«Eritrea-Festivals zu verbieten, verstösst gegen Grundrechte»
Vor dem eritreischen Unabhängigkeitstag gehen die Schweizer Behörden gegen Feierlichkeiten vor. Botschafter Habtom Zerai sieht dadurch die Versammlungsfreiheit geritzt.
Am Freitag feiert Eritrea (siehe Box) seinen Unabhängigkeitstag. Rund um sogenannte «Kulturfestivals» kam es in den letzten zwei Jahren in ganz Europa zu Zusammenstössen zwischen Regierungstreuen und Oppositionellen – in der Schweiz etwa in Opfikon ZH, Grellingen BL und Gerlafingen SO.
Weil sie weitere Ausschreitungen befürchten, empfahlen die kantonalen Polizeidirektoren den Gemeinden im April, jegliche Eritrea-Veranstaltungen den Behörden zu melden. Nun spricht erstmals der eritreische Botschafter öffentlich. Im Interview mit 20 Minuten attackiert Habtom Zerai die Schweizer Sicherheitskräfte scharf – und nimmt Stellung zur Kritik von Oppositionellen.
Botschafter Habtom Zerai ist seit Herbst 2023 im Amt.
Herr Zerai, was halten Sie von der Warnung der Polizei vor Eritrea-Festen?
Für uns ist schwer zu verstehen, warum die Behörden einen solchen Schritt machen. Das verstösst doch gegen die demokratischen Werte der Schweiz.
Hatte die Warnung denn schon Folgen?
In verschiedenen Kantonen wurden jetzt Festlichkeiten verboten, etwa in Bern oder Genf. Ich verstehe die Beweggründe dahinter nicht. Die Schweiz ist das einzige europäische Land, das zu einer solchen Massnahme greift. Das verstösst gegen Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit.
Rund um eritreische Feste kam es in den letzten Jahren in ganz Europa zu Zusammenstössen. Da ist es doch verständlich, dass die Behörden alarmiert sind?
Die Gewalt wird von aussen orchestriert – von einer kleinen Gruppe von Gewalttätigen. Gegen sie muss mit der vollen Härte des Gesetzes vorgegangen werden. Das ist der einzige Weg, um mit dieser Situation fertig zu werden.
Oppositionelle sagen, Gewalt komme auch von Regierungstreuen. Teils rufen diese auch in der Schweiz öffentlich dazu auf.
Wir verurteilen jegliche Gewalt – egal, auf welcher Seite des Konfliktes die Person steht.
Menschenrechtsorganisationen und die UNO kritisieren Ihre Regierung scharf. Jüngst sprach etwa das Hochkommissariat für Menschenrechte von einer «schrecklichen Situation» im Land. Wie reagieren Sie darauf?
Es gibt tatsächlich viele Vorwürfe. Was ich sagen kann, ist: Menschenrechte sind eine Kernpriorität für Eritrea. Das zeigt auch ein Bericht, der von der Regierung jüngst für die UNO verfasst wurde. Die Menschenrechte wurden von Eritreas Gegnern oft als ein politisches Werkzeug verwendet, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen.
Präsident Isaias Afewerki wird oft als «Diktator» bezeichnet. Was sagen Sie dazu?
Jeder darf eine Meinung haben. Diese Vorwürfe hören wir seit zwanzig Jahren und ich äussere mich nicht mehr dazu.
Sie finden also nicht, dass Afewerki diktatorisch ist?
Natürlich nicht! Er mag seine Differenzen mit dem Westen haben. Aber solche Vorwürfe sind empörend und entbehren jeglicher Grundlage.
Rechnen Sie um den Unabhängigkeitstag am 24. Mai mit weiteren Zusammenstössen?
Wenn die Feste durchgeführt werden dürfen, rechne ich nicht mit weiteren Ausschreitungen.