Medienversagen: Es ist zu leicht, AfD und BSW einfach als Populismus zu bezeichnen

medienversagen: es ist zu leicht, afd und bsw einfach als populismus zu bezeichnen

Wer bestimmt, was Mitte, Rechts oder Links ist?

Und täglich grüßt das Ritual: Am Abend nach der Wahl zum EU-Parlament wiederholt Brüssel-Korrespondent Ulf Röller in der ZDF-heute-Sendung einen häufig strapazierten Punkt: Wer sich parlamentarisch-politisch für Frieden insbesondere mittels Diplomatie einsetzt, hier vor allem mit Blick auf den Krieg in der Ukraine, wird auch von ihm – wie so oft von sehr vielen Medien in den vergangenen Wochen und Monaten – tendenziell als „Rechtsaußen“ markiert.

Gerade dieser Punkt hinsichtlich von „Krieg und Frieden“ erscheint aber kaum zutreffend – auch daher hier einige kritische Anmerkungen zum Umgang vieler etablierter Medien mit den beiden größeren politischen Kräften, die bundesweit bei der Wahl zum EU-Parlament am meisten zugelegt haben – AfD und BSW. Transparenzhinweis: Der Autor hat weder AfD noch BSW gewählt und hofft insofern, vergleichsweise unabhängig die entsprechende Medienrealität diskutieren zu können.

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Brüssel-Korrespondent Ulf Röller, hier am 14. Mai 2024 zu Gast bei Markus Lanz.

Zunächst: Es lassen sich in Krisenzeiten verstärkt strukturelle Kopplungen zwischen etablierten Parteien und ebensolchen Medien beobachten. Über relativ neue politische Kräfte wird oft anders berichtet und kommentiert als über tradierte. Das bleibt auch mit Blick auf viele journalistische Darstellungen von AfD und BSW festzustellen: Sofern diese Akteure überhaupt thematisiert wurden, passierte das relativ häufig abwertend. Was besonders problematisch wirkt, da etablierte Kräfte, namentlich der sogenannten Mitte und vor allem Regierungsakteure, erstens vergleichsweise häufig und zudem zweitens kaum distanziert oder gar kritisch thematisiert werden. So entsteht auch hier der Eindruck von Doppelstandards.

Wenn reichweitenstarke journalistische Medien mit den politisch, wirtschaftlich oder kulturell Mächtigen ebenso kritisch umgingen – dann würde sich diese Schere kaum auftun. Um hier beim Thema „Krieg in der Ukraine“ zu bleiben: Sofern es überhaupt leitmediale Kritik gibt am Regierungshandeln, dann praktisch nur im Sinne von „Noch mehr/schneller/wirksamere Waffen für die ukrainische Führung!“ Diese bellizistische Gesinnung teilen aber offenbar beträchtliche Teile der Wählerschaft nicht – und wenn diese vermutlich ganz verschiedenen Menschen dann noch ziemlich pauschal in die „Rechtsaußen“-Ecke gestellt werden als eine Form von „Publikumsbeschimpfung“, verstärkt sich deren Entfremdung von den herrschenden Verhältnissen.  Also insbesondere von herrschender Politik und herrschenden Medien.

Es verstärkte sich zudem laut herrschender Lesart vermeintlich die Entfremdung, ja Abwendung vieler Leute von „Europa“ und von der Demokratie. Auch dies sind zwei Kurzschlüsse, die womöglich etliche Menschen nerven, welche dann eventuell BSW oder AfD wählen: Die EU – und zumal deren relativ machtloses Parlament – sind natürlich (sic!) nicht „Europa“, sondern diese Union ist ein Staatenbund mit bestimmten Eigenschaften und Interessen. Ebenso sollte nicht anhimmelnd von der Demokratie geredet werden, wenn die aktuelle polit-ökonomische Verfasstheit von Ländern wie Deutschland gemeint ist. Demokratisch könnte zum Beispiel, Gruß ans Grundgesetz, auch die Wirtschaft organisiert werden („Wirtschaftsdemokratie“), oder es könnte vielmehr „direkte“ Demokratie mittels Volksentscheiden geben etc.

