Österreich bei der EM: Mutter, der Mann mit dem Gruppensieg ist da

Wer hätte das gedacht: Österreich lässt mit dem spektakulären EM-Gruppensieg die Niederlande und Frankreich hinter sich. Wie weit kann Ralf Rangnick dieses Team bringen?

Man hat Ralf Rangnick selten singen gesehen. Dabei outete er sich vor der EM als Fan von Rod Stewart und Coldplay mag er auch: "Die ganze Bandbreite von richtig guten Balladen", sagte er. Jetzt weiß man: Hey Jude gehört auch dazu, denn Rangnick stand am Dienstagabend Arm in Arm mit seiner österreichischen Mannschaft im Berliner Olympiastadion, blickte in den Abendsommerhimmel hinter dem Marathontor und trällerte den Beatles-Refrain.

Vorher lief der Fendrichsche Austropop-Klassiker I am from Austria, nun die Beatles, es war nicht ganz klar, warum so. Aber das war auch egal. Rangnick und seine Mannschaft feierten den 3:2-Sieg über die Niederlande im letzten EM-Vorrundenspiel so ausgelassen wie im gleichen Stadion sonst nur die DFB-Pokalsieger. Weil sich Frankreich und Polen im anderen Spiel überraschend 1:1 trennten, zieht Österreich sogar als Gruppensieger ins Achtelfinale ein.

"Das ist eigentlich unglaublich", sagte Rangnick. In der Gruppe mit den Niederlanden, Frankreich und Polen gestand man ihnen vor dem Turnier den dritten Platz zu. Doch schon die knappe Niederlage durch ein Eigentor gegen Frankreich ließ aufhorchen. Polen schlugen sie klar. Und jetzt dieses wilde 3:2 gegen matte Niederländer: Für Österreich war es ein historischer Abend. Zum ersten Mal seit der WM 1974 wurden sie Gruppensieger bei einem Turnier. Cordoba-Vergleiche fielen bei den Kollegen des ORF natürlich genau mit Abpfiff, weil man wie damals in Argentinien (gegen Deutschland) mal wieder einen der Großen geschlagen hatte.

Das Spiel gegen die Niederlande war ein Abtausch von Schlägen und Treffern, eine Abfolge des Hinnehmens und Reagierens. Zum Beispiel Florian Grillitisch. Der defensive Mittelfeldspieler muss sich im ersten Durchgang wie auf einer Almwiese gefühlt haben, so viel Platz hatte er. Er führte durchs Spiel. Doch als die zweite Hälfte begann, luchsten ihm die Niederländer sofort den Ball ab, konterten und glichen aus zum 1:1. Nur zwölf Minuten später aber war er es, der im Strafraum der Niederländer auftauchte, den Weg zur Grundlinie ging und flankte. Romano Schmid köpfte zur Führung. Kassieren, weitermachen, zurückschlagen. Es war das österreichische Motto. "Die Reaktion meiner Mannschaft hat mich am meisten beeindruckt", sagte Rangnick.

Sowohl er als auch sein Kollege Ronald Koeman wechselten gleich mehrere Spieler im Vergleich zu den Spielen davor. Doch nur Rangnicks Wechsel gingen auf. Zweimal attackierten die Österreicher in den Anfangsminuten die rechte Abwehrseite der Niederländer, auf der Lutsharel Geertruida sein erstes EM-Spiel machte. Beim dritten Mal stand er so weit in der Mitte, dass Marko Arnautović den Linksverteidiger Stefan Prass gar nicht verfehlen konnte, so frei stand der. Und ein zweiter Neuer bei den Niederländern, Dortmunds Donyell Malen, wollte alles richtig machen, sprintete mit zurück, doch er grätschte Prass' Flanke ins eigene Tor.

Das Spiel wog von links naar rechts wie die Tausenden Niederländer zuvor im Berliner Westend. Malen und Tijjani Reijnders vergaben zwei hervorragende Gelegenheiten, die zeigten, dass die Österreicher nicht unbezwingbar sind. Aber Ralf Rangnick hat ihnen das Spielen beigebracht, die erste Halbzeit gehörte ihnen. Mittendrin gab es eine Passstafette, die beim Torhüter begann und sich zwei Minuten über das ganze Feld zog. Rangnicks Mannschaften sind eigentlich dafür bekannt, auf Fehler des Gegners zu lauern, um dann mit möglichst wenig Metern dem Tor nahe zu sein. Er ist der Vordenker des sogenannten Gegenpressings, bei dem alle Spieler den Gegner über den Platz jagen. Doch als Trainer einer Nationalmannschaft musste auch er sich anpassen.

