Außenpolitiker Schmid zum Rechtsruck in Frankreich: „Macron hat sich definitiv verzockt“
Das rechtsextreme Lager ist nach den Parlamentswahlen in Frankreich obenauf. Die Verantwortung trage Präsident Emmanuel Macron, kritisiert der außenpolitische Sprecher der SPD, Nils Schmid.
Marine Le Pen (3.v.l) und Jordan Bardella (2.v.r) können auf die Mehrheit in der französischen Nationalversammlung hoffen.
Herr Schmid, der Rassemblement National (RN) liegt nach dem ersten Wahlgang der Parlamentswahlen in Frankreich klar in Führung. Das Mitte-Lager von Emmanuel Macron kommt nur auf Platz drei, noch hinter der linken Volksfront. Hat sich der Präsident verkalkuliert?
Macron hat sich definitiv verzockt. Es war eine Niederlage mit Ansage und es ist bis heute unerklärlich, warum er das Parlament vorzeitig aufgelöst hat. Er hat damit die Türen der Macht für die Rechtsextremen weit aufgemacht.
Macrons Kalkül scheint zu sein, dass sich der RN an der Macht selbst entzaubern könnte. Teilen Sie diese Hoffnung?
Das halte ich für ein sehr gewagtes Spiel. Wir wissen, dass wenn Rechtsextreme auch in anderen Ländern an die Macht gekommen sind, sie versuchen, den Staat hin zu einem illiberalen System umzubauen.
Macron überschätzt einmal mehr seine Kräfte, wenn er meint als Präsident den RN entzaubern zu können. Er trägt eine schwere Verantwortung für diese Fehlentwicklung. Das überschattet seine Amtszeit, auch wenn sie gerade in der Europapolitik viel Gutes gebracht hat.
Was bedeutet die Wahl für das deutsch-französische Verhältnis und damit auch für Europa?
Macron ist definitiv geschwächt, egal wie der zweite Wahlgang ausgehen wird. Er wird in Europa wenig Autorität haben, um Dinge anzustoßen. Seine Rolle als Antreiber für die europäische Einigung ist definitiv vorbei. Die Wahl in Frankreich ist eine Warnung für uns alle in Europa, dass wir nicht auf vermeintliche Erlöser-Figuren setzen sollten – selbst, wenn sie entschiedene Europäer sind.
Auch in Deutschland gab es zahlreiche Forderungen nach Neuwahlen nach der Europawahl. Bestätigt die Wahl in Frankreich den Kurs von Olaf Scholz?
Auf alle Fälle! Wir haben in Deutschland ein bewährtes System, dass Koalitionsregierungen nach ihrer Amtszeit bei Wahlen neu bewertet werden können. Demokratische Regierungen brauchen Zeit, um ihre Vorhaben umzusetzen. Diese Zeit sollten sich Regierungen nehmen und nicht Russisch Roulette spielen.
Premierminister könnte nun Jordan Bardella werden. Wie schätzen Sie ihn ein?
Der Rassemblement National hat eine Tradition anti-deutscher Politik. Eine Regierung unter Bardellas Führung würde die deutsch-französische Zusammenarbeit sicher deutlich schwächen. Selbstverständlich respektieren wir aber den Ausgang demokratischer Wahlen.
Muss sich Deutschland nun auch auf eine französische Präsidentin Marine Le Pen stärker vorbereiten?
Dieses Szenario ist möglich, allerdings hat mit den vorgezogenen Wahlen auch die Neuaufstellung der französischen politischen Landschaft begonnen. Es ist durchaus denkbar, dass eine starke Mitte-Links-Kraft entsteht. Das setzt aber voraus, dass man sich klarer von den Linksradikalen um Mèlenchon abgrenzt.