Warum Biden nochmals antrat und ihn niemand stoppte

warum biden nochmals antrat und ihn niemand stoppte

Joe Biden riskiert, nicht als Trumps Verhinderer, sondern als sein Wegbereiter in die Geschichte einzugehen. Elizabeth Frantz / Reuters

Nach dem schwachen Auftritt Bidens bei der TV-Debatte vom Donnerstag ist die grosse Frage, ob er im letzten Moment als Kandidat für die Präsidentschaftswahl im November ausgewechselt wird. Offiziell hält die Demokratische Partei zu ihm und zerstreut Zweifel an seiner geistigen Fitness. Aber unter Grossspendern und Strategen ist die Nervosität gross, wie man amerikanischen Zeitungen wie der «New York Times» entnehmen kann. Es ist ein alarmierendes Zeichen, wenn dasselbe Blatt, den Demokraten und Biden sonst zugeneigt, in einem redaktionellen Leitartikel den 81-jährigen Präsidenten zum Rückzug aus dem Rennen auffordert.

Die Zwischenwahlen gaben Biden Auftrieb

Eine andere beunruhigende Frage ist: Wie konnte es so weit kommen? Warum trat Biden überhaupt noch einmal an, und warum stoppte ihn niemand? Immerhin hat er ja noch bis vor zwei Jahren erklärt, er sehe sich als «Überbrückung» und als «Übergangspräsidenten».

Ein wichtiger Faktor waren offenbar die Zwischenwahlen vom 8. November 2022. Gleich am Tag danach sagte er, er beabsichtige, nochmals anzutreten, räumte allerdings ein, das sei eine Familienentscheidung. Die Würfel fielen dann offenbar, laut der «Washington Post», beim Thanksgiving-Fest am 24. November 2022, das Biden mit seiner Familie auf Nantucket Island verbrachte. Er war in aufgeräumter Stimmung. Abgesehen vom Erfolg bei den «Midterms» hatte der Präsident ein paar seiner wichtigsten Vorhaben nach zähem Ringen durchgebracht und im Ukraine-Krieg eine grosse internationale Koalition gegen Russland geschmiedet. Wenige Tage zuvor hatte er seinen 80. Geburtstag gefeiert. Obwohl er damit zum ersten Präsidenten wurde, der in seinen Achtzigern noch im Amt war, fühlte er sich gesund und fit. Offenbar diskutierte er seine Idee, nochmals anzutreten, beim traditionellen Truthahn-Abendessen mit seiner Familie, und insbesondere seine Frau Jill Biden und seine Schwester Valerie Biden Owens waren von dem Plan angetan, ebenso sein Sohn Hunter Biden sowie seine Enkel.

Die Demokraten ignorierten die alarmierenden Vorzeichen

Auch seine engsten Berater unterstützten seinen Entschluss. Einige von ihnen waren immer noch frustriert, dass die Partei 2016 entschieden hatte, an Bidens Stelle Hillary Clinton ins Rennen zu schicken, die dann gegen Trump verlor. Aber die Öffentlichkeit war schon 2022 eher skeptisch. Eine Umfrage von «ABC-News» und «Washington Post» zeigte damals, dass 56 Prozent der demokratisch orientierten Amerikaner der Ansicht waren, die Partei sollte jemand anderen nominieren. Aber es ist in den USA nun einmal üblich, dass ein Präsident sein eigener natürlicher Nachfolger für eine zweite Amtszeit ist. Er selbst war im Laufe seines Lebens immer wieder als Kandidat im Gespräch gewesen, und selten schienen die Chancen – als Amtsinhaber – so gut wie jetzt.

Biden selbst sagte mehrmals, er trete nur an, wenn es auch Trump tue. Er sieht die Vermeidung einer zweiten Amtszeit Trumps als überlebenswichtig für die amerikanische Demokratie und ist der Ansicht, nur er könne ihn bremsen. Diese Meinung, dass man mit Biden «auf Nummer sicher gehe», teilten viele in der Partei. Doch durch diese «Risikovermeidung» geht man jetzt ein Riesenrisiko ein.

Kevin O’Connor, Bidens Leibarzt, bescheinigte ihm Ende 2021, er sei fähig für das Amt, trotz einigen Altersgebrechen wie zum Beispiel einem immer steifer werdenden Gang. Aber die Republikaner veröffentlichten schon damals, und dann in immer häufigerem Rhythmus, Videos, die ihn bei Patzern, Absenzen oder beim Stolpern zeigten. Die Demokraten ignorierten die Vorfälle, verharmlosten sie oder behaupteten, die Aufnahmen seien aus dem Zusammenhang gerissen. Gleichzeitig wurde aber offensichtlich, dass Biden immer mehr vor riskanten Situationen geschützt wurde – also Auftritten, bei denen er improvisierte Reden halten oder Fragen beantworten musste.

