Ausweisung nach Sympathie für Terror? Die deutsche Regierung will das möglich machen
Pro-palästinensische Demonstranten protestieren 2017 im Berliner Stadtteil Neukölln gegen Israel. Snapshot-Photography /F. Boillot / Imago
Die deutsche Regierung will Ausländer schneller ausweisen können, die in Deutschland Terror billigen. Am Mittwoch beschloss das Kabinett einen vom Innenministerium unter Nancy Faeser vorgelegten Entwurf für die nötige Änderung des Aufenthaltsgesetzes. Die Bundesregierung reagiert damit auf Postings, die etwa den Terror der Hamas gegen Israel oder den islamistisch motivierten Mord an einem Polizisten in Mannheim feiern.
Die geplante Verschärfung könnte viele Ausländer betreffen. So sind allein seit dem 7. Oktober, dem Tag des Terrorangriffs der Hamas auf Israel, fast 11 000 sogenannte Hassinhalte auf Betreiben des Bundeskriminalamts gelöscht worden.
«Der Islam gehört zu Deutschland, der Islamismus nicht»
Die Sozialdemokratin Faeser zeigte sich bei der Vorstellung ihres Entwurfs kämpferisch. «Wer keinen deutschen Pass hat und hier terroristische Taten verherrlicht, der muss, wo immer möglich, ausgewiesen und abgeschoben werden. Dazu schaffen wir jetzt eine neue rechtliche Grundlage.» Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck sieht es ähnlich. «Wer terroristische Straftaten billigt und für sie wirbt, muss gehen», teilte Habeck mit. «Der Islam gehört zu Deutschland, der Islamismus nicht.»
Anknüpfungspunkt für Faesers Pläne ist im deutschen Strafgesetzbuch der Paragraf 140. Er bestraft nicht nur das Billigen bereits geschehener Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sondern auch das künftiger. Davon ausgehend will Deutschland nun ein erhöhtes Ausweisungsinteresse geltend machen.
Während man dafür bisher mehrere terroristische Taten gutheissen musste, soll jetzt auch eine einzelne gebilligte Tat genügen. Und es wird nicht mehr nur Billigung in schriftlichen Werken berücksichtigt, sondern auch in den sozialen Netzwerken. Das hält die veröffentlichte Formulierungshilfe des Innenministeriums zum Gesetzentwurf ausdrücklich fest. «Unter Verbreitung eines Inhalts kann daher nunmehr etwa auch das Markieren eines Beitrags durch ‹Gefällt mir› in den sozialen Medien wie Youtube, Instagram, Tiktok etc. fallen», heisst es darin.
Das Innenministerium will so auf die veränderte Bedrohungslage reagieren. In den letzten Jahren habe die Zahl der terroristischen Einzeltaten und Einzeltäter schliesslich zugenommen. Zudem könne man in den sozialen Netzwerken bereits im Rahmen einer einzelnen Handlung einen grossen Empfängerkreis erreichen, weshalb die bisherige Regelung der Wirklichkeit nicht mehr gerecht werde, da ist sich das Innenministerium sicher. Auch wer nur eine einzelne Terrortat eines Einzeltäters gutheisse, könne damit schon zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufrufen.
Genügt also eine «Gefällt mir»-Angabe auf Facebook, um aus Deutschland ausgewiesen zu werden? Wenn es nach dem Willen der Bundesregierung geht, ja. Zwar kann gegen den von einer Ausländerbehörde verfügten Ausweisungsbescheid Einspruch vor einem Verwaltungsgericht eingelegt werden. Darauf wies ein Sprecher des Innenministeriums hin. Aber eine strafrechtliche Verurteilung durch ein Gericht braucht es ausdrücklich nicht. Die Strafverfolgung finde vielmehr parallel statt.
Juristen haben indes Zweifel, ob eine blosse «Gefällt mir»-Angabe schon als Verbreitung eines strafrechtlich relevanten Inhalts gewertet werden kann. So muss nach Auffassung des Giessener Migrationsrechtlers Stephan Hocks die Intention festgestellt werden. Es muss also klar sein, was die Person tatsächlich zum Ausdruck bringen wollte und ob sie wirklich wusste, was sie da tut.
Ausweisung ist nicht dasselbe wie Abschiebung
Wichtig ist zudem, zwischen Ausweisung und Abschiebung zu unterscheiden. Beides ist nicht einfach dasselbe. Darauf macht etwa der Konstanzer Jurist und Migrationsexperte Daniel Thym aufmerksam. Unter Ausweisung ist der Verlust der Aufenthaltserlaubnis zu verstehen. Eine automatische Ausschaffung resultiert daraus aber nicht. Vielmehr könne eine Abschiebung trotz Ausweisung verboten sein, so Thym.
Ganz abgesehen davon bedarf es eines Staates, der bereit ist, den Auszuschaffenden aufzunehmen. Daran scheitern in Deutschland neben der Weigerung der Betroffenen, an der Klärung ihrer Identität mitzuwirken, bis anhin die meisten Abschiebungen.
Der Opposition gehen die Pläne der Regierungskoalition derweil nicht weit genug beziehungsweise zu weit. «Die ‹Ampel› verschenkt eine Gelegenheit, das Ausweisungsrecht endlich an die heutige Zeit anzupassen», sagt Alexander Throm, innenpolitischer Sprecher der Fraktion von CDU und CSU im Bundestag. Die jetzt vorgelegte Reform sei ein Minimalkompromiss – «mehr nicht», meint der Christlichdemokrat gegenüber der NZZ.
Zwar hält er die Gesetzesverschärfung für richtig. Aus seiner Sicht lässt das Vorhaben aber die entscheidenden Probleme aussen vor. «Wer ohne Bezug zu einer konkreten Tat allgemein islamistischen Terror bejubelt, also beispielsweise bei einer Kalifats-Demo oder mit Hamas-Propaganda, muss weiterhin keine Ausweisung befürchten», gibt Throm zu bedenken. Hier müsse Innenministerin Faeser dringend nachbessern.
Die Linkspartei beklagt autoritären Staatsumbau
Die linke Opposition im Bundestag hingegen sieht Deutschland auf dem Weg zum autoritären System. «Wenn es um autoritär regierte Staaten wie die Türkei oder Russland geht, empören sich Politiker hierzulande zu Recht darüber, dass Menschen dort wegen eines ‹Likes› in den sozialen Netzwerken verfolgt werden oder gar im Gefängnis landen können. Allerdings bewegt sich die Bundesrepublik längst selbst in diese Richtung», sagte die Sprecherin für Fluchtpolitik der Linkspartei im Bundestag, Clara Bünger.
Ob der Kabinettsbeschluss den Bundestag unverändert passiert, ist dabei keineswegs ausgemacht. So äusserten sich grüne Abgeordnete zurückhaltend. Man werde den Entwurf in der Fraktion prüfen, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, Irene Mihalic.
Die Bundesregierung hat es derweil eilig. Sie hängte den Entwurf deshalb als Änderungsantrag an einen anderen Gesetzentwurf an. So soll das parlamentarische Verfahren beschleunigt werden.