Südafrikas Koalition der aussenpolitischen Gegensätze

südafrikas koalition der aussenpolitischen gegensätze

Damals Justizminister, trägt Ronald Lamola (Mitte) im Januar die Klage Südafrikas gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag vor. Remko De Waal / ANP / Imago

Klarer hätte Südafrikas wiedergewählter Präsident Cyril Ramaphosa die Absicht, seine israelkritische Aussenpolitik fortzuführen, kaum ausdrücken können. Am Sonntag ernannte Ramaphosa den erst 40 Jahre alten Ronald Lamola zum Aussenminister. Noch als Justizminister hatte dieser im Januar die Klage Südafrikas gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag angeführt. Sein Team reichte damals eine 84 Seiten lange Klageschrift ein, die von vielen Rechtsexperten als juristisches Meisterwerk gepriesen wurde.

Das Aussenministerium bleibt also in der Hand von Ramaphosas Partei, dem in der Parlamentswahl Ende Mai auf 40 Prozent der Stimmen abgestürzten linkszentristischen Afrikanischen Nationalkongress (ANC). Bei den hitzig geführten Regierungsverhandlungen der vergangenen Wochen hatten auch die bisherigen Oppositionsführer der Democratic Alliance (DA) Interesse an dem für die Aussendarstellung zuständigen Ministerium angemeldet. Jene prowestliche liberale Partei also, die traditionell als israelfreundlich gilt und sich zunächst auch kritisch zur Klage geäussert hatte.

Manövriermasse nennt man das wohl. Denn realistische Chancen auf das wichtige Ministerium gab es für die DA nie. Der ANC werde an seinen aussenpolitischen Vorstellungen nichts ändern, hatte der ANC-Generalsekretär Fikile Mbalula gleich zu Beginn der Koalitionsgespräche betont. Das Gleiche gelte für die DA.

Ohne die Koalitionspartner geht es nicht

Beide Seiten stehen vor dem Spagat über ihre ideologischen Gräben. In der Koalitionsvereinbarung ist eher vage die Rede von einer «Aussenpolitik, die auf Menschenrechten, Verfassungstreue, dem nationalen Interesse, Solidarität und friedlicher Konfliktlösung basiert». Allerdings muss bei grundlegenden Entscheidungen eine 60-prozentige Zustimmung der Abgeordneten der Regierungskoalition vorliegen. Der ANC unterliegt also auch in bedeutenden aussenpolitischen Fragen einer Art Vetorecht seiner Koalitionspartner.

Schon die Bildung des Kabinetts war kompliziert, ihm gehören künftig 32 Minister an, zwei mehr als bislang. Neben der DA, zu deren sechs Ministerien immerhin Inneres, Bildung und, symbolisch wichtig, Landwirtschaft zählen, bedachte der ANC im Rahmen einer Regierung der nationalen Einheit auch kleinere Koalitionspartner mit Posten. Um das eigene Lager nicht allzu sehr zu dezimieren, verzichtete Ramaphosa auf die versprochene Verschlankung der Regierung. Sein ANC bekommt 20 Ministerien und stellt neben dem Staatspräsidenten auch dessen Stellvertreter.

Das Handeln um Posten in den vergangenen Wochen und die von beiden Seiten mehr oder minder deutlich angedrohte Aufkündigung ihrer gerade erst geschlossenen Zweckehe hatten den südafrikanischen Rand und die Aktienkurse auf Schlingerkurs und Teile des afrikanischen Kontinents in Sorge gebracht. Denn die Entwicklung der geopolitisch und wirtschaftlich wichtigsten Stimme Afrikas ist weit über die Grenzen hinaus spürbar. Unter seiner anhaltenden Wirtschaftskrise leiden auch die Nachbarländer. Südafrika ist zudem Mitglied der von China angeführten Staatengruppe Brics und die einzige Nation des Kontinents, die der G-20 angehört, deren Vorsitz es 2025 übernimmt.

