Neun Wochen Sommerferien: Ist die lange Dauer noch zeitgemäß?

neun wochen sommerferien: ist die lange dauer noch zeitgemäß?

Viele Kinder fiebern dem Schulschluss entgegen. Für Eltern bedeuten die neun Wochen viel Organisationsaufwand.

Wenn Sie Kinder in der Schule oder im Kindergarten haben, sind Sie bestimmt seit Wochen am Überlegen und Organisieren. Es gilt, ein Programm von bis zu neun Wochen zusammenzustellen. Wann hat der Hort geöffnet? Welches Sommercamp könnte das Kind interessieren? Sind überhaupt noch Plätze frei? Wann können Oma und Opa Betreuungszeit übernehmen? Und: Wie teile ich den Urlaub mit meinem Partner, meiner Partnerin auf, damit möglichst viel Zeit abgedeckt ist?

In den meisten Familien sind heute beide Elternteile berufstätig. Während des Schuljahres gibt es klare Abläufe – dadurch lassen sich Kinder und Job noch irgendwie vereinbaren. Neun Wochen Sommerferien stellen allerdings alles auf den Kopf. Excel-Tabellen dienen dann nicht mehr nur der Organisation von Arbeitsdienstplänen. Auch für die einzelnen Ferienwochen werden Aktivitäten und Betreuungsoptionen in Listen festgehalten.

Auf die eigenen Ferien als Kind blicken die meisten Eltern von heute nostalgisch zurück. Oft waren die damaligen Mütter als Hausfrauen ohnehin zu Hause. Oder Großmütter und Tanten waren präsenter. Die schöne Zeit im Sommer, frei von Druck, möchte man dem Nachwuchs auch heute ermöglichen. Erholung, ja bitte! Aber so? DER STANDARD hat mit Müttern, Vätern und Expertinnen gesprochen und Erfahrungen, Hindernisse und Lösungsvorschläge abgefragt.

1. Kinder brauchen Kontinuität

Viele Städte und Gemeinden haben die lange Feriendauer mittlerweile im Blick. Doch gerade jüngere Kinder tun sich schwer, in Einrichtungen zu bleiben, die sie nicht gewöhnt sind. Kindergruppen werden über den Sommer oft zusammengelegt. Sowohl die andere Örtlichkeit als auch das fremde Personal können Eltern abschrecken, die Betreuung dann überhaupt in Anspruch zu nehmen. Theresa aus der Steiermark sagt dennoch, dass sie "froh und dankbar" über das Angebot ist und ihre Kinder (zwei und fünf Jahre alt) für die Ferienbetreuung angemeldet hat. Doch den ganzen Sommer über möchte sie das ihren Kindern nicht zumuten: Sie arbeitet regulär in Teilzeit und wird ihre Arbeitszeit im Sommer blocken – der August ist somit für Care-Arbeit reserviert.

Barbara, die mit ihrer Familie in einem kleinen Ort in Oberösterreich lebt, berichtet, dass die Krabbelstube für ihre zweijährige Tochter im Sommer nur bis 13 Uhr geöffnet hat. Sie hat überlegt, die betrieblichen Angebote in ihrer Firma in Anspruch zu nehmen, dann aber davon Abstand genommen, da sie nicht glaubt, dass ihre Tochter in fremder Umgebung bei Personen, zu denen sie keine Bindung hat, bleiben wird. Ihre Lösung: Die Großeltern helfen aus, und ihr Mann und sie nehmen die Urlaube überlappend. Wien ist bei der Kleinkindbetreuung ein positives Beispiel, städtische Einrichtungen sind meist durchgehend geöffnet. Das Erwachen kommt mit dem Schuleintritt, berichtet Markus Kaindl vom Institut für Familienforschung der Uni Wien: "Eltern beklagen oft, dass die Situation ab dem Schuleintritt der Kinder schlechter ist als davor."

2. Sommercamps sind teuer

In der Schule wird das Thema der Feriencamps spruchreif. Anbieter gibt es wie Sand am Meer, die Nachfrage ist offensichtlich groß. Von Tennis- über Fußball- bis hin zu Zirkus- und Science-Camps reicht das Angebot. Nur, woher weiß man, ob die Qualität passt? Sind die Betreuer pädagogisch geschult? Diese Frage stellen sich viele, die darauf angewiesen sind. Und auch die Kosten sind nicht zu unterschätzen. Laut einer aktuellen Erhebung der Arbeiterkammer geben Eltern im Schnitt 415 Euro pro Kind für Ferienbetreuung aus. Gemeinsam mit dem Gewerkschaftsbund fordert die Arbeiterkammer finanzielle Unterstützung und eine sechste Urlaubswoche für Eltern. Im Herbst soll es einen Sommerbetreuungsgipfel geben, um Maßnahmen für die nächsten Jahre zu setzen.

