Zwei auf dem Gipfel: Amherd und Cassis kämpfen auf dem Bürgenstock um das Ansehen der Schweiz – und um ihr eigenes

zwei auf dem gipfel: amherd und cassis kämpfen auf dem bürgenstock um das ansehen der schweiz – und um ihr eigenes

Sie sind die Gesichter dieses Gipfels: Der ukrainische Präsident Selenski mit Viola Amherd und Ignazio Cassis. Ura Flüeler / Keystone

Ist er das jetzt, der maximale Punkt der Aufregung, nach so vielen aufgeregten Wochen?

«Chilenische Regierungsmaschine gelandet», tickert der «Tages-Anzeiger» schon am Freitagabend, «Kamala Harris unterwegs in die Schweiz», schreibt der «Blick», «Selenski und Harris auf dem Weg zum Bürgenstock», heisst es bei «20 Minuten». Jede Zuckung im Umfeld dieses Gipfels, jedes Detail: ein Spektakel, fiebrig begleitet von den Medien.

Die Schweiz im globalen Fokus, endlich wieder einmal.

Und nun, am Samstagnachmittag, hoch über dem Vierwaldstättersee, kommt alles zusammen. Auf dem Bürgenstock wehen eine Schweizer Flagge und eine ukrainische Flagge, das Gebimmel der Kuhglocken auf den Wiesen wird alle paar Minuten vom Rotorenlärm der Helikopter übertönt, die einen Politiker nach dem anderen zum Resort hochfliegen.

Es ist der Auftakt zur «Konferenz zum Frieden» mit 100 beteiligten Delegationen, der Auftakt zu 24 Stunden Gesprächen und Verhandlungen, die so etwas wie einen Friedensprozess für die Ukraine anstossen sollen, auch wenn sich hier oben gerade alles recht militaristisch anfühlt. Der Saal für die Medienschaffenden verströmt den Charme eines Bunkers, bewaffnete Polizisten bewachen die Eingänge.

Viola Amherd ist das Gesicht der Schweiz an diesem Gipfel, zumindest in diesen ersten Stunden. Es ist kurz nach Mittag, als die Bundespräsidentin vor die versammelten Journalisten tritt, zur Pressekonferenz mit Wolodimir Selenski, mit dem sie sich eben zum Gespräch getroffen hat.

«Wir werden nicht den Frieden für die Ukraine verkünden können», sagt sie. Aber man wolle «einen Prozess in Richtung eines gerechten und dauerhaften Friedens inspirieren», einen Prozess, bei dem «irgendwann» auch einmal Russland mit am Tisch sitzen werde.

Amherd tritt so auf, wie sie seit mehr als zwei Jahren meistens auftritt, wenn es um die Ukraine geht: entschieden, engagiert – etwas zu engagiert für ihre Kritiker.

Die Verteidigungsministerin spricht auf der Bühne offen an, dass die Schweiz die Konferenz auf Bitte der Ukraine organisiert habe. «Vielen Dank, Herr Präsident, für das Vertrauen, dass Sie der Schweiz entgegenbringen.» Im Bundesrat (und auch öffentlich) hat sich Amherd seit Beginn des Kriegs immer wieder dafür ausgesprochen, Kiew mehr Unterstützung zukommen zu lassen – von der Weitergabe von Waffen bis hin zu finanzieller Hilfe.

Cassis bleibt im Hintergrund

Das letzte Mal haben sich Amherd und Selenski Mitte Januar gesehen, als der Ukrainer ans Weltwirtschaftsforum in Davos reiste und vorher in Bern Halt machte. Selenski kam mit der Bitte an die Schweiz, eine Friedenskonferenz auszurichten, und Amherd, frisch im Amt als Bundespräsidentin, sagte zu. Die Entscheidung verkündete sie an Selenskis Seite und sprach damals noch von einem «hochrangigen Friedensgipfel» – eine Wortwahl, die Hoffnungen weckte, die Amherd später selbst wieder dämpfen musste.

Meistens im Hintergrund bleibt an diesem Samstag Aussenminister Ignazio Cassis. Als Amherd und Selenski zu Beginn des Nachmittags vor die Medien treten, steht er mitten in der Menge der Journalisten und schaut mit verschränkten Armen und ernster Miene auf die Bühne. Die meisten Journalisten nehmen ihn gar nicht wahr.

Dabei ist es auch seine Konferenz. Er und Amherd verwendeten in den vergangenen Monaten viel Zeit auf die Organisation des Gipfels. Sie berieten sich dazu oft, stimmten sich eng ab – etwa beim Versuch, möglichst viele Staaten zur Teilnahme zu bewegen. Das ist ihnen gelungen, trotz einigen gewichtigen Absagen. China fehlt, Südafrika und Brasilien haben nur einen Beobachter geschickt. Doch Indien ist mit einem Minister da, Saudiarabien auch, und aus Katar ist der Ministerpräsident angereist.

