Das Boi Bumba ist wilder als der Karneval in Rio

Parintins. Boi Bumba heißt der Riesenspaß im Norden Brasiliens, der jedes Jahr im Juni immer mehr Menschen aus aller Welt auf eine Insel im größten Strom der Erde lockt.

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Das Boi-Bumba-Festival wird im Nordosten Brasiliens gefeiert, hier zum Beispiel in der Stadt Salvador. ⇥ Foto: Joa Suza/Gettyimages

Eine unbarmherzige Sonne lastet über dem gewaltigen Flusssystem. Nur manchmal, vor allem in der Nacht, prasselt es für zwei, drei Stunden heftig auf die Planen und das Deck des alten Flussdampfers. Aber der Wasserspiegel sinkt weiter, und an den Inseln im Amazonas werden Strände sichtbar, die noch vor Kurzem überflutet waren. Seca ist angebrochen, die Trockenzeit, die Zeit der Ernte und der wilden Feste, in den Dörfern tief im Urwald wie in den Städten am großen Strom. Manaus liegt hinter uns, die Metropole mit ihrem Abenteurer-Mythos und ihrem legendären Opernhaus aus der Ära des Kautschukbooms. Der große Strom wird auf dem Wege nach Belém immer breiter. Manchmal ist das jeweils andere mehr Ufer nicht mehr zu sehen. Und dann, 250 Seemeilen weiter östlich, macht unser Schiff endlich in Parintins fest. Fast zwölf Monate lang döst diese Stadt vor sich hin, bis sie, seit 1913 schon, jedes Jahr Ende Juni in einem Rausch von Farben explodiert. Dann heißt es wieder: Die Bullen sind los, „Boi Bumba“ ist angesagt.

Viel lesen konnte man zuvor nicht darüber, in unseren Reisebüchern kommt das bunte Fest, wenn überhaupt, nur am Rande vor. Aber die Leute auf dem Schiff, vorwiegend Brasilianer haben uns neugierig gemacht auf das Spektakel, haben es nur zu gern verglichen mit dem weltweit viel berühmteren Karneval in Rio – „aber bei uns ist alles viel authentischer, viel fröhlicher, viel ungefährlicher.“

Worum geht es also? Die Legende, die dem Spaß zugrunde liegt, ist so lang und so verschlungen wie die Lianen draußen im Urwald. Nur so viel: Ein liebestoller Hirte namens Francesco soll einst den besten Bullen seines Herrn getötet und die Zunge herausgeschnitten haben, nur um seiner Angebeteten deren Lieblingsspeise bieten zu können. Natürlich musste der Frevler fliehen, aber die ihm gut gesonnenen Geister des Regenwaldes schafften es, das Viech wieder lebendig zu machen. Der Chef, schwer beeindruckt, schlachtete sogar einen Ochsen, als der Junge wieder nach Hause kam. Ende gut, alles gut.

Rituale und Rhythmen aus dem afrikanischen Herzen der Finsternis, uralte Wiedergeburtskulte und die Musik der indigenen Völker haben sich über einen langen Zeitraum zu Orgien der Fantasie vermengt. Daraus ist Bumba-Meu-Boi entstanden, wörtlich: „Steh auf, mein Ochse...“. Und seit weit über hundert Jahren ist Parintins das Zentrum dieses Folklore-Musicals, das heute nur noch Boi Bumba genannt wird. Es spiegelt die Lebenslust und die Magie Brasiliens wider. Längst schon zieht es jedes Jahr auch einige Zigtausend Besucher aus aller Welt an und hat sich, so wirkt es, doch den Charme des Ursprünglichen bewahren können. Und seit 2019 steht Boi Bumba immerhin auf der Unesco-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit.

Die Tropennacht hat nahezu übergangslos das warme Licht des Nachmittags verschluckt. Aber Parintins, die 100.000-Einwohner-Stadt auf der Flussinsel Tupinambarana leuchtet, strahlt und glitzert. Zwei Farben nur prägen drei Tage und drei Nächte lang die Palette, rot und blau. Sie stehen einerseits für die Garantido, die Garanten (des Siegs), so nennen sich die Truppen in roter Kluft, andererseits für die Eigenwilligen, die Caprichoso, in Blau gekleidet. Und genau so ist das Publikum aufgeheizt, ja die ganze Stadt: Hier rot, da blau, entweder oder! Und wehe, du setzt dich mit einem roten Hemd in den blauen Block.

Gestern schon sind die Blauen und die Roten durch die Avenidas von Parintins gezogen, getrennt, versteht sich, zu Hunderten, zu Tausenden: Tänzer, Musikanten, Gaukler im Fabelkostüm. Und nun marschieren sie endlich in die Arena ein, Tigerkopf-Tänzer und Stiere, Maskenkrieger mit afrikanischer Vergangenheit, ein bisschen Macumba, eine Prise Samba. Die Blauen tanzen und trommeln wie wild, und der Beifall will nicht aufhören. Die Roten, eine halbe Stunde später, tanzen und trommeln mindestens so verrückt. Und der Applaus schwillt zum Orkan an.

Immer noch fließt der Caipirinha in Strömen. Die Menschen jubeln stampfend und schwitzend ihren Truppen zu, denn angeblich führt letztlich, so haben wir es halbwegs verstanden, die Macht des Beifalls, gemessen in Länge und Lautstärke, eine der Truppen zum Sieg. Wir sehen neue und noch abenteuerliche Kostüme, hören Rhythmen, so heiß wie die Nacht da draußen. Irgendwann haben wohl die Roten gewonnen, „wie letztes Jahr, wie vorletztes Jahr“, sagt am späten Abend José, der Wirt im „Pedaços de Paz“, mit Wehmut in der Stimme.

Sein Lokal ist nämlich das Stammquartier der Blauen. Aber was macht das schon? Schon der Name dieser Kneipe stimmt versöhnlich: „Ein Stückchen Frieden“ heißt sie, sinngemäß übersetzt. Also schenk ein, José, mein Freund, zwei Caipi noch, einen für die Roten und einen für die Blauen.

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