Südafrika sieht sich zwischen den globalen Blöcken

Südafrika kann es sich nicht leisten, einseitig zu handeln. Seine Wirtschaft ist eng sowohl mit jener des Westens als auch mit jener der Brics-Staaten verwoben. Darüber zumindest besteht in der Regierung Einigkeit. Die Frage ist, ob die beiden grossen Parteien die bestehenden aussenpolitischen Differenzen weiter so offen zur Schau stellen wie in den vergangenen Jahren. Während der ANC nach Beginn des Ukraine-Krieges an gemeinsamen Militärübungen mit dem Brics-Partnerland Russland festhielt, reiste der DA-Vorsitzende John Steenhuisen als einer der ersten hochrangigen Politiker Afrikas in die Ukraine zum Solidaritätsbesuch.

Inzwischen verfolgt der ANC eine neutralere Russland-Politik. So führte Ramaphosa im Juni 2023 eine Delegation afrikanischer Staatschefs an, die sich in Kiew und Moskau um eine Vermittlung bemühte. Das reduzierte das Konfliktpotenzial gegenüber der DA.

Anders als vom ANC kalkuliert spielte die Aussenpolitik bei den Wahlen indes eher eine untergeordnete Rolle. Die Zustimmung besonders im sogenannten globalen Süden zu der von Südafrika eingereichten Klage gegen Israel vermochte es nicht, zumindest temporär von dominierenden innenpolitischen Themen wie Massenarbeitslosigkeit, Stromkrise und Misswirtschaft abzulenken.

Doch erst vor wenigen Wochen verweigerte Südafrika die Unterzeichnung des Abschlusscommuniqués beim Friedensgipfel zum Ukraine-Krieg auf dem Bürgenstock. Nicht etwa wegen des Inhalts, sondern weil auch Israel eingeladen worden war. Bei der DA dürfte das so manches Kopfschütteln ausgelöst haben.

Künftig wird man derartige Meinungsverschiedenheiten wohl mit weniger Getöse austragen und sich doch einander annähern müssen. Seit Monaten schon teile etwa die DA mit, die Entscheidungen des Internationalen Gerichtshof zu respektieren, sagte Siphamandla Zondi, Politikwissenschafter an der Universität Johannesburg, dem Fernsehsender al-Jazeera. Und auch der ANC müsse sich bewegen, schliesslich sei er auf die DA angewiesen, so der Professor. «Der ANC könnte (beim Gaza-Krieg) zu einer Art Grundsatzposition zurückkehren, die besagt: ‹Dieser Krieg muss enden›, ähnlich der Haltung zur Ukraine», sagte Zondi.

Nur beschränkte Hoffnung auf Signalwirkung in Afrika

In andern afrikanischen Ländern schaut man genau hin, ob die Koalition die anstehenden Belastungsproben überstehen wird. Einige Beobachter hätten den Zusammenschluss zu Recht als Erfolgsgeschichte für Südafrika und vielleicht Afrika als Ganzes betrachtet, schrieb der Vorsitzende der kontinentalen Sicherheitskonferenz Lome Peace and Security Forum, Abdisaid M. Ali, in einem Gastbeitrag für die kenyanische Wochenzeitung «The East African». In Afrika seien derartige Regierungen der nationalen Einheit bislang entstanden, um Kriege zu beenden oder auf umstrittene Wahlen zu reagieren, im Südsudan, in Simbabwe oder Kenya etwa.

«Der ANC nahm in einer Situation Kontakt zu seinen Partnern auf, in der das Wahlergebnis unstrittig war», schreibt Ali, der einst somalischer Aussenminister war. Dass man sich für einen politischen Erzfeind wie die DA entschieden habe, sei ebenfalls bemerkenswert. Allzu grosse Hoffnung auf eine Signalwirkung für den Kontinent aber klingt in Alis Zeilen dann doch nicht an. Vielleicht habe das alles schlicht daran gelegen, dass die Auswahl begrenzt war.

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