Vier verlorene Achtelfinals seit 2014 sind genug: Die Schweiz muss gegen Italien beweisen, dass sie ein Viertelfinal-Team ist

vier verlorene achtelfinals seit 2014 sind genug: die schweiz muss gegen italien beweisen, dass sie ein viertelfinal-team ist

Schweizer Jubel nach dem Sieg im Achtelfinal ;gegen Frankreich an der EM 2020: Ruben Vargas, Christian Fassnacht, Admir Mehmedi, Nico Elvedi und Manuel Akanji (v. l. n. r.) rennen los zum Penalty-Helden Yann Sommer. Jean-Christophe Bott / Keystone

An diesem Samstag findet für die Schweizer Nationalmannschaft eine Reise ihre Fortsetzung, die vor 3651 Tagen angefangen hat. Zumindest für Granit Xhaka, Fabian Schär, Xherdan Shaqiri und Ricardo Rodriguez.

0:1 hatten die Schweizer verloren nach einem Tor von Ángel Di María in der 118. Minute der Verlängerung. Blerim Dzemaili vergab danach die berühmte Kopfball-Chance, deren Verwertung die Schweizer ins Penaltyschiessen geführt hätte. «Das ganze Stadion war auf unserer Seite, die Brasilianer feuerten uns an», sagt Rodriguez. Viel mehr braucht er gar nicht zu sagen. Es ist ihm anzusehen, wie gerne er sich an den Anfang seiner Achtelfinal-Reise erinnert.

Rodriguez ist der Schweizer mit den meisten Achtelfinal-Minuten

Unterdessen hat er 118 Mal für die Schweiz gespielt, nun ist Italien der Gegner in Rodriguez’ sechstem Achtelfinal in Folge. «Ich bin nicht nervös», sagt er. Auch das braucht er eigentlich gar nicht zu sagen, weil seine Ruhe und Abgeklärtheit legendär sind. Rodriguez sagt: «Ich bin angespannt, ich mache mir Gedanken, was sein wird.»

Mit 507 gespielten Minuten in Achtelfinals ist er der Schweizer Spieler mit der grössten Erfahrung, vor Xherdan Shaqiri (493) und Granit Xhaka (486). Auch Fabian Schär spielte bereits in Brasilien, Yann Sommer war als Ersatzgoalie in Brasilien. Sie alle sind auch jetzt in Berlin.

Die Schweizer sind ein Team, das in den letzten zehn Jahren enorm viel Erfahrung gesammelt hat. 3695 Minuten sind es, wenn man die Achtelfinal-Zeit aller Spieler summiert, die in Berlin im Schweizer Kader stehen. Die reiche Erfahrung speist sich aus der Niederlage gegen Portugal an der letzten WM, aus dem Sieg gegen Frankreich an der EM 2021, dem 0:1 gegen Schweden an der WM 2018, gegen Polen im Penaltyschiessen 2016, der WM in Brasilien. Jetzt, im sechsten Achtelfinal in Folge, ist es wieder einmal Zeit für einen Sieg.

vier verlorene achtelfinals seit 2014 sind genug: die schweiz muss gegen italien beweisen, dass sie ein viertelfinal-team ist

Bis jetzt ist das Spiel gegen Argentinien an der WM 2014 ;der liebste Achtelfinal von Ricardo Rodriguez (rechts). Ändert sich das am Samstag im Berliner Olympiastadion? Matthias Hangst / Bongarts / Getty

Das zumindest ist Hoffnung und Anspruch der Schweizer Fussballgemeinde und der Öffentlichkeit, die sich in all den Jahren verwöhnen liessen vom regelmässigen Weiterkommen in den Gruppenphasen. Das ist aber auch der Anspruch der Mannschaft und der Spieler. Sie betonen immer wieder, dass es an einem Turnier «keine Grenzen» gebe. «Keine Grenzen» – das war schon das Motto, das 2014 der damalige Trainer Ottmar Hitzfeld für die WM in Brasilien ausgegeben hatte.

Keiner verkörpert diese Haltung mehr als der Captain Granit Xhaka. Zusammen mit Rodriguez war er in der U-17-Mannschaft, die 2009 in Nigeria den Weltmeistertitel gewann. Seither sind Xhaka und Rodriguez Freunde, sie kennen sich in- und auswendig. Nach dem Deutschland-Spiel eilte Rodriguez unbemerkt von den TV-Kameras zu Xhaka und redete ihm kurz zu, weil der Captain sauer war wegen des späten Gegentreffers. Später machte Xhaka vor den Medienleuten in der Mixed-Zone Werbung für Rodriguez, dessen Vertrag bei Turin nicht verlängert wurde. Keiner verstehe, weshalb Rodriguez keinen neuen Verein habe, sagte Xhaka. Die beiden schauen aufeinander – der eine auf seine ruhige, der andere auf seine laute Art.