Die stellvertretende Chefredakteurin der Medienorganisation „correctiv.org“, Anette Dowideit, hat andere Sorgen. Sie schreibt dieser Tage über ihre Redaktion: „Wir haben darüber beraten, was wir mit den Mitteln der Medien denn noch tun können, um die Gefahren sichtbar zu machen, die von Rechts- oder auch Linkspopulisten ausgehen.“

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Bei der Wahl zum Europäischen Parlament wurde die AfD bundesweit zweitstärkste Kraft.

Vor solchen Hintergründen wird dann leitmedial kaum noch thematisiert, aus welchen sozio-ökonomischen, politischen und kulturellen Gründen Kräfte wie AfD und BSW so stark wurden. Wo also die massive Unzufriedenheit bei vielen Menschen im Lande herkommt. Eher wird durch Medienschaffende (sicher durchaus auch) Fragwürdiges beim dortigen Führungspersonal skandalisiert, als dass man kritisch und selbstkritisch gesellschaftliche Strukturen problematisierte. Das Narrativ lautet in der Tendenz: „Gut“ gegen „Böse“, Demokraten gegen Demokratiefeinde, Mitte gegen Extreme.

Dass der weltumspannende Kapitalismus – ob nun wirtschaftlich eher neoliberal-global oder aber mehr nationalistisch-abgeschottet auftretend, ob politisch eher demokratisch oder mehr diktatorisch verfasst –, dass also dieser Kapitalismus alle möglichen Konkurrenzen noch verschärft und damit massenhaft Verlierer - oder zumindest Verlustängste erweitert produziert, dazu ist in etablierten Medien wenig zu finden. Stattdessen lautet das Framing: Die Gefahr, die Spaltung, das Abzuwehrende drohe von den sogenannten Rändern. Also von (dr-)außen. Die Mitte hingegen sei das normativ Gute. Vielleicht gilt stattdessen jedoch in Anlehnung an einen bekannten Filmtitel: „Aus der Mitte entspringt ein Fluss“ - hier als ein Aus-Fluss an Konflikten, Krisen und Kriegen. Oder eben an Extremismus.

Die Menschen, die AfD oder BSW wählen, scheint es wenig zu scheren, dass sie leitmedial unter Rechts- oder eben Linkspopulismus gelabelt werden. Offenbar ja sogar im Gegenteil. Mal abgesehen von der Fragwürdigkeit jener Gleichsetzung „rechts“ gleich „links“ nun auch beim „Populismus“, sei hier auf das Modell der Soziologin Yana Milew vom „normativen Populismus“ verwiesen: Dieser kann als Herrschaftsinstrument des neoliberalen Establishments begriffen werden. Normativer Populismus verkündet „Political Correctness“ und tendiert zugleich dazu, alles mögliche „Andere“ abzuwerten und auszugrenzen – zum Beispiel, indem es als populistisch oder extremistisch markiert wird. Während die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf den Kampf gegen einen rechten oder eben – genau so „schlimm“ – linken Populismus konzentriert wird, geht laut Milev die tatsächliche Beschädigung der Demokratie von der etablierten neoliberalen Mitte aus. Denn der normative Populismus wird und wirkt tendenziell autoritärer sowie aggressiver, nach innen wie außen.

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BSW-Spitzenkandidat Fabio De Masi in der ARD-Wahlarena mit den Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der deutschen Parteien für das Europaparlament am 06. Juni 2024.

Wagenknecht will in die Wahlarena? Nicht mit uns! Als ein besonders augenfälliges Beispiel für autoritäre und arrogante Anmaßungen etablierter Medien darf das Verhalten des öffentlich-rechtlichen WDR vor der jüngsten ARD-Wahlarena kritisiert werden: Der für diese Sendung verantwortliche WDR musste erst durch ein Eil-Urteil des NRW-Oberverwaltungsgerichtes in Münster juristisch dazu gezwungen werden, dass der Spitzenkandidat des „Bündnis Sahra Wagenknecht“ für die Wahl zum EU-Parlament, Fabio De Masi, doch noch in letzter Minute an der wichtigsten TV-Sendung zu jenem Thema teilnehmen durfte.

