Hessen trödelt bei Anerkennung von Heilberuflern – Fachkräfte wandern ab
Landespolitik
Hessen trödelt bei Anerkennung von Heilberuflern – Fachkräfte wandern ab
Adviye Isil Sayhan darf jetzt erstmal zwei Jahre als Ärztin arbeiten. Wie es danach weitergeht, hängt maßgeblich ab vom Landesgesundheitsamt ab.
Das Gesundheitswesen klagt über Fachkräftemangel. Doch der Einsatz von Ärzt:innen oder frisch geprüften Pflegekräften scheitert am Landesgesundheitsamt.
Wiesbaden – In Hessen droht frisch examinierten Pflegekräften die Arbeitslosigkeit. Und nicht nur das. Manche müssen das Land verlassen, weil sie ihren Aufenthaltsstatus verlieren. Das gleiche Schicksal könnte jene ereilen, die demnächst ihre Prüfung zum Notfallsanitäter, Physiotherapeuten oder Operationstechnischen Assistenten bestehen. Alles hoch gefragte Heilberufe. Gleiches gilt für die Ärztinnen und Ärzte, die seit Monaten auf Anerkennung ihres ausländischen Zeugnisses warten. Auch sie werden händeringend gesucht, um den Fachkräftemangel zu mildern. Doch willkommen fühlen sie sich in Hessen nicht.
Das Problem der Anerkennung bei Ärztinnen und Ärzten ist seit Jahren bekannt. In diesem Jahr kommt neu hinzu, dass die Urkunden für examinierte Pflegekräfte nicht mehr direkt nach der Prüfung ausgestellt werden. Manfred Mauer, Leiter der Landesgeschäftsstelle des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste (BPA), bestätigt auf FR-Anfrage die Neuerung. Früher übernahm eine Person vom Regierungspräsidium in Darmstadt den Vorsitz der Prüfungskommission und stellte gleich die Berufsanerkennung aus. „Jetzt kann das vier bis sechs Wochen dauern.“
Das kann Einrichtungen in die Bredouille bringen. Fachkräfte drohen abzuwandern, weil sie lediglich den Lohn einer Hilfskraft bekommen. Die Träger können ihre Fachkräftequote nicht erfüllen, und reißen somit die Personaluntergrenzen. Auch befristete Aufenthaltserlaubnisse laufen ab. „Schlimmstenfalls droht die Abschiebung“, sagt Mauer.
Von Anfang an Probleme beim neuen Landesamt für Gesundheit und Pflege
Dabei sollte alles besser werden mit dem neuen Landesamt für Gesundheit und Pflege. Nach der Pandemie waren sich alle einig, dass Hessen eine zentrale Stelle benötigt, an der die Fäden zusammenlaufen können. Doch von Anfang an gab es Probleme mit dem Aufbau. Personal weigerte sich, die Behörde zu wechseln, und erst im Januar war die Behördenchefin gefunden. Der Regierungsumbau in Wiesbaden dürfte auch nicht zur Beschleunigung beigetragen haben. Bis heute sind zig Stellen nicht besetzt. Doch jetzt werde alles besser, versicherte die neue Gesundheitsministerin Diana Stolz (CDU) diese Woche im Landtag. Die FDP hatte die Missstände thematisiert, die inzwischen auch Personal der Apotheken betrifft.
Ein Sprecher des Landesgesundheitsamts teilt auf FR-Anfrage mit: „Für alle staatlich geregelten Gesundheitsfachberufe vergeht zwischen Prüfung und Erlaubniserteilung Zeit, da die Unterlagen bearbeitet werden müssen.“ Deshalb werde den Ausbildungsstätten empfohlen, „so zu planen, dass mindestens zwei Wochen zwischen dem letzten Prüfungstag und dem Ausbildungsende liegen“.
Pflegepersonal ist rar.
Geholfen ist den Verantwortlichen in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen damit wenig. „Warum kann das Land den Prüfungsvorsitz nicht bevollmächtigen, zumindest eine provisorische Berufserlaubnis auszustellen?“, fragt ein Insider, der sich ob der Bürokratie die Haare rauft. Ihn treibt die große Sorge um, dass er fähige Kräfte nach einer dreijährigen Ausbildung an andere Bundesländer verliert.
Dass die flotter arbeiten, hatte ein Frankfurter erlebt, über den die FR im April berichtet hatte. Nach abgeschlossenem Medizinstudium in Kroatien konnte er monatelang seine Facharztweiterbildung nicht beginnen. Sein Kommilitone aus Bremen hielt nach zwei Wochen die Anerkennung in den Händen. Im selben FR-Bericht kam Adviye Isil Sayhan aus Zypern zu Wort, die seit August auf die Anerkennung ihres ausländischen Abschlusses wartete. Keine zwei Tage nach Veröffentlichung des Artikels war die Berufserlaubnis da, sagt die Ärztin. „Das war unglaublich.“ Arbeiten darf sie jetzt, zunächst für zwei Jahre, bis dahin sind weitere Unterlagen fällig. Wieder hängt es am Landesgesundheitsamt. „Aber meine Ansprechpartnerin dort ist nicht mehr erreichbar – weder telefonisch noch hat sie sich auf die Mails zurückgemeldet.“ Ein Zustand, der starker Nerven bedarf. „Möglicherweise bin ich in zwei Jahren wieder arbeitslos.“