EM 2024: Chinesische BYD-Autos übernehmen Berlin: Was sagt VW dazu?
Von der besten Seite: Am BYD-Stand der Fanzone am Platz der Republik in Berlin wird das chinesische Elektroauto präsentiert – von deutschen Herstellern keine Spur.
Fahnen, Fans und Fassbier – die Deutschen lassen sich die Europameisterschaft (EM 2024) in ihrem Land nicht entgehen. Im Trikot, mit Bratwurst und Bierbecher in der Hand flanieren sie die Fanzone am Platz der Republik in Berlin entlang.
Auf den zweiten Blick verschiebt sich der Fokus aber von Bier zu BYD: Die Fans bleiben vor den Elektroautos des chinesischen Herstellers stehen, fotografieren sich mit den weißen, grauen oder blauen Stromern, die auf Kunstrasen platziert sind. So weit, so grün – was aber haben die Chinesen mit ihrem „Build Your Dreams“-Auto auf der EM im Autoland Deutschland zu suchen? Oder besser formuliert: Warum sind hier nur die Chinesen vertreten? Schließlich fehlt von Volkswagen-Autos in der Fanzone jede Spur.
Der chinesische Hersteller präsentiert in der Berliner Fanzone seine Elektroautos – Tischfußball soll für den maximalen Spaß sorgen.
Dass BYD seine Elektroautos bei der EM in Deutschland ausstellt, ist an sich nicht verwerflich. Doch die hohe Präsenz der Chinesen wirft Fragen auf. Mit fünf von 13 Unterstützern kommen bei der diesjährigen EM rund 40 Prozent der offiziellen weltweiten Sponsoren aus China. Kein anderes Land ist stärker präsent. Die Niederlande, Frankreich, Malta und Katar haben je ein Unternehmen, das zu den globalen Partnern der EM zählt. Zwar sind mit Adidas, Lidl und dem Arbeitsbekleidungshersteller Engelbert Strauss aus Deutschland drei Top-Sponsoren vertreten. Zuletzt zählte aber auch noch der deutsche Autohersteller Volkswagen dazu und bewarb seine neuen Elektromobilitätsmodelle der ID-Familie. Jetzt hat BYD als offizieller E-Mobilitätspartner der UEFA Euro 2024 den VW-Konzern verdrängt. Was ist passiert?
Das Unternehmen mit Hauptsitz in Wolfsburg habe sich trotz der „hohen Attraktivität“ der Heim-EM nach „reiflichen Überlegungen“ dagegen entschieden, ein Angebot zur Verlängerung abzugeben, sagt der Leiter der Sportkommunikation bei Volkswagen, Gerd Voss, zum Rechtewechsel auf Anfrage der Berliner Zeitung. „Das geschah vor dem Hintergrund, dass wir ein Effizienz- und Kostensenkungsprogramm auf allen Ebenen gestartet haben, mit dem Ziel, die Zukunftsfähigkeit von Volkswagen zu sichern“, erklärt Voss. Zudem sei es nicht unüblich, dass werbende Autohersteller nicht aus dem Ausrichterland kämen.
Es stimmt: Bei der Weltmeisterschaft im Jahr 2006 in Deutschland war Hyundai Partner des Internationalen Verbandes des Association Football (FIFA). „Bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris wirbt auch keine französische Automarke, sondern Toyota“, weiß Gerd Voss.
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) kam vor dem Fall: In diesem Sommer wäre der Vertrag von VW als Hauptpartner des DFB ausgelaufen. Diesen hat der Konzern allerdings um vier Jahre verlängert. „Wir mussten also auch abwägen, welchen der beiden Verträge wir priorisieren“, sagt der Sprecher weiter. Dennoch sei VW als Partner der deutschen Nationalmannschaft und fünf weiterer Topteams noch sehr präsent bei der laufenden Europameisterschaft. „Es ist also im Bereich des Möglichen, dass der künftige Europameister Volkswagen fährt“, sagt Voss schließlich.
