Haushaltsstreit: Zinswende dreht Deutschland den Geldhahn zu
Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) unterhalten sich im Bundestag. Foto: dpadata-portal-copyright=
Die Bundesregierung und die Regierungsfraktionen ringen um den künftigen Bundeshaushalt. Die Verhandlungen sind weitaus schwieriger als in den letzten Jahren: Dafür sind zwei Faktoren entscheidend.
Über das Für und Wider der Schuldenbremse streitet die Politik wortreich – innerhalb und außerhalb der Bundesregierung. Doch nur für die Ampel in Berlin wird der Streit ernst, ja existenziell. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat analysiert, warum ausgerechnet in diesem Jahr so heiß über den Haushalt debattiert wird. Die Zahlen machen eine Misere deutlich.
Der Bundeshaushalt ist seit 2019 um 30 Milliarden Euro auf nunmehr 120 Milliarden Euro gestiegen – ein ganzes Drittel. Doch der Anstieg der Steuereinnahmen konnte laut der Analyse nicht annähernd mithalten. Die Einnahmen des Bundes sind demnach nur um 14 Prozent gestiegen, real gibt es also ein Minus. Doch wie konnten die Haushälter diese Lücke übersehen?
Die Antwort liegt in der Art der Mehrausgaben, die den Bund nun unter Druck setzen. Nach Berechnungen des IW entfallen 56 Prozent der Mehrausgaben auf nur zwei Bereiche: Soziales und Schulden.
Die Zinswende der Europäischen Zentralbank hat nach Ansicht der Ökonomen einen entscheidenden Einfluss auf die Staatsfinanzen. „Gegenüber dem Jahr 2019 zahlt der Bund im Jahr 2024 mit 37 Milliarden Euro rund 25 Milliarden Euro mehr Zinsen“, heißt es. Damit macht der Schuldendienst ein Fünftel der Mehrkosten aus. Prozentual hat sich dieser Posten also verdreifacht.
Den nominell größten Anteil haben die Sozialausgaben, die 35 Prozent der Steigerungen zwischen 2019 und 2024 ausmachen. Dies ist an sich nicht überraschend, da dies auch generell der größte Posten im Bundeshaushalt ist. Insgesamt belaufen sich die Mehrausgaben laut IW auf 41 Milliarden Euro, davon allein 20 Milliarden Euro für den Zuschuss zur gesetzlichen Rentenversicherung.
Während die Politik derzeit vor allem über Einsparungen beim Bürgergeld diskutiert, entfallen auf die Arbeitsmarktpolitik insgesamt nur 7 Milliarden Euro der Mehrausgaben. Allein für die steuerfinanzierte so genannte Fremdrente wurden im Jahr 2020 bereits 6,5 Milliarden Euro aufgewendet – allerdings insgesamt. Zusammengefasst sehen die Ökonomen den Anstieg der Sozialausgaben – relativ zur Gesamtsumme – im Vergleich zum übrigen Haushalt aber als „unterdurchschnittlich“ an.
Wo also sparen?
Eine Lösung für die aufgezeigten Probleme können die Wirtschaftsforscher leider nicht anbieten. Wo gespart werden sollte, hänge von den politischen Prioritäten ab. Einige Erkenntnisse liegen aus Sicht des IW aber auch „jenseits politischer Prioritäten“.
Dazu gehört, dass der Schuldendienst deutlich stärker belastet ist als noch vor fünf Jahren, dass die Sozialausgaben insgesamt nominal am stärksten steigen und dass Vorhaben wie der Ausgleich der so genannten kalten Progression oder stärkere Investitionsanreize bislang nicht gegenfinanziert sind.
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