Was aber nicht heißt, dass sein Stil nicht doch Opfer beim Gegner provoziert. Joey Veerman hieß der an diesem Abend. Hollands Mittelfeldmann war der ärmste Tropf, nicht nur des Spiels, sondern des bisherigen Turniers. Er wurde höchststrafartig in der 33. Minute ausgewechselt. Seine Ballverluststatistiken waren vernichtend, auch seinetwegen kontrollierte Österreich das Spiel. Er brach auf der Bank in Tränen aus. Rührend, wie sich seine Mitspieler dort um ihn kümmerten, ihn tätschelten und eine Jacke brachten.

Doch auch dieser ungewöhnlich frühe Wechsel verschaffte den Niederländern keine Ruhe, die talentierten Xavi Simons, Memphis Depay und Cody Gakpo fanden keinen Anschluss an ihr Mittelfeld. Beim 2:1 der Österreicher lief nicht jeder mit zurück. Sie brachten Wout Weghorst, das hünengewordene Zeichen dafür, dass es jetzt aber wirklich mal Zeit für die einfachen Dinge wird. Der lieferte dann auch eine Vorlage mit dem Kopf in der nun atemlosesten Phase des Spiels für den Ausgleich durch Depay. Aber der niederländischen Abwehr, angeführt von Virgil van Dijk, fehlte Ordnung und Abstimmung. Dortmunds Marcel Sabitzer ging 30 Meter mit Ball durchs niederländische Mittelfeld spazieren und einen simplen Doppelpass später knallte er ihn zehn Minuten vor dem Ende aus kurzem Winkel zum Siegtreffer ins Tor. Van Djik hatte das Abseits aufgehoben. Zu Österreichs schönsten Pässen zählen seit jetzt einige weitere aus Berlin.

österreich bei der em: mutter, der mann mit dem gruppensieg ist da

Marcel Sabitzer und der Moment, der Österreich zum Gruppensieger machte.

Sie hatten auf alles eine Antwort und können es mittlerweile nicht mehr nur auf Schnee und Eis. Rangnick hat eine Turniermannschaft gebaut. Er holt fast alles heraus aus dem, was er hat. Seine Fußballer nerven. Sie stressen den Gegner. Der verletzte David Alaba ist als Maskottchen überall dabei. Marko Arnautović wirft sich in jeden Zweikampf, als ginge es um die Ehre in der Hochhaussiedlung in Wien-Florisdorf, in der er aufwuchs. Man kann mit ihm selten kombinieren, aber sein Einsatz und seine Kopfballstärke ist stilprägend. Nicolas Seiwald ist der Anker des Spiels, keiner spielte unter Rangnick häufiger, aber bei RB Leipzig darf er nicht mal regelmäßig. Die Abwehr wird Probleme bekommen, weil sie Abstandsprobleme hat. Aber nach diesem Spiel wissen sie, dass es gut gehen kann.

Sie sind spätestens jetzt im Turnierflow. Rangnick sagte, dass seine Aufstellung auch eine Reaktion auf das späte 1:1 der Italiener am Vorabend war. Weil damit das österreichische Weiterkommen schon vor dem Spiel so gut wie sicher war. Turnierfußball ist Mängelverwaltung. Rangnick ließ eine Mannschaft antreten, die nicht auf etwaige Gelbsperren Rücksicht nehmen musste: "Wir konnten all in gehen", sagte er und referierte über den Vorteil von scharf getretenen flachen Hereingaben gegenüber denen, die lange in der Luft sind. Einmal Professor, immer Professor.

Eine Woche haben sie jetzt Zeit bis zum Achtelfinale. Dann spielen sie in Leipzig, was passt, schließlich war Rangnick jahrelang dort und ein guter Teil seiner Mannschaft hat biografische Schnittmengen mit dem von ihm etablierten RB-Leichtathletenfußball. Auf der einen Hälfte des Turnierbaums tummeln sich jetzt die Favoriten Deutschland, Portugal, Spanien und Frankreich. Auf der anderen Österreich, England, die Schweiz und Italien, dazu kommen wohl noch Belgien und die Türkei. Nicht immer muss der Europameister die beste Mannschaft stellen, werden sich die Österreicher jetzt wohl denken.

Elende Fußballjahrzehnte gehen gerade zu Ende. Einmal darüber hinweglesen, liebe Österreicherinnen und Österreicher: Eine WM erlebten sie zuletzt 1998. Das 0:9 in Spanien und das 0:5 gegen Israel in der EM-Qualifikation 2000. Das Vorrundenaus bei der Heim-EM 2008 gegen Deutschland. Ein Unentschieden auf den Färöern ist, egal wann, immer peinlich. Und schließlich die vielversprechende EM-Qualifikation 2016 mit dem bekannten Ende: Vorrundenaus.

Doch Rangnick übernahm im Frühjahr 2022, lehnte sogar den Job als Bayern-Trainer ab und im Sommer 2024 stehen sie in dessen Heimatland und singen vom Gruppensieg, die ganz Verwegenen in der S-Bahn sogar vom Europameister ÖFB. Von so einem Draufhauen geht eben jeder beseelt nach Hause.

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