Georg aus Wien hat seine beiden Kinder (zehn und zwölf Jahre alt) für drei Wochen in Sportcamps angemeldet – und ist sich seines Privilegs bewusst: "Wir verfügen über ein ziemlich hohes Familieneinkommen. Für andere Betroffene ist es sicher eine weitaus größere Herausforderung, durch die Schulferien zu kommen."

Gute Angebote sind zudem schnell ausgebucht. Ende Juni noch einen Betreuungsplatz finden? Das wird schwierig!

Kostenmäßig eine erfreuliche Ausnahme sind die Summer-City-Camps in Wien, sie richten sich an Wiener Kinder im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren aus Wiener Schulen, deren Ferienbetreuung nicht durch einen Hort- oder Betreuungsplatz an einem Campusstandort gesichert ist. Für die Ferienwochen zwei bis neun sind laut Website Restplätze verfügbar. Pro Kind und Woche sind 60 Euro fällig, man bekommt ein Mittagessen und eine gesunde Jause. Ilkim Erdost, Bildungsexpertin bei der Arbeiterkammer Wien, wünscht sich solche Angebote für ganz Österreich. Ferienbetreuung soll niederschwellig angeboten werden: "Man muss es den Eltern so leicht wie möglich machen. Sie jonglieren zwischen Job und Familie, und viele haben auch nicht die Ressourcen oder Sprachkenntnisse, um sich über Ferienprogramme schlauzumachen."

3. Unterschiede zwischen Stadt und Land

Cindy ist mit ihrer Familie vor einigen Monaten von Wien nach Niederösterreich übersiedelt. Die ältere Tochter besucht die Volksschule, die jüngere eine Kleinkindergruppe. Schon während des Schuljahres fiel ihr auf, wie wenig die Nachmittagsbetreuung in Anspruch genommen wird. In Wien waren nahezu alle Kinder auch nachmittags in Betreuung. Auf dem Land gehen viele Kinder schon vor dem Mittagessen oder kurz danach nach Hause. In den Sommerferien sind in Cindys Ortschaft nur wenige im Hort angemeldet. Sie findet das schade, die Kinder könnten dort ihrer Meinung nach eine schöne Zeit verbringen, wenn sie gemeinsam spielen. Zu Hause fällt einer Familie leicht die Decke auf den Kopf.

In der Whatsapp-Gruppe der Schulklasse ihrer Tochter stößt sie zum Teil auf Unverständnis. Eltern berichten dort, dass sie es dank Selbstständigkeit schaffen, die Kinder zu Hause zu betreuen. Nur - nicht jeder hat die Möglichkeit. Ein Feriencamp, für das Cindy ihr Kind angemeldet hat, kam wegen zu wenig Nachfrage nicht zustande.

Gerade in kleineren Ortschaften ist die erste Hürde bei der Ferienbetreuung, dass während des Schuljahrs der Bedarf abgefragt wird. Aus organisatorischer Sicht verständlich, der soziale Druck auf Eltern ist dabei aber nicht zu unterschätzen.

4. Die Ferien sind am Stück zu lang

Die Dauer von neun Wochen merkt man am Leistungsstand der Kinder“, sagt Verena Hohengasser. Sie stand selbst fünf Jahre lang als Lehrerin im Klassenzimmer, heute bildet sie Quereinsteigerinnen bei Teach for Austria aus. Nach der langen Feriendauer wieder in Tritt zu kommen, ist aber nicht nur für Kinder eine Herausforderung. Auch lehrerseitig appelliert sie, Teile der Ferienwochen gezielter für die Nach- und Vorbereitung des Schuljahres umzuwidmen. Teamtage und Workshops in der Ferienzeit würden helfen, fächerübergreifende Lehrmethoden abzusprechen. Auch sei der Schulbeginn im September dann nicht so dicht gedrängt und belastend. Nicht umsonst hätten Lehrerinnen nach der ersten Schulwoche oft bereits das Gefühl, schon wieder völlig ausgepowert zu sein.

