. Der ehemalige Ministerpräsident Yair Lapid rief die Regierung auf, umgehend mit der Mobilisierung der Ultraorthodoxen zu beginnen. «Die Tage der zwielichtigen Abmachungen sind vorbei», sagte er.

Wie es nun weitergeht, ist unklar. Netanyahu steht unter Druck, eine mit dem Gesetz konforme Lösung auszuarbeiten – doch mit der jetzigen Regierungskoalition ist dies kaum möglich. Der Likud-Politiker Yuli Edelstein kündigte dennoch an, die Regierung werde weiterhin an dem Gesetz arbeiten, das sie kürzlich reaktiviert hatte. Ein bisschen Spielraum hat Netanyahu noch: Das Gericht liess die Frage offen, wie viele ultraorthodoxe Männer eingezogen werden müssen. Zu einer Massenmobilisierung der Haredim wird es daher vorerst wohl nicht kommen. Doch mittelfristig dürfte das Urteil weitreichende Folgen für Israel haben.

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