Was für ein verheerender Entscheid
Sollte es ein Mann, der einer Kritikerin Hundekot ins Gesicht schmiert, ein Jahr später erneut in eine Kaderposition schaffen? Das Theater Basel findet offenbar: ja.
Darf in Basel erneut ein Ballettensemble leiten: Marco Goecke, Choreograf, «Ausnahmekünstler» – und Kotwerfer.
Welche Qualitäten sollte eine Person mitbringen, die eine Leitungsfunktion erhält? Fachliche Kompetenz, ohne Frage. Aber vielleicht noch wichtiger: ein Gespür für Menschen – und Kritikfähigkeit. Am Theater Basel gelten diese Regeln offensichtlich nicht. Das bewies zuletzt die Wahl von Marco Goecke als neuer Ballettdirektor. Vor einem Jahr hat der Choreograf einer unliebsamen Journalistin aufgrund ihrer «schlimmen, persönlichen Geschichten» Hundekot ins Gesicht geschmiert. Er war seinen Job sofort los, als Führungskraft wird er nun rehabilitiert – in Basel.
Das ist auf mehreren Ebenen ein verheerendes Signal. Zuallererst an die Mitarbeitenden des Balletts, die künftig einer Person unterstellt sind, die aufgrund persönlicher Verletzung jegliches Gefühl für ein menschliches Miteinander vergessen konnte. Goecke hat mit seiner abwegigen Reaktion eine Grenze überschritten, die weit über den guten Geschmack hinausgeht. Wer möchte einen Vorgesetzten, der so mit Kritik umgeht? Wer traut sich künftig, ihm zu widersprechen?
Es ist aber auch ein deutliches Signal an Journalistinnen und Journalisten, das nicht ganz überraschend kommt. Auch der Basler Theaterintendant Benedikt von Peter, der in den vergangenen Jahren mehrfach mit kritischen Presseberichten konfrontiert war, hat ein angespanntes Verhältnis zu den Medien.
An der Medienkonferenz zu Goeckes Einstellung sagte der Intendant zur Frage, warum er die Personalie nicht vorab mitgeteilt hatte, gemäss der bz: «Wir hatten keine Lust, gejagt zu werden.» Kritische Artikel kommen für ihn anscheinend einer Hetzjagd gleich, negative Stimmen sind offenbar nicht gerechtfertigt.
Deshalb kommuniziert das Theater häufig auch nur das Positive: In seiner Mitteilung zur Neuanstellung äussert man sich euphorisch über den neuen Ballettchef. Kein einziges Wort zu seinem ekelhaften Ausraster ist darin zu finden, stattdessen wird Goecke als «Ausnahmekünstler» gepriesen. In der Kulturbranche haben Einzelne offenbar noch immer nicht verstanden, welches Verhalten im Umgang mit anderen Menschen angebracht ist. Der Mythos des Genies, das sich danebenbenehmen kann, bleibt ungebrochen.
Das wirft ein schlechtes Licht auf Basel. Unzählige Personen, viele davon aus der Kulturwelt, zeigen sich in den sozialen Medien konsterniert über den Entscheid. Sie fragen sich wohl alle das Gleiche: Warum entscheidet sich das Theater nicht für eine talentierte Person mit ausreichender Selbstbeherrschung und Sozialkompetenz?
Theaterintendant Benedikt von Peter beteuerte gegenüber den Medien, jeder Mensch habe eine zweite Chance verdient. Das stimmt. Goecke hat diese andernorts bereits als Gastchoreograf erhalten. Aber eine zweite Chance auf eine Leitungsposition an einem Theaterhaus? Die hat er bei diesem Fehlverhalten nicht verdient.
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