Dass Volkswagen von Kosteneinsparung spricht, kommt nicht von ungefähr. Immerhin kämpfen deutsche Autokonzerne mit einer schwachen Nachfrage nach E-Autos und einer wachsenden Konkurrenz aus China. Der Chef der VW-Kernmarke, Thomas Schäfer, sagte bereits im Dezember vergangenen Jahres, dass VW „nicht mehr wettbewerbsfähig“ und ein Sparprogramm deshalb unumgänglich wäre.
Ein Mitarbeiter von BYD verteilt Geschenke – das lassen sich die Fans nicht entgehen.
Als die Berliner Zeitung die Union Europäischer Fußballverbände (UEFA) mit dem Rückzug von VW konfrontiert, sagt ein Sprecher: „Neue Marktteilnehmer wie BYD erkennen das Potenzial, ihre Reichweite zu vergrößern, ihren Bekanntheitsgrad zu steigern und ihr Image in Europa zu verbessern.“ Für sie könnten Sportereignisse wie die EM 2024 als leistungsstarke Plattformen dienen, um ihre Marketingziele zu erreichen.
Da könnte man glatt meinen, BYD hätte sich und seine E-Autos zur richtigen Zeit am richtigen Ort platziert. Dabei ist in Wahrheit das Timing des chinesischen Herstellers ungünstig. Vergangenen Mittwoch hat die EU-Kommission Sonderzölle gegen chinesische E-Auto-Hersteller ab Juli angekündigt. BYD soll demnach mit einem Sonderzoll von 17,4 Prozent belegt werden.
Dass die offiziellen Partner das Recht haben, sich selbst und ihre Produkte oder Dienstleistungen mit der EM in Verbindung zu bringen – und damit in die Köpfe der Menschen –, könnte BYD in puncto Marketing aber auch gelegen kommen. Zum Vergleich: Das Achtelfinale der Fußball-EM 2021 der deutschen Nationalmannschaft gegen England sahen im Durchschnitt rund 27,36 Millionen Fernsehzuschauer – das war der Rekordwert im Turnierverlauf. In der werberelevanten Zielgruppe saßen rund 10,35 Millionen Menschen vor dem Fernseher.
Auch für den heimischen Markt kann das Sponsoring von BYD zu mehr Aufmerksamkeit führen. Das chinesische Marktforschungs- und Beratungsunternehmen iResearch schätzt die Zahl der Fußballfans in China auf 200 Millionen. Kein Zufall also, dass neben dem Elektroautohersteller auch der Elektrogerätehersteller Hisense, Chinas drittgrößter Handyproduzent Vivo, der Online-Marktplatz AliExpress und die Bezahl-App Alipay zu den Hauptsponsoren zählen. Letztere sind beides Tochterfirmen des chinesischen Onlinehändlers Alibaba.
Der Online-Markplatz AliExpress ist auch offizieller Sponsor der UEFA Euro 24 – in der Fanzone in Berlin-Mitte lockt man Besucher mit einer grünen Fotoleinwand an.
Apropos Alibaba: Der Händler ist auch bei den diesjährigen Olympischen Spielen in Paris einer der Top-Sponsoren, genauso wie der chinesische Molkereikonzern Mengniu. Das Engagement chinesischer Firmen geht demnach weit über das Sponsoring des europäischen Fußballverbandes UEFA hinaus. Das zeigt sich auch mit der Kurzvideoplattform TikTok als offiziellem Entertainmentpartner der deutschen Männer-Nationalmannschaft.
Dahinter scheint eine Strategie zu stecken, immerhin will der chinesische Staatspräsident Xi Jinping bis 2030 die WM nach China holen. „Geld allein macht nicht glücklich, aber es ist besser, in einem Taxi zu weinen als in der Straßenbahn“, sagte einst der Publizist Marcel Reich-Ranicki. In diesem Fall dann aber im elektrisch betriebenen Taxi, bitteschön!
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