Österreich liegt bei der Feriendauer zwar im EU-Schnitt, die Verteilung der Ferienwochen ist aber oft anders geregelt. Vater Georg schlägt vor: "Viel sinnvoller wären kürzere Sommerferien, dafür, wie auch etwa in Deutschland üblich, zwei Wochen Pfingstferien und zwei Wochen Osterferien." Auch ihn stört die lange Lernlücke, und er findet die Dauer nicht mehr zeitgemäß: "Bekanntlich liegen die Ursprünge dieser langen Sommerferien ja eher in der bäuerlichen Erntezeit als in einer lernpsychologischen Begründung." Einfach umzusetzen wird eine andere Aufteilung der Ferienwochen allerdings nicht sein, glaubt Expertin Hohengasser. Weil es für Lehrer schwierig sein könnte, den Luxus der sehr langen Ferien aufzugeben. Hier bräuchte es noch einiges an Überzeugungsarbeit.

5. Druck auf Mütter ist enorm

Akribische Kalenderplanung und ausgeklügelte Urlaubsstaffelungen: Berufstätige Eltern strecken sich in den neun Wochen nach allen Ecken und Enden. Besonders betroffen sind zumeist die Mütter, denen in vielen Familien die Organisation obliegt. Sie verspüren gesellschaftlich auch den meisten Druck, alles unter einen Hut zu bekommen. Angela, Mutter von zwei Kindern, schildert: "In den vergangenen Jahren haben mein Mann und ich uns nur eine einzige gemeinsame Urlaubswoche im Jahr gegönnt. Wir haben beide immer etwas Urlaub gespart, um etwaige Krankheitstage der Kinder bewerkstelligen zu können." Unterstützung aus der Familie haben Angela und ihr Mann keine. "Zu zweit ist es mit Entbehrungen machbar", sagt sie und weist auf die Probleme der Alleinerzieherinnen hin.

Davon kann Isabella ein Lied singen: "Meine Tochter ist nun 18, ich hab’s geschafft!" Man hört ihr die Erleichterung an. Sie sei auf sich allein gestellt gewesen, der Vater habe keine relevanten Betreuungszeiten übernommen, die Großeltern waren bereits verstorben, auch Tanten und Onkeln gab es nicht. Als Alleinerzieherin sei man mit vielen Hürden konfrontiert, die allergrößte sei die jährliche Organisation der Sommerferien gewesen, sagt Isabella.

6. Teenager brauchen ein Programm

Dass Kinder in jungen Jahren während der Sommermonate Betreuung brauchen, liegt auf der Hand. Doch auch wenn sie Teenager sind, muss die Zeit sinnvoll überbrückt werden. Immer wieder kommt es vor, dass Jugendliche auf jüngere Geschwister schauen müssen. Andere vergraben sich über Wochen im Kinderzimmer, spielen am Computer oder hängen am Handy.

Ilkim Erdost von der Arbeiterkammer sagt, dass es frei zugängliche Programme im öffentlichen Raum, etwa in Parks, brauche. Während der Pandemie habe man von den Kindern verlangt, sich zurückzuziehen. Aufgabe sei es nun, sie zurückzuholen. Workshops könnten dabei unterstützen und eine sinnvolle Beschäftigung für Jugendliche sein. Teenager sind, wie jüngere Kinder auch, Zielgruppe der Sommerschule. Es handelt sich um eine Initiative des Bildungsministeriums. Zwei Wochen lang werden am Ende der Ferien die Schulen geöffnet, um gemeinsam mit Pädagoginnen Lehrstoff zu wiederholen. Die Teilnahme ist kostenlos. Im vergangenen Sommer wurde dieses Angebot von knapp 35.000 Schülerinnen und Schülern wahrgenommen.

Kinder im Teenageralter hat auch Alice, die ihre Arbeitstage im Sommer extra früh beginnt, um am Nachmittag Zeit für ihre vier Kids zu haben. "Der Spaß fängt dann erst richtig an", erzählt sie von vielen langen Tagen. Die Kinder wollen ins Freibad, Eis essen oder zum Fußballspielen gebracht werden. An ihre "Leidensgenossen" (andere Eltern) gerichtet sagt sie: "Ein Hoch auf neun Wochen puren Wahnsinn für alle Familien mit Kindern und Eltern, die im Berufsleben stehen!" (Rosa Winkler-Hermaden, 23.6.2024)

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