Start-ups kämpfen mit der Exit-Dürre

start-ups kämpfen mit der exit-dürre

Die Kolumne «MeisterMacher» von Max Meister, Founding Partner des Schweizer VC Bigmont, beleuchtet internationale Entwicklungen in der VC/Startup-Szene und deren Auswirkungen auf die Schweiz.

Trotz jahrzehntetiefen Exit-Bewertungen und aktuell nur spärlicher Aktivität auf dem Börsenparkett können Gründer optimistisch auf die nächsten zwei Jahre blicken.

Zu Beginn des Jahres 2024 waren viele Venture-Capital-Investoren noch optimistisch, dass nach einem schlechten Jahr nun endlich die für das Ökosystem doch so wichtigen Exits zurückkommen werden. Wenn man den aktuellen Zahlen aus dem Mai traut, dann werden sich diese Prognosen nicht bewahrheiten. Im ersten Quartal 2024 wurden weltweit 291 Börsengänge durchgeführt. Das klingt erst einmal nach viel, liegt jedoch nur minimal über dem ersten Quartal 2023. Und in Perspektive gesetzt mit dem vierten Quartal 2021, in dem 912 Börsengänge durchgeführt wurden und das als Messlatte der letzten Jahre gilt, liegen die Börsengänge satte 70 Prozent unter dieser Benchmark.

Insgesamt war der Start ins Jahr 2024 also durchaus durchzogen. Unter den 75 US-Börsengängen sind bis dato nur eine Handvoll Firmen erfolgreich gewesen, etwa Reddit, Astera Labs oder Zeekr. In Europa konnte man viel über die Schweizer Dermatologiegrösse Galderma und den deutschen Kosmetikgiganten Douglas lesen, deren Private-Equity-Eigentümer EQT und CVC Capital Partners die Firmen jüngst ebenfalls an die Börse brachten. Und das mit Erfolg: Der Börsengang von Galderma war mit einer Kapitalaufnahme von über zwei Milliarden Franken einer der grössten weltweit; Douglas konnte sich immerhin knapp 900 Millionen Euro sichern.

Spannend ist, dass der Wert der Börsengänge von Quartal zu Quartal deutlich gestiegen ist, was für die Qualität der Firmen spricht. Die Hürde für Firmen, sich auf das Börsenparkett zu wagen, liegt 2024 höher als noch in den Vorjahren. Für gut vorbereitete Unternehmen mit fundamental starken Finanzzahlen scheint es sich jedoch auszuzahlen. Gegen Ende letzten Jahres gab sich Christian Reuss, Leiter der SIX Swiss Exchange, nach einer Zeit der Flaute optimistisch, was Börsengänge im Jahr 2024 anbelangt. Laut Reuss warteten die Unternehmen auf einen IPO-Kandidaten, der die Maschinerie wieder so richtig in Gang brächte. Der Durchbruch sollte mit dem erfolgreichen Galderma-Börsengang nun endlich geschafft sein, einem positiven Schweizer Börsenjahr steht nun nichts mehr im Weg: «Wir haben im Moment wahrscheinlich eine der stärksten Pipelines an potenziellen IPO-Kandidaten seit Langem», beschreibt Reuss das Potenzial.

Wenn wir über Exits sprechen – im Branchenjargon «Liquidity Events» genannt –, also diejenigen Mechanismen, durch die Investoren ihre getätigten Kapitalanlagen realisieren, dann sind Börsengänge natürlich nur einer der möglichen Prozesse. Neben dem Börsengang sind die traditionellen Unternehmensverkäufe sowie Sekundärtransaktionen, also der Verkauf von Aktien, ohne dass der Eigentümer des Unternehmens wechselt, probate Mittel.

Leider sind auch die veröffentlichten Quartalszahlen zu Unternehmensverkäufen sowie Sekundärtransaktionen noch deutlich unter denjenigen des ersten Quartals aus dem Jahr 2023 – und das, obwohl 2023 das schlechteste seit zwölf Jahren war, was Private-Market-Exits betrifft.

