Fernseh-Kolumne zur EM - Wenn Fußball-TV zu Blabla-TV verkommt
Das Kneipenquiz in der ARD ARD
80 Stunden lang rollt der Fußball während dieser Europameisterschaft – vom Auftakt bis zum Finale. Den Fernsehsendern ist das nicht genug. Damit sich die investierten Millionen lohnen, panschen sie den Sport nach Kräften. Das tut dann manchmal schon richtig weh.
51 EM -Spiele sind es, 34 für ARD und ZDF, der Rest verteilt sich auf RTL und MagentaTV. Das sind ziemlich viele Fußballminuten in dieser Europameisterschaft 2024: 4590, also fast 80 Stunden, mehr als drei Tage pur. Es ist nicht genug. Damit nicht nur der Ball rund läuft, sondern auch das Geschäft, bauen die Sender ihre Berichterstattung massiv aus. Beim Essen würde man sagen: Es wird gestreckt. Bei Wein hieße es: Da wird gepanscht.
Da ist der Ball Schund
Vorberichterstattung, Pausenberichterstattung, Nachberichterstattung bis der Letzte noch im Interview alles erzählt hat, was zuvor zu sehen war: Das erträgt der Zuschauer noch. Und trotzdem straft er ab, wenn Fußball-TV zu Blabla-TV verkommt. Das erlebt, erleidet RTL mit seinem „EM-Studio“. Nur eine halbe Million Zuschauer verliert sich am Donnerstag zur besten Sendezeit beim größten Privatsender. Der Ball ist rund? Da ist der Ball Schund.
Inas Nacht mit der anderen Müller
Die Verlängerung über Mitternacht hinaus gönnt sich das Erste mit seinem „EM-Kneipenquiz“. Das ist wie „Inas Nacht“, nur ohne Ina Müller, dafür ebenfalls mit Alkohol und Fußball. Und das ist oft genug ja schon eine bewährte Erfolgskombination. Stephanie Müller-Spirra stellt launig ihre Fragen. Fast zwei Millionen Menschen vor den Fernsehern schauten ihr dabei schon zu – und ein Rudel wilder Gäste in der Bochumer Kneipe „Zum Kuhhirten“. Die haben sich an diesem Abend das Spiel Niederlande – Frankreich schon ziemlich schöngetrunken. Gerade noch hat Fußball-Co-Moderator Schweinsteiger verraten, dass er ins Bett geht, da versichert sie: „Wir freuen uns über jeden, der noch wachbleibt.“
Spannend wie die Null-Lösung davor
Weltmeisterin Nadine Angerer hat den ultimativen Tipp, um Europameister zu werden: „Einfach kein Tor reinlassen.“ Europameister Thomas Helmer regt sich auf über die Floskel vom „intensiven“ Spiel. Das ist so spannend wie die letzten zehn Minuten des Spiels davor, als sich Niederländer und Franzosen schon mit ihrer Null-Lösung abgefunden hatten. Und das Quiz: Es ist nett. Welcher französische Spieler reagierte während der WM 2006 seinen Frust in der Kabine ab? Richtig, das war Zinédine Zidane. Alle tippen richtig. Es gibt auch Fragen für Aufmerksame. Nehmen wir diese: „Die Pressekonferenz ist jetzt 23 Minuten alt und bisher…“? A) Wurde nur über das Servieren von Döner geredet. B) Ist das Wort Schweiz nicht einmal gefallen. C) Gab es keine einzige kritische Nachfrage. Die richtige Antwort ist die mit der Schweiz, klar.
Auch klar: Es ist nur die Kneipenstimmung, in der so eine Sendung funktionieren kann. „Kann man noch ein Getränk bringen?“, fragt Stephanie Müller-Spirra. Kann man, muss man aber nicht. Trocken bleibt die nüchterne Erkenntnis: Schlafen wie Thomas Müller war nicht der schlechteste Plan für diese Nacht.