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Joe Biden mit seiner Frau Jill Biden am 29. Juni in New Jersey. Elizabeth Frantz / Reuters

Die nächsten Jahre wird es mit Biden nicht besser werden

Der Wind drehte spätestens mit dem Bericht, den der Sonderermittler Robert Hur Anfang Februar 2024 veröffentlichte. Nach einem langen Gespräch mit Biden hielt er fest, der Präsident sei ein «gutmeinender, älterer Herr mit einem schlechten Gedächtnis».

Kurz darauf erklärte der renommierte – und demokratisch orientierte – Journalist Ezra Klein in seiner Show, Biden solle einem anderen Kandidaten Platz machen. Er wurde als Nestbeschmutzer abgekanzelt.

Am 4. Juni veröffentlichte das «Wall Street Journal» dann einen langen Bericht, in dem unzählige Gespräche mit Leuten dokumentiert wurden, die in letzter Zeit direkt mit Biden zu tun hatten. Der Tenor war: Bidens Verfassung schwankt stark, er hat gute und schlechte Tage. Der Artikel liess sich leicht kritisieren, weil er sich vor allem auf Republikaner abstützte; aber es blieb doch ein Unbehagen. Man würde sich schliesslich auch nicht einem Langstreckenpiloten anvertrauen, bei dem es «mal besser, mal schlechter» läuft. Und der Alterungsprozess hat es bekanntlich an sich, dass es im Laufe der Jahre nicht besser, sondern schlimmer wird.

Die Wähler waren von Anfang an skeptisch

Je mehr Zweifel an Bidens mentalem Zustand aufkamen, umso mehr schlossen sich bei den Demokraten die Reihen. Es war nicht die Zeit der Selbstkritik, schliesslich wollte man den Republikanern keine Munition liefern. Zu keinem Zeitpunkt seit dem November 2022 wurden ernsthaft Alternativkandidaten ins Spiel gebracht. Eine Ausnahme war der kurze Versuch des Abgeordneten Dean Phillips aus Minnesota, der mit dem naheliegenden Slogan «Zeit für eine neue Generation» ins Feld zog.

Auch der linke Flügel der Partei verzichtete dieses Mal darauf, einen der Ihren wie den Senator Bernie Sanders ins Spiel zu bringen. Namen, die auch jetzt wieder gehandelt werden, wie Gavin Newsom, Gouverneur von Kalifornien, oder Gretchen Whitmer, Gouverneurin von Michigan, kursierten kurz, verschwanden aber nach dem Erfolg bei den Zwischenwahlen wieder. Für Aufsehen sorgte vorübergehend die Plattform «No Labels», die einen parteiunabhängigen Kandidaten aufstellen wollte. Aber auch sie verschwand bald wieder in der Versenkung. Als Biden am 25. April 2023 offiziell seine Kandidatur für eine zweite Amtszeit ankündigte, war die Reaktion unter den Wählern verhalten. Laut einer AP-Umfrage wollten nur 47 Prozent der Demokraten, dass er nochmals antrat. Diese Zahl ist jetzt, nach dem desaströsen TV-Duell, wohl noch gesunken.

Die brutale Wiederkehr des Verdrängten

Bidens mentale Schwäche, die die Demokraten so lange verdrängt hatten, kehrte jetzt mit voller Wucht ins Bewusstsein zurück. Nachdem sie die Parteielite lange beschönigt oder verheimlicht hat, behauptet sie nun, es sei zu spät, man könne Biden nicht mehr ersetzen. Aber auch unter denen, die ihm wohlgesinnt sind, mischt sich inzwischen in das Mitgefühl eine gewisse Wut. Biden selbst gegenüber, aber auch gegenüber seinen Nächsten wie der First Lady Jill Biden, die um seine Verfassung wussten und offenbar nicht versucht haben, ihn umzustimmen.

Wie viel Anmassung und Selbstüberschätzung – und nicht Aufopferung zum Wohle des Landes – lag in seiner starrsinnigen Entscheidung, nochmals in den Ring zu steigen? Am Ende, wenn er nicht noch aussteigt, riskiert Biden, nicht als Trumps Verhinderer, sondern als sein Wegbereiter in die Geschichte einzugehen.

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