Oft hat Negatives die Schweizer angetrieben

Das war schon 2014 so, als Xhaka gegen Argentinien ausgewechselt wurde und wegen der ihm zugewiesenen Aufgabe auf der Seite statt im schon damals bevorzugten Zentrum enttäuscht und verärgert war. Nach einer durchgemachten Nacht lümmelten die beiden Freunde mit anderen Teamkollegen zufrieden vor dem Teamhotel und trieben Scherze mit den Medienleuten, die Ottmar Hitzfelds Statement zum Ausscheiden gegen Argentinien und vor allem zum Ende seiner grossen Trainerkarriere hören wollten. Xhaka war wieder zufrieden nach seinem 30. Länderspiel. Und heute?

Mit 128 Einsätzen ist Xhaka Rekordnationalspieler, Anführer, Dreh- und Angelpunkt, Captain. Ohne ihn in seiner besten Verfassung wie an dieser EM wäre die Schweiz eine andere Mannschaft. Natürlich sind an der Achtelfinal-Geschichte auch andere Spieler massgeblich beteiligt. Xherdan Shaqiri und seine Tore – wie gegen Honduras, Polen oder jüngst gegen Schottland – gehören dazu. Es gab Yann Sommer und seine Parade im Penaltyschiessen gegen Frankreichs Kylian Mbappé, Valon Behramis Unerbittlichkeit gegen den Brasilianer Neymar. Es gab Admir Mehmedi und seine letzte Aktion als Nationalspieler, den letzten Penalty zum Sieg gegen Frankreich. Und vieles mehr.

Aber es gibt keinen anderen Spieler als Xhaka, an dem sich die immer wieder auch komplizierten und schwierigen Erfahrungen der Mannschaft kristallisierten. Die wiederkehrende Secondo-Diskussion spielte mit, als er 2016 gegen Albanien und seinen Bruder Taulant antreten musste. 2018 war es Xhaka, der im Zentrum der Doppeladler-Affäre stand im Spiel gegen Serbien. In Katar 2022 spielten die Schweizer wieder gegen Serbien. Und wieder resultierte ein Energieverlust, der viel kostete.

Auch dem Achtelfinal-Sieg gegen Frankreich ging die Übellaunigkeit über das 0:3 gegen Italien mit der anschliessenden Diskussion um gefärbte Haare und teure Autos voraus. Diese stachelte Xhaka dazu an, sein Team zum Sieg gegen den Weltmeister zu peitschen. Da war immer Negatives von aussen, das Xhaka und die Mannschaft angetrieben hat.

So führten der verpatzte WM-Achtelfinal gegen Portugal und die holprige EM-Qualifikation danach dazu, auf dieses Turnier hin einiges zu ändern: Der Trainer Murat Yakin hat zusammen mit dem neuen Assistenten Giorgio Contini den Draht zur Mannschaft gefunden; die Vorbereitungen genügen nun den Standards, welche die Nationalspieler aus ihren Klubs kennen. Nach viel Kritik im Herbst lobt Xhaka den Trainer unterdessen auffällig laut.

Bisher scheinen Xhaka und die Mannschaft gelernt zu haben. Es gab keine Negativschlagzeilen, der Captain kassierte keine Verwarnung wegen Reklamierens wie gegen Frankreich 2021, was ihn damals die Viertelfinal-Teilnahme kostete. Nach der Meistersaison mit Bayer Leverkusen wirkt Xhaka, als habe er die richtigen Schlüsse gezogen, damit er sich auf die Leistung auf dem Platz konzentrieren kann.

Nun, im besten Alter, kommt eine neue Achtelfinal-Chance. Xhaka, Rodriguez, Shaqiri, Schär, Sommer und alle anderen wissen, dass sie nicht mehr viele Gelegenheiten haben zu zeigen, dass sie ein Viertelfinal-Team sind. Die Reise soll weitergehen.

Der schönste Achtelfinal? Vielleicht wird Rodriguez auf diese Frage einmal sagen: «Berlin.»

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