Für das Bild, das die Konferenz aussendet, ist das wichtig. Weil es die Beteuerung von Amherd und Cassis glaubhafter macht, dass man dort «offen für alle Friedensvorschläge» sei – auch wenn sie nicht von der Ukraine und ihren engsten Verbündeten kommen, sondern von Staaten des globalen Südens, die sich als mögliche Vermittler sehen.

Auch Cassis’ Beziehung zur Ukraine und zu ihrem Präsidenten gibt immer wieder zu reden. Da war die Demonstration auf dem Bundesplatz nach Ausbruch des Kriegs, als er den per Video zugeschalteten Selenski sichtlich ergriffen als «my friend» begrüsste. Da war auch die Szene im Januar, als er Selenski auf dem Rollfeld in Zürich umarmte – und das Bild, das beide Männer nebeneinander in einem Helikopter zeigte. Grosse Nähe, viel Wärme.

«Welcome to Switzerland»

Am Samstag ist es ausschliesslich Amherd, die neben Selenski steht, immer wieder. Nach der Pressekonferenz hält sie die offizielle Eröffnungszeremonie ab: Sie schüttelt jedem der 100 Delegationschefs auf dem roten Teppich die Hände, sagt ein paar freundliche Worte («Welcome to Switzerland, thank you very much») und übergibt den Gast an Selenski, der nebenan wartet. Dann: gemeinsames Foto.

Gleich im Anschluss erhält die Bundespräsidentin nochmals die Bühne, im grossen Saal, in dem sich alle Delegationschefs versammelt haben. «Es entspricht einer langen Tradition, den Weg aus dem Krieg an friedlichen Orten zu suchen», sagt sie in ihrem Grusswort. Der Bürgenstock sei ein solcher Ort. «Seine Schönheit steht in scharfem Kontrast zum Anlass unserer Konferenz, aber seine Berge sind eine Erinnerung: Hochgesteckte Ziele erreicht man nur mit vielen Schritten.»

Wie diese Schritte genau aussehen, ob es auf dem Bürgenstock schon eine Einigung zu einer Folgekonferenz gibt, an der womöglich auch Russland teilnimmt: Das wird die Abschlusserklärung zeigen, die am Sonntag verabschiedet werden soll.

Mit ihrem Engagement auf dem Bürgenstock betreiben Amherd und Cassis (und damit: die Landesregierung) auch eine Art Kompensation. Seit Beginn des russischen Überfalls stand die Schweiz bei den westlichen Partnerstaaten immer wieder in der Kritik, sich zu wenig für die Ukraine zu engagieren.

Bei Treffen mit ihren Amtskollegen mussten die Bundesräte regelmässig erklären, warum die Schweiz partout keine Wiederausfuhr von Schweizer Waffen in die Ukraine erlaubt – und warum sie sich weigert, bei der Suche nach den Vermögen sanktionierter russischer Oligarchen enger mit den G-7-Staaten zu kooperieren.

Die Bürgenstock-Konferenz bietet nun die Gelegenheit, diese Kritik zu entkräften. Oder wie der deutsche «Spiegel» schrieb: etwas gegen das «schlechte Gewissen» zu tun. Indem die Schweiz diesen Gipfel ausrichtet, leistet sie ihren Beitrag für die Ukraine, zeigt sie sich solidarisch: Das ist die Botschaft, die Amherd und Cassis für die europäischen Partner nun parat haben.

Mit ihrem Engagement für die Konferenz gehen Amherd und Cassis aber auch ein politisches Risiko ein. Sollte der Bürgenstock-Gipfel dereinst tatsächlich als Anfang eines Prozesses in die Geschichte eingehen, der irgendwann in einem Frieden endet, dann haben sich die beiden Bundesräte damit auch ein Denkmal in eigener Sache gesetzt. Scheitert die Konferenz jedoch, wird sie womöglich sogar zur Blamage für die Schweiz, wirft das auch ein schlechtes Licht auf Cassis und Amherd als Promotoren.

Nach einer Blamage sieht es aber nun, am Samstagabend auf dem Bürgenstock, nicht aus. Auf dem Gruppenfoto der Gipfelteilnehmer lächeln Amherd und Cassis neben Selenski und den anderen Politikern, im Hintergrund die Schweizer Berge.

Die Welt auf dem Bürgenstock, zumindest die halbe: Da ist ein bisschen Aufregung schon verständlich.

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