Max Meister ist Founding Partner von Bigmont Ventures mit Sitz Baar, ZG.

In der Schweiz wurden 2023 lediglich 38 Unternehmensverkäufe aus dem Start-up- und dem Scale-up-Umfeld gezählt, sodass die Quote der Unternehmensverkäufe satte 43 Prozent unter dem Vorjahr lag. Ein nicht funktionierender Exit-Markt in der Schweiz hemmt die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Ökosystems.

Ein Grund, weshalb die Schweiz punkto Exits oft den ausländischen Märkten hinterherhinkt, verortet Investor David Studer, der mit Xovis selber einen namhaften Exit hatte, im Support bei Transaktionen: «In der Schweiz erhalten Start-ups viel Coaching und Unterstützung bei der Geldbeschaffung, aber fast keine Unterstützung beim Exit eines Unternehmens», sagt er.

Die Bedeutung von Exits für das Ökosystem

Investoren müssen zumindest langfristig die Chance haben, ihre Investition mit einer Mindestrendite zu realisieren, andernfalls wäre diese nicht lohnenswert. Zwar gibt es im Finanzmarkt gewisse Eigenheiten wie hundertjährige Schuldverschreibungen, die zum Beispiel von Argentinien oder Österreich in der Historie ausgegeben wurden, aber generell sind Investoren deutlich ungeduldiger. Und das mit Recht, denn jedes weitere Jahr nach einer Investition erhöht den Diskontierungsfaktor und senkt die Rendite des Investments ceteris paribus. Mit anderen Worten: Zeit ist Geld.

Warum sind Exits so wichtig? Der Rückfluss von Kapital befeuert das Ökosystem mit einem schwer messbaren Multiplikator-Effekt. Gehen wir auf das Beispiel Reddit ein. Auf der untersten Ebene flossen bei dem Börsengang von Reddit 519 Millionen Dollar frisches Kapital an die Firma. Darüber hinaus sind Reddit-Aktien nun handelbar, und nachdem die Halteperiode abgewartet worden war, konnten viele Investoren und Mitarbeiter, die in den verschiedenen vorgängigen Kapitalrunden Aktionäre geworden waren, ihre Titel liquidieren.

Das Aktienpaket von Reddits CEO Steve Huffman war bereits in den ersten Handelstagen rund 894 Millionen Dollar wert und spiegelt Vermögen wider, das mutmasslich im Rahmen einer professionellen Vermögensverwaltung in Private-Equity- und Venture-Capital-Fonds sowie in direkten Investitionen angelegt wird. Dadurch, dass Reddit ein Start-up aus dem berühmten Silicon-Valley-Akzelerator Y Combinator ist, werden eine Fülle an Angel-Investoren eine anständige Rendite erzielt haben. Sam Altman, der damalige Präsident von Y Combinator, besitzt einen Anteil von etwa acht Prozent mit einem Wert von rund 500 Millionen Dollar. Vermögen, das, sobald realisiert, wahrscheinlich ebenfalls direkt wieder in Start-ups investiert wird.

Und wenn man mit Top-VCs spricht, dann werden Entrepreneure, die durch eigene Exits an Vermögen gekommen sind, äusserst gern gesehen, denn sie bringen oft selber herausragende Netzwerke und Talente mit. Robert Lachers und Sebastian Polloks Visionaries Club, ein Berliner VC, der jüngst 400 Millionen Euro im Rahmen von zwei Seed- und Growth-Fonds einsammelte, setzt hier einen Schwerpunkt. «Wir wollen erfolgreiche Unternehmer aus der Old und der New Economy zusammenbringen», beschreibt Lacher seine Limited-Partner-Strategie. Laut eigenen Angaben haben mehr als 20 der erfolgreichsten Gründer, in deren Start-ups Visionaries Club in der Vergangenheit investierte, nun eine Allokation in den Fonds gezeichnet.

Darüber hinaus haben erfolgreiche Gründer einen starken Einfluss im Ökosystem. Einer der prominentesten Vertreter dieser Gilde in der Schweiz ist Adrian Locher. Der Gründer von Merantix hatte 2015 mit DeinDeal einen erfolgreichen Exit hingelegt. Er sagte mir kürzlich: «DeinDeal war einer der Grundpfeiler für die Schweizer Start-up-Mafia. Das hat mich nicht nur inspiriert, mit Merantix ein neues, für Europa einzigartiges Deep-Tech-Ökosystem zu schaffen, sondern auch aktiv in VC-Fonds zu investieren, die ebenfalls in Ökosystemen denken.» Er meinte zudem, dass diese Kultur in den USA seit Jahrzehnten existiere, in Europa und der Schweiz aber erst gerade ankomme: «Deshalb können wir sie jetzt aktiv gestalten. Das empfinde ich als Privileg und Verpflichtung gleichermassen.»

Das Prinzip Hoffnung

Natürlich sind nicht alle Exits so erfolgreich wie etwa jener von Galderma, deren Marktkapitalisierung mittlerweile rund 15 Milliarden Franken beträgt. Ehrlich gesagt sind es die wenigsten. Im Februar berichtete «Sifted» von aktuellen Exit-Zahlen, die mich erst einmal innehalten liessen: Der durchschnittliche Wert europäischer Start-ups bei einem Exit lag demzufolge im Jahr 2023 bei 23 Millionen Euro. Für professionelle Investoren sind so tiefe Exit-Werte natürlich desaströs, denn die durchschnittliche Seed-Bewertung in Europa liegt bei rund sieben Millionen Euro, Series-A-Bewertungen liegen bei rund 32 Millionen Euro. Dass VCs hier durchschnittlich keine Rendite erzielen können, ist offensichtlich und hat weitreichende Implikationen auf das Geschäftsmodell. Mir sagen diese Zahlen, dass der durchschnittliche Early-Stage-VC nur noch Investitionen durchführen darf, die sich bei Exits in fünf bis zehn Jahren mit einer Bewertung von durchschnittlich 23 Millionen Euro noch lohnen. Das ist ein fundamental anderes Geschäftsmodell als das Suchen nach Firmen, die Einhörner werden können und deren Exits die gesamte Fondsrendite produzieren können, denn diese haben oft schon in frühen Phasen eine hohe Bewertung, die bereits deutlich über dem durchschnittlichen Exit-Wert liegt.

Ich hatte bereits in der MeisterMacher-Kolumne vom März erwähnt, dass für mich das erfolgreiche VC-Modell der nächsten zehn Jahre näher am Private-Equity-Ansatz sein wird, der durch kleine Portfolien, eine stärkere Wertschöpfung innerhalb der Unternehmen und die Nutzung von M&A-Wachstumspfaden gekennzeichnet ist. Das Festhalten an dem Modell der letzten zehn Jahre, das noch immer in der Branche vorherrscht, ist für mich ein starker «Survivorship Bias», bei dem Erfolge systematisch überschätzt und Misserfolge ausgeblendet werden.

Auf Gründerseite gibt es jedoch Anlass für gesunden Optimismus. Start-ups, die sich noch in einer frühen Phase befinden, sollten nicht zu viel über Exit-Szenarien nachdenken, die noch weit weg sind, sondern ihr Augenmerk besser auf ihr Produkt und die Befriedigung von Kundenbedürfnissen innerhalb eines profitablen Geschäftsmodells legen. Diese Grundbausteine für den Erfolg sind Voraussetzung für ein Überleben über die Wirtschaftszyklen hinweg. Das Risiko ist systeminhärent – oder, um es mit den Worten von Reddit-CEO Steve Huffman am Tag des Börsengangs zu sagen: «Es gab so viele Zeiten, in denen wir nicht sicher waren, ob wir es überhaupt schaffen.»

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