Die Begründung des WDR für die Ausgrenzung des BSW-Mannes bleibt bemerkenswert: Es seien Vertreter jener Parteien eingeladen worden, die zum damaligen Zeitpunkt im EU-Parlament bereits „mit relevanter Stärke“ vertreten waren. Treffender kann man das Festhalten am Status quo, die Privilegierung der Etablierten kaum auf den Punkt bringen.

Die Umfragewerte für das BSW waren übrigens seit Wochen deutlich höher als jene von FDP oder Linkspartei. Der WDR berief und beruft sich bei seiner Auswahl der politisch relevanten Kräfte auf seine grundrechtlich geschützte redaktionelle Freiheit. Diese unterstrich auch das Berufungsgericht, fügte allerdings hinzu, das BSW könne wegen des verfassungsrechtlichen Gebots der Chancengleichheit für politische Parteien die Teilnahme an jener Sendung beanspruchen, sofern sich ja die Sendung offenbar nicht nur mit der Vergangenheit beschäftigen wolle. Das Sendungskonzept mit Schwerpunkt auf den bevorstehenden Wahlen rechtfertige jedenfalls keinen BSW-Ausschluss.

Kaum zu fassen, dass dies einige Jura-Profis vielen Journalismus-Profis auferlegen mussten. Und noch weniger zu fassen, dass nun der WDR ankündigt, in dieser Frage Verfassungsbeschwerde einlegen zu wollen. Anstatt dem Gericht dankbar zu sein, dass es für ein Mindestmaß an angemessener Repräsentanz und damit an Artikulation jener Leute gesorgt hat, die Rundfunkbeitrag zahlen. Man wünschte sich, die redaktionelle Autonomie würde ähnlich ernst genommen seitens Medien wie des WDR, wenn es um Auseinandersetzungen mit herrschenden politischen Kräften geht oder wenigstens ginge. Aber anscheinend ist man an der Stelle eher ängstlich.

Apropos Angst, die als Topos sowohl bei vielen etablierten Kräften in Politik und Medien als auch bei Akteuren wie AfD und BSW oder wiederum in etlichen alternativen Medien eine immer wichtigere Rolle zu spielen scheint. Hier nicht im Sinne impliziter Angst vor Veränderung oder aber vor Verhärtung des Status quo. Sondern mit Blick auf das Spiel mit und die Instrumentalisierung von Ängsten gleichsam als „Aufmacher“, um zunächst Aufmerksamkeit und schließlich Ordnung durch Unterordnung zu erreichen. Solches Schüren von Ängsten – und damit gesamtgesellschaftlich wachsende Irrationalität – findet sich gleichsam spiegelbildlich sowohl in der sogenannten Mitte (Angst vor Extremismus, Putin, China, Viren etc.) als auch bei Kräften wie AfD und BSW (Angst vor Migration, Kriminalität, Impfungen usw.). Gemeinsam ist all diesem Aufbauschen von Ängsten, dass man jeweils vorgibt, erstens „Deutschland“ damit zu retten und dass es zweitens nur zwei konträre, also binäre Denk- oder Handlungsmöglichkeiten gäbe – mit der jeweiligen Regierung bzw. Partei oder aber gegen sie.

Dabei ist doch – im Aufgreifen eines Spruches von Franklin D. Roosevelt – das Einzige, was Menschen wirklich fürchten sollten, die Angst selbst. Die sich ja bei näherem Hinschauen und Argumentieren oft als „nackt“ herausstellen mag, wie der Kaiser ohne Kleider im Märchen. Also kaum als Angst einflößend. Als nicht unbedingt lähmend. Sondern vielleicht sogar als produktiv aktivierend. In Richtung solidarischer Kooperation statt ausschließender Konkurrenz. Denn auch Medienrealität wird von Menschen gemacht. Es kommt darauf an, wie wir diese Medienrealitäten interpretieren. Und was